Berlin. Kriminelle sprengen immer wieder Geldautomaten in Deutschland. Ein Nachbarland zeigt, wie man sie wirkungsvoll abschrecken kann.

Es vergeht kaum ein Tag ohne Anschlag. Mal sprengen sie Geldautomaten in Hauswänden, mal in Bankvorräumen in die Luft. Nicht selten mit Sprengstoff aus Feuerwerkskörpern wie illegalen Cobra-Böllern oder Gas. Kein Bundesland bleibt verschont. Oft sind die Täter maskiert, fliehen in schnellen Autos. Je nach Standort erbeuten sie mehr als 100.000 Euro.

Meistens entstehen hohe Sachschäden an Gebäuden. Mit Glück wird niemand verletzt – denn die Explosionen sind oft lebensgefährlich für Anwohner oder Passanten. In einigen Fällen ermittelt die Polizei deshalb nicht nur wegen Diebstahls, sondern auch wegen versuchten Mordes.

Das Sprengen von Geldautomaten scheint den klassischen Bankraub abgelöst zu haben. Während seit 2005 die Zahl der Banküberfälle von 728 auf 73 Fälle gesunken ist, stieg die Zahl der Sprengungen von Geldautomaten in diesem Zeitraum von damals 27 auf 496 im vergangenen Jahr deutlich. Bundesweit gibt es rund 55.500 Geldautomaten.

Laut Bundeskriminalamt werden hierzulande 70 bis 80 Prozent der Taten von „Gruppierungen“ aus den Niederlanden verübt, weitere Täter kommen aus Osteuropa, insbesondere aus Rumänien und Polen. Nicht alle Fälle werden aufgeklärt. Einzeltäter sind eher die Ausnahme.

Geldautomaten werden gesprengt: Täter gefährden auch Menschen

Nicht nur für Banken und Sparkassen sind die Sprengungen ein teures Ärgernis. Polizei und Innenministerien der Länder sorgen sich auch um die Sicherheit der Bürger. Sie drängen an runden Tischen die Kreditwirtschaft, ihre Prävention zu verbessern.

Manches wird bereits umgesetzt. So schließen viele Geldinstitute ihre Selbstbedienungsräume nachts zwischen 23 und 6 Uhr. Videoüberwachungen, elektronische Zugangskontrollen werden zum Standard. Auch wird das Bargeld in den Automaten reduziert.

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Geld: Diese Technik macht den Überfall zwecklos

Doch dies alles reicht noch nicht. Die Branche hofft deshalb auf den baldigen Einsatz weiterer Abschreckungsmittel, mit denen das Bargeld im Fall eines Anschlags wertlos gemacht wird. Denn: Heute werden die Banknoten in den Kassetten der Geldautomaten selbst bei Sprengungen „in den meisten Fällen nicht oder nur geringfügig durch Brand- oder Hitzeeinwirkung beschädigt“, berichtet das BKA aus Erfahrung.

Hier kann Deutschland von einem Nachbarn lernen. In den Niederlanden ist die Zahl der Sprengungen in den vergangenen zehn Jahren von 129 auf zuletzt 15 Sprengungen im Jahr 2022 zurückgegangen. Das BKA sieht dafür zwei Gründe: Die Prävention wurde verstärkt und der Strafverfolgungsdruck erhöht.

Eine Technik hat sich als besonders abschreckend bewährt: Die Scheine in den Geldkassetten werden im Fall einer Sprengung durch Farbe oder Klebstoff unbrauchbar gemacht. Konkret bedeutet dies: Wird ein Automat gesprengt, wird ein Stoff aktiviert, der alle Scheine in der Geldkassette in Sekundenschnelle zu einem einzigen Klumpen Papier verklebt.

Klebetechnik für Geldautomaten: Geld wird wertlos

Die Geldautomaten müssen dafür mit einem intelligenten Banknoten-Neutralisations-System (IBNS) ausgestattet werden. Das Unternehmen Mactwin Security hat dafür das Patent GlueFusion entwickelt. Das Geld wird damit für die Täter zu einem „wertlosen, robusten Ziegelstein aus Papier“, beschreibt der niederländische Hersteller das Prinzip.

Neue Technik: Bei der Sprengung eines Geldautomaten verklebt das Geld zu einem Papierklumpen und wird wertlos.
Neue Technik: Bei der Sprengung eines Geldautomaten verklebt das Geld zu einem Papierklumpen und wird wertlos. © Mactwin Security | Mactwin Security

„Wenn jemand versucht, eine einzelne Banknote abzuziehen, zerreißt sie sofort in kleine Stücke“, so das Unternehmen. Der Kleber könne nicht aufgelöst oder entfernt werden. Dies sei noch effektiver als die Technik, Banknoten mit Farbe zu überziehen.

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Während Kriminelle mit Tinte verschmierte Banknoten waschen und wieder unter die Leute bringen können, sei dies mit den verleimten Banknoten nicht möglich, so Mactwin Security: „Das Geld ist völlig wertlos und unwiderruflich vernichtet. Die Scheine passen auch nicht in automatisierte Zahlungsterminals.“ Damit nehme man den Kriminellen die Motivation für ihre Tat.

Das Positive: GlueFusion lässt sich problemlos in fast allen Geldautomaten installieren, berichtet der Hersteller. In den Niederlanden ist das System seit zwei Jahren im Einsatz. Aktuell führe das Unternehmen Gespräche mit deutschen Finanzinstituten, das System auch hierzulande einzusetzen. Doch noch steckt das System in der deutschen Bürokratie fest.

Geldautomaten: Banken und Sparkassen setzen auf Abschreckung

„Aktuell gibt es in Deutschland keine marktfähigen und zertifizierten Klebesysteme“, berichtet die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) als Vertreter der großen Verbände von Banken und Sparkassen. „Als Anwender sind Banken darauf angewiesen, dass die Produkte vor einer Markteinführung in Abstimmung mit Berufsgenossenschaften, Versicherern und Dienstleistern sowie Herstellern zulassungsreif konzipiert werden, und zwar ohne, dass Banken Gewährleistungsansprüche verlieren oder neuen Haftungsrisiken ausgesetzt sind.“ Die Zertifizierung laufe derzeit. Wenn das Ergebnis positiv ausfalle, könnten diese Systeme künftig auch in Deutschland eingesetzt werden.

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Wegen der Anschläge die Zahl der Geldautomaten zu reduzieren, ist für die Branche keine Option. „Die Bargeldinfrastruktur hat hierzulande immer noch eine hohe Bedeutung, auch wenn Kartenzahlungen längst überwiegen. Daher stellen wir uns in der Kreditwirtschaft dem Kraftakt, die Geldautomaten in Deutschland bestmöglich vor Sprengungen zu schützen“, sagt Andreas Martin, Vorstand im Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und Federführer der Deutschen Kreditwirtschaft: „Wir sind für jede neue und marktreife Technologie offen, die den Instrumentenkasten an vielfältigen Sicherheitsmaßnahmen für Geldautomaten ergänzt.“