Osnabrück/Berlin. Die Ziele beim Ausbau erneuerbarer Energien lassen sich nur mit zügigen Genehmigungen für Bauvorhaben erreichen. Aus Sicht von Naturschützern macht die Ampel dabei zu viele Abstriche beim Artenschutz.

Der Naturschutzbund (Nabu) sieht den Artenschutz beim Ausbau der Windenergie in Deutschland nicht genügend berücksichtigt. „Ich bin schwer enttäuscht von Robert Habeck und Steffi Lemke, sie tragen als Grüne die Schwächung des Artenschutzes mit“, sagte Naturschutzbund-Präsident Jörg-Andreas Krüger der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ mit Blick auf den Klimaschutz- und die Umweltministerin. „Aber natürlich muss man auch anerkennen, dass sie in einer Koalition mit SPD und FDP regieren. Und die haben derzeit überhaupt kein Interesse am Artenschutz, ihr Motto scheint stattdessen zu sein: Planungsbeschleunigung, koste es, was es wolle“.

Allein die Kapazität der Windkraft an Land soll sich von 58 Gigawatt im Jahr 2022 bis 2030 auf 115 Gigawatt verdoppeln. Derzeit dauern Planung, Genehmigung und Bau eines Windrads im Schnitt aber fünf bis sieben Jahre. Das Bundeskabinett hatte Ende Januar die Umsetzung neuer EU-Regeln auf den Weg gebracht. Damit soll für Windräder oft die Prüfung auf Umweltverträglichkeit und Artenschutz für einzelne Anlagen entfallen. Habeck sprach von einem „Windausbau-Beschleuniger“, der einen entscheidenden Fortschritt bei der Geschwindigkeit von Genehmigungsverfahren bringen würde. Laut dem Wirtschaftsminister müsste der Artenschutz aber nicht zurückstehen - für die Einhaltung sollen die Betreiber der Anlagen sorgen.

Gegeneinander ausgespielt?

„Naturschutz und Klimawandel werden gegeneinander ausgespielt, Naturkrise und Energiekrise zum Gegensatz gemacht“, kritisiert Krüger. „Dabei ist unbestritten, dass das Artensterben für die Menschheit ebenso existenzbedrohend ist wie der Klimawandel.“

Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, plädierte dagegen mit Blick auf Bauvorhaben allgemein für mehr Zurückhaltung beim Thema Naturschutz und für ein höheres Tempo bei der Genehmigung von Projekten. „Wir haben uns in Deutschland einen Verfahrensluxus zugelegt. Die Genehmigungsprozesse sind häufig überladen“, sagte Adrian der „Bild am Sonntag“. „Allein die Verfahren zum Schutz der Flora und Fauna ziehen sich teilweise über Jahre.“

In Deutschland würden bereits jährlich viele Millionen Euro für die Umsiedelung seltener Vögel und für Eidechsen-Schutzzäune an Autobahnen ausgegeben. „Projekte werden gestrichen oder aufwendig umgeplant, weil das betroffene Bauland eventuell ein Nistraum für das Haselhuhn sein könnte. Ich möchte den Naturschutz keinesfalls infrage stellen, denn er ist wichtig. Aber wir sollten bei allem maßvoll bleiben“, sagte der DIHK-Chef. Dabei gehe es auch um den Erhalt von Arbeitsplätzen.

Grüner Strom als „Standortvorteil“

Bosch-Chef Stefan Hartung hofft auf eine breite Debatte zum von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufenen „Deutschland-Tempo“ bei Infrastrukturprojekten. „Es wird einen politischen und gesellschaftlichen Dialog dazu geben müssen. Und er wird vielleicht auch ein bisschen kontroverser sein“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Es dürfe nicht darum gehen, „dem Nachbarn gegen seinen Willen ein Windrad in den Garten zu stellen.“ Es müsse immer noch einen Aushandlungsprozess geben, was man als Gesellschaft richtig und falsch finde.

Mit Blick auf den Windkraftausbau verwies der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, denn auch auf mögliche Wettbewerbsvorteile für Ostdeutschland. „Die Unternehmen sitzen in Zukunft dort, wo der Strom produziert wird. Grüner Strom kann damit zu einem großen Standortvorteil für den Osten werden“, sagte der SPD-Politiker der Bild am Sonntag (BamS). „Anders als in Bayern haben wir den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht verschlafen.“ Die „wirtschaftliche Landkarte Deutschlands“ werde deshalb gerade neu gezeichnet.