Hahn. Der Insolvenzverwalter des Airports Hahn fährt zweigleisig. Er hat nicht nur mit der Nürburgring-Besitzgesellschaft. Ein Bieter hat aber mehr Geld gezahlt als der andere.

Im Verkaufspoker um den insolventen Hunsrück-Flughafen Hahn ist überraschend neben der Nürburgring-Besitzgesellschaft ein weiterer Bieter aufgetaucht. Auch dieser Interessent, ein Mainzer Immobilieninvestor namens Firmengruppe Richter, hat nach eigenen Angaben vom Samstag über eine Tochterfirma bereits einen notariellen Kaufvertrag unterschrieben und eine Kaufsumme auf ein sogenanntes Anderkonto überwiesen.

Hahns Insolvenzverwalter Jan Markus Plathner sichert sich damit nach dpa-Informationen eine weitere Option, falls das Bundeswirtschaftsministerium der Nürburgring-Besitzgesellschaft NR Holding um den Russen Viktor Charitonin gemäß dem Außenwirtschaftsgesetz kein grünes Licht gibt.

Zwei parallele Kaufverträge

Plathner teilte mit Blick auf die Firmengruppe Richter mit, es sei auch ein zweiter Kaufvertrag verhandelt und notariell beurkundet worden „für den Fall, dass im ersten Vertrag gesetzte Bedingungen nicht eintreten“. Die parallelen Kaufverträge mit den beiden voneinander unabhängigen Investoren stünden noch unter Bedingungen, „so dass letztlich nur ein Kaufvertrag vollzogen wird“. Über das weitere Vorgehen werde bei besonderen Gläubigerversammlungen mehrerer Hahn-Schwestergesellschaften am kommenden Dienstag vor dem Insolvenzgericht Bad Kreuznach entschieden. „Die weiteren Entwicklungen im Prozess sind offen“, erklärte Plathner.

Der einstige Investor mit dem höchsten Kaufangebot im ursprünglichen Hahn-Bieterverfahren, die Frankfurter Swift Conjoy GmbH, zahlte nach dpa-Informationen nie den vereinbarten Kaufpreis. Auf mehrere dpa-Anfragen hat das Unternehmen nicht reagiert. Plathner bestätigte, dieser Verkauf „wurde von Swift Conjoy nicht vollzogen“. Nach dpa-Informationen hatte hier noch nicht die Regelung gegriffen, vorab die komplette Kaufsumme zu überweisen.

Nach dem Ausfall der einst meistbietenden Swift Conjoy ist inzwischen der Bieter mit dem seinerzeit zweithöchsten Angebot, die NR Holding um den russischer Pharma-Unternehmer Charitonin, mit Kaufvertrag und rund 20 Millionen Euro beim Airport Hahn eingestiegen. Charitonin findet sich auf keiner EU-Sanktionsliste für Russland, das einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Die NR Holding bestätigte: „Ja, wir haben einen Vertrag geschlossen. Dieser steht jedoch unter verschiedenen aufschiebenden Bedingungen.“

Das dritthöchste Angebot im ursprünglichen Hahn-Bieterverfahren kam nach dpa-Informationen von der Firmengruppe Richter. Das Unternehmen teilte der dpa am Samstag mit, es habe eigens eine bestehende Tochtergesellschaft in Flughafen Frankfurt Hahn Betriebs GmbH umbenannt, die als Käuferin des Airports auftrete.

Ihre Geschäftsführerin Julia Richter sagte der dpa mit Blick auf die dpa-Berichte über den Einstieg eines Russen am Hahn: „Das hat sich jetzt alles überschlagen.“ Ihre Firmengruppe habe zuvor nicht gewusst, dass die NR Holding ebenfalls einen Kaufvertrag unterschrieben und gezahlt habe. Manche ihrer Mitarbeiter hätten bei den Berichten über den Einstieg der NR Holding beim Hahn zuerst irrtümlich an ein Joint Venture mit dem Russen Charitonin gedacht.

Land Hessen nicht mehr am Flughafen interessiert

Vor langer Zeit war einmal das Land Hessen mit 17,5 Prozent der Anteile beim Airport eingestiegen. Laut dem hessischen Finanzministerium in Wiesbaden hat das Land „kein strategisches Interesse mehr am Flughafen Hahn und ist daher weiterhin bereit, seine Anteile zu verkaufen - an wen, das muss bei einem Kaufinteresse im Einzelfall geprüft und entschieden werden“. Der Jurist Plathner betonte, in der schon seit Herbst 2021 laufenden Insolvenz sei ein ganzes Bündel an Sanierungsmaßnahmen umgesetzt worden, „die den Flughafen Hahn wieder attraktiver für Airlines und Passagiere machen“. Der Ende März startende Sommerflugplan 2023 werde „weitere neue europäische Ziele enthalten“.

Das Land Rheinland-Pfalz hielt einst 82,5 Prozent der Anteile an dem Flughafen. Diese hatte 2017 der chinesische Konzern HNA für rund 15 Millionen Euro erworben. Wegen Betriebsbeihilfen von rund zehn Millionen Euro aus den Jahren 2017 und 2018 ist Rheinland-Pfalz selbst Gläubiger des Airports. Ein Sprecher des Innenministeriums in Mainz teilte am Samstagabend auf Anfrage der dpa mit, der Insolvenzverwalter führe das Verfahren unabhängig und nach den insolvenzrechtlichen Regelungen. „Das Land war und ist am Ausschreibungsverfahren nicht beteiligt.“

Der eher abgelegene Flughafen Hahn ist ein ehemaliger US-Militär-Airport mit wechselvoller Geschichte. So hatte hier etwa auch ein chinesischer Großkonzern lange das Sagen. Der einzige größere Flughafen in Rheinland-Pfalz besitzt keinen Bahnanschluss, aber eine seltene und begehrte Nachtfluggenehmigung.

Julia Richter von der Firmengruppe Richter sagte: „Erst Chinesen und dann ein Russe, der einen ehemaligen US-Militärflughafen mitten in Deutschland und Europa bei einem Krieg in der Ukraine kaufen will - das wird jetzt sicherlich in der Mainzer Fastnacht ausgeschlachtet.“

Die Flugzeugwerft Hangar 901 hat auf dem Gelände des Airports zu einem Tag der offenen Tür eingeladen. Personalleiter Dennis Irmiter sagte der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die wechselvolle Geschichte des einstigen US-Militär-Airports: „Ich stehe dem Hahn sehr positiv gegenüber.“ Die Insolvenzverwaltung habe einen guten Job gemacht. Der Flughafen floriere nach dem Abflauen von Corona wieder, das sähen auch seine Kollegen so.