Berlin. Diebe sollen eine brasilianische Kryptoplattform bestohlen haben. Dabei nutzten sie wohl ein Video-Hologramm eines bekannten Experten.

Egal ob der nigerianische Prinz, der vermeintliche Enkel oder sogar Vitali Klitschko: Viele Betrugsmaschen funktionieren dadurch, dass sich die Betrügenden als jemand anderes ausgeben. Nun gab es offenbar auch in der Kryptowelt einen Identitätsklau: Dabei sollen Kriminelle ein Deepfake-Video eines Krypto-Experten angefertigt und damit 32 Millionen Dollar erbeutet haben.

Im Zentrum des sogenannten "Scams" steht ein Mann namens Patrick Hillmann. Hillmann ist der hochrangige Kommunikationsmanager von Binance, der größten Handelsplattform für Kryptowährungen und ihre Ableger. An einem Tag zirkulieren dort mehr als 11 Milliarden US-Dollar. Hillmann ist seit etwa einem Jahr mit an Bord, doch nun wurde er offenbar zum unfreiwilligen Komplizen in einem Krypto-Krimi.

Am 17. August schreibt Hillmann in einem Blogbeitrag auf der Pattform, er habe im vergangenen Monat immer wieder Nachrichten bekommen, in denen sich Menschen für die virtuellen Treffen zwischen ihm und ihren Projektteams bedanken. Dabei sei es darum gegangen, die von ihnen erstellten Kryptowährungen in den Markt von Binance einzubringen – also sie dort "listen" zu lassen.

"Das war merkwürdig", schreibt Hillmann. "Ich habe weder einen Einblick oder Überblick in die Listings von Binance noch hatte ich mich je mit diesen Menschen getroffen."

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Während sich Hillmann an seinem Wohnort in Washington, D.C. noch über die mysteriösen Nachrichten gewundert haben dürfte, stand eine Kryptofirma im rund 5.800 Kilometer weiter südlich gelegenen Brasilien vor einer existenziellen Krise. Zumindest, wenn sich die Erzählung der brasilianischen Kryptoplattform BlueBenx tatsächlich so zugetragen hat, wie die Inhabenden sie im Internet verbreiten.

Demnach schrieb BlueBenx Branchenmagazinen zufolge am 12. August eine E-Mail an seine Kundschaft, in der das Unternehmen angab, Opfer eines "extrem aggressiven Hacks" geworden zu sein. Wie später herauskam, sollen dabei 32 Millionen US-Dollar gestohlen worden sein. Geld, das eigentlich für die Auszahlungen an die rund 22.000 Kunden und Kundinnen der Plattform reserviert war.

In einer dramatischen Aktion stoppte BlueBenx alle Auszahlungsprozesse über eine Zeit von sechs Monaten und feuerte Insiderberichten zufolge mehr als 30 seiner Angestellten. Schnell warf die Kryptoszene den Gründenden von BlueBenx vor, den Hack nur inszeniert zu haben, um sich mit dem Geld der Klientel abzusetzen. Dazu würde auch passen, dass brasilianische Behörden die Firma bereits seit Januar wegen illegaler Geschäfte beobachteten.

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Doch am 22. August änderte BlueBenx plötzlich seine Erklärung für den Millionen-Diebstahl. Es habe nie einen Hack gegeben, so die Firmeninhabenden, dafür aber einen sogenannten "Listing-Scam" – einen Betrug im Zusammenhang mit Listings auf großen Kryptoplattformen. Kryptoplattformen wie Binance.

Wie die Inhabenden von BlueBenx erklären, hätten sie in einem Videoanruf ein Treffen mit einem Vertreter einer großen Kryptoplattform besucht. Dieser habe versprochen, das Listing der von BlueBenx erstellten Kryptowährung "Benx" auf Binance zu beschleunigen. Der Preis für diese Gefälligkeit: 200.000 US-Dollar und 25 Millionen Benx. Geld, das der vermeintliche Vertreter später auf der Webseite von BlueBenx gegen die besagten 32 Millionen US-Dollar einlöste, die das Unternehmen an Liquiditäten gesammelt hatte.

Wer der Vertreter war, gibt BlueBenx nicht bekannt. Doch Branchenmagazine aus der Kryptoszene sind sich sicher: Es war Patrick Hillmann. Oder vielmehr: ein falscher Patrick Hillmann.

Krypto-Manager wurde Opfer von Deepfake

"Es hat sich herausgestellt, dass ein hochentwickeltes Hacking-Team alte Nachrichteninterviews und TV-Auftritte aus vergangenen Jahren von mir genutzt hat, um ein 'Deepfake' von mir zu erstellen", schreibt Patrick Hillmann in seinem Binance-Blogbeitrag. Die Kriminellen würden sich mithilfe der Fälschungstechnik in Videoanrufen als Hillmann ausgeben, um damit andere Binance-Kunden und Leiterinnen von Kryptoprojekten zu betrügen.

"Abgesehen davon, dass die 15 Pfund, die ich während Covid zugenommen habe, offensichtlich fehlten, war dieser Deepfake ausgeprägt genug, um mehrere hochintelligente Mitglieder der Krypto-Gemeinde zu täuschen", so Hillmann. Gehören dazu etwa auch die Inhabenden von BlueBenx?

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    Ob es sich im Fall von BlueBenx tatsächlich um ein Deepfake von Patrick Hillmann handelte oder ob sich die brasilianischen Krypto-Gründenden mit einem oder einer anderen hochrangingen Vertreterin aus dem Binance-Kosmos trafen, ist nicht abschließend geklärt. Hillmann zufolge seien auch andere Mitarbeitende Opfer des Deepfake-Betrugs geworden.

    Er rät dazu, noch mehr als sonst auf verdächtige Nachrichten und Angebote zu achten. Scam-E-Mails im Zusammenhang mit Binance sind weltweit verbreitet, oft sind darin sogenannte "Phishing-Links" oder Zahlungsaufforderungen platziert.

    Wie es dagegen mit BlueBenx weitergeht, ist derzeit noch immer ungewiss. Zwar hob das Unternehmen nun hervor, dass von den 25.000 Kunden und Kundinnen nur 2500 von dem Raub betroffen seien und diese ab 2023 wieder Auszahlungen tätigen können. Ob das aber tatsächlich passieren wird, weiß niemand. Auch das ist Teil der Kryptowelt.

    Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de