Berlin. Deutschland muss unabhängiger werden vom russischen Gas - die Bundesregierung will deshalb unter anderem mehr Tempo bei Gebäudesanierungen und bei der Installation neuer Heizungsanlagen.

Der Krieg in der Ukraine führt Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland die Abhängigkeit von russischem Gas gerade drastisch vor Augen.

Viele dürften sich deshalb konkreter als sonst mit dem Gedanken eines Heizungswechsels befassen. Nicht nur die hohen Energiepreise sprechen dafür. Auch die Befürchtung, mit dem eigenen Heizverhalten Russlands Angriffskrieg zu unterstützen, spielt aus Sicht von Fachleuten eine Rolle.

Skepsis in der Branche

Die Bundesregierung hat das erkannt - und drückt etwa über das in der vergangenen Woche angekündigte Entlastungspaket für Verbraucherinnen und Verbraucher aufs Tempo. Vor allem der Gebäudesektor soll schneller umgekrempelt werden. Doch angesichts von Materialengpässen und besonders wegen des schon seit Jahren herrschenden Personalmangels in vielen Branchen wächst die Skepsis, wie das alles in der vorgegebenen Zeit zu schaffen sein soll.

Mitte März hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den neu aufgelegten KfW-Fördertopf für Gebäudesanierungen um weitere fast fünf Milliarden Euro aufgestockt. Er kündigte ein Energieeffizienzprogramm an.

Darüber hinaus zieht die Bundesregierung im Rahmen des neuen Entlastungspakets ihr Ziel für den Heizungsneubau um ein Jahr vor: Nun soll schon ab dem Jahr 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Es soll zudem der Rahmen dafür geschaffen werden, dass Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien ihre über 20 Jahre alten Heizungsanlagen austauschen können.

Es gehe um nichts weniger als um den "Abschied hier in Deutschland von der fossilen Gasheizung", sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang kürzlich bei einem Auftritt in Berlin.

"Der Ukraine-Krieg hat den Handlungsdruck auf die Politik erhöht und in Folge natürlich auf das Handwerk", teilt dazu der Zentralverband Heizung Sanitär Klima (ZHSK) mit. Doch es fehlten die Beschäftigten. "Schon heute könnten wir zusätzlich fast 100.000 offene Stellen sofort besetzen, wenn wir jedoch nur qualifizierte Bewerber dafür hätten", sagte Verbandspräsident Michael Hilpert vor wenigen Tagen auf einer Fachkonferenz.

Habeck: Sechs Millionen Wärmepumpen bis 2030

Minister Habeck hatte im Januar auch das Ziel der installierten Wärmepumpen in Deutschland bis 2030 von vier auf sechs Millionen erhöht. Allein dafür fehlen laut ZHSK rund 60.000 Monteurinnen und Monteure sowie 40.000 Kaufleute. Dabei geht die Branche davon aus, dass sich der Fachkräftemangel in den kommenden 10 bis 15 Jahren noch deutlich verschärfen wird. Die Ziele der Bundesregierung sind aus Verbandssicht zwar machbar. Es brauche aber mehr Zeit.

Wofür also die vielen Fördermilliarden, wenn es zu wenige gibt, die sie verbauen? "Entscheidend ist, dass die Fördergelder verlässlich über einen langen Zeitraum verfügbar sind, dann werden auch Kapazitäten aufgebaut", sagt Johannes Kreißig, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. "Natürlich geht das jetzt nicht von heute auf morgen anders. Da ist die Baubranche einfach etwas träger als andere Branchen. Aber ich bin mir sicher, dass das passiert."

Fördersumme unzureichend?

Wolfgang Saam, Energieexperte beim Zentralen Immobilienausschuss (ZIA), sieht ein ganz anderes Problem: Dass die Fördersummen am Ende nicht ausreichen könnten. "Selbst zweistellige Milliardentöpfe von Fördermitteln sind weniger als das, was wir an Klimaschutzinvestitionen im Markt brauchen" sagt er. Die derzeit steigenden Bau- und Materialkosten würden die Wirkung der Fördertöpfe sogar noch kleiner werden lassen.

Diese Befürchtung hat auch Benjamin Köhler vom Öko-Institut. "Es ist abzusehen, dass ein Teil der zusätzlichen Mittel durch Baupreissteigerungen aufgefressen wird", betont er. Dennoch befürwortet er das Engagement der Bundesregierung. "Ich gehe davon aus, dass die zusätzlichen Mittel mehr Nachfrage generieren werden. Sie geben dem Markt ein klares Signal, wo der Schwerpunkt in Zukunft liegen wird: Eben nicht mehr beim Neubau, sondern auf der Sanierung des Bestands."

Es werde noch eine Weile dauern, "bis der Markt sich in diesem Bereich neu eingeschwungen hat". Doch der Krieg in der Ukraine führe derzeit bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern zu einem Umdenken.

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