Verkehr Hamburg

So funktioniert Europas größte Elektro-Ladestation für Busse

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Volker Mester
240 Busse haben an der Elektrobus-Ladestation in Alsterdorf Platz.

240 Busse haben an der Elektrobus-Ladestation in Alsterdorf Platz.

Foto: Marcelo Hernandez / HA

In Alsterdorf können künftig die Akkus von bis zu 240 Hochbahn-Bussen mit Strom versorgt werden. Was noch geplant ist.

Hamburg. Heimladestationen für den eigenen Elektro-Pkw kann man schon für rund 500 Euro kaufen. Ganz andere Summen werden fällig, wenn es darum geht, die Batterien von mehr als 100 E-Bussen der Hochbahn gleichzeitig aufzuladen – die Technik dafür kostet einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Eine solche Anlage hat der Verkehrsbetrieb kürzlich in Alsterdorf in Betrieb genommen. In langen Reihen stehen dort rot-weiße HVV-Elektrobusse unter so etwas wie überdimensionalen Carports, von der Decke hängen dicke blaue Ladekabel.

Von den 1100 Hochbahn-Bussen haben aktuell 103 einen batterieelektrischen Antrieb, sagt Hendryk Münster, Sachgebietsleiter für Ladeinfrastruktur bei dem städtischen Unternehmen. Für diese Fahrzeuge stehen bisher gut 180 Stromtankstellen in den Betriebshöfen zur Verfügung, davon gut 40 in Hummelsbüttel. „In diesem Jahr kommen aber 80 Batterie-Busse hinzu – und wir müssen immer mehr Ladepunkte als Busse haben“, sagt Münster.

Elektro-Ladestation in Hamburg für 240 Busse gleichzeitig

Daher werden in Alsterdorf künftig sogar 240 Busse gleichzeitig geladen werden können. Damit liegt die Gesamtanschlussleistung bei 25 Megawatt, was nach Hochbahn-Angaben der Versorgung einer Kleinstadt mit rund 40.000 Einwohnern entspricht. Kein Wunder also, dass der Betriebshof mit einem eigenen Umspannwerk auf dem Gelände an das Hamburger Stromnetz angeschlossen ist.

Doch selbst diese Ladekapazität wird nicht annähernd ausreichen. „Unsere Strategie sieht vor, die Dieselbusse bis 2030 vollständig abzulösen“, so Münster. Weil bis dahin der sogenannte „Hamburg-Takt“ – öffentliche Verkehrsmittel fahren dann alle fünf Minuten – umgesetzt werden soll, benötigt man bis dahin allerdings schon bis zu 1500 Busse. Der Großteil von ihnen soll batterieelektrisch unterwegs sein. „Dafür haben wir uns entschieden, weil diese Technologie schon jetzt serienreif verfügbar ist“, erklärt der Hochbahn-Manager.

Busse mit Wasserstoff und Brenstoffzellen ausgeschrieben

Zwar ist auch Wasserstoff weiterhin ein Thema, und die Hochbahn hat zusätzliche 50 Brennstoffzellenbusse ausgeschrieben. Diese werden jedoch nur als „strategische Option“ angesehen. „Brennstoffzellenfahrzeuge haben einen Reichweitenvorteil, aber für einen Großteil unserer Routen genügen die 250 Kilometer, die ein Batterie-Bus heute schon ohne Nachladen fahren kann“, sagt Münster. Auch wenn es einige wenige Hochbahn-Busse gebe, die 300 bis 350 Kilometer pro Tag zurücklegen, bewegen sich die Tagesfahrleistungen in der Regel zwischen 150 und 250 Kilometer.

Zudem hat die Akku-Technik zuletzt schnelle Fortschritte gemacht. „Die Busse der Baujahre 2019/2020 hatten eine nutzbare Batteriekapazität von knapp 200 Kilowattstunden, bei der jüngsten Generation sind es schon 400 Kilowattstunden“, sagt Andreas Laske, Vertriebsleiter für die Ladeinfrastruktur von Bussen und Elektro-Lkw bei Siemens. Der Münchner Konzern hat 96 der 140 Stromtankstellen des Alsterdorfer Betriebshofs geliefert, die übrigen stammen von dem schwedisch-schweizerischen Unternehmen ABB.

Busse mit vergleichbarer Ladezeit wie Elektro-Pkw

Im Hinblick auf die Ladezeit unterscheiden sich die Busse nicht grundlegend von Elektro-Pkw, die in der Regel eine Batteriekapazität von 40 bis knapp 100 Kilowattstunden haben. „Ein Zeitfenster von vier Stunden reicht aus, meist haben wir aber mehr Zeit zwischen dem Eintreffen eines Busses und dem Moment, an dem er wieder auf die Strecke muss“, sagt Münster. Damit bleibe genug Spielraum, um auch die Netzbelastung sinnvoll steuern zu können.

Für Siemens ist die Stromversorgung von Elektrobussen ein stark wachsendes Geschäft. „Noch vor wenigen Jahren wurden in Deutschland 50 bis 100 Ladepunkte jährlich geliefert, inzwischen sind es eher 500 bis 700“, sagt Laske, „und künftig dürfte es in Richtung 1000 Ladepunkte gehen.“ Im Norden bauen neben Hamburg vor allem Bremen, Kiel und Lübeck solche Infrastruktur stark aus. Der Betriebshof Alsterdorf ist aber europaweit immer noch das größte Projekte dieser Art.

Siemens steht vor weiteren Aufträgen in Hamburg

Zwar sind auf dem Markt drei bis fünf Anbieter aktiv, die ungefähr in der gleichen Liga spielen wie Siemens. Der Elektrokonzern dürfte allerdings gute Chancen haben, in Hamburg weitere Aufträge zu ergattern. „Noch in diesem Jahr werden 160 neue Ladepunkte beauftragt, die Anfang 2023 in Betrieb gehen sollen“, so Münster.

Abgesehen von den geplanten Erweiterungen in Alsterdorf und Hummelsbüttel starten noch 2022 die Arbeiten für die Umrüstung des Betriebshofs Langenfelde an der Kieler Straße auf emissionsfreie Antriebe. Ebenfalls noch in diesem Jahr soll der Bau des komplett neuen Betriebshofs in Meiendorf im äußersten Hamburger Osten beginnen. Dort sind Stellplätze und Ladestationen für insgesamt 128 Elektrobusse geplant – es wäre der bundesweit erste Betriebshof nur für solche Fahrzeuge. Auf der Veddel will die Hochbahn Deutschlands erstes mehrstöckiges Busdepot errichten, 160 Stellplätze sollen es werden. „Wir werden aber noch weitere Standorte suchen“, sagt Münster.

Hamburg setzt weniger auf schnelle Zwischenladung

Hamburg geht damit einen anderen Weg als andere Städte in Deutschland, die stärker auf die schnelle Zwischenladung der Busse während des Tages setzen. Solche Ladestationen gibt es in Hamburg zwar auch, unter anderem in unmittelbarer Nähe des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) in der Innenstadt und an der Haltestelle U-Bahn Alsterdorf. Dort errichtete Siemens bereits Ende 2014 eine Konstruktion, die Hybridbusse über einen absenkbaren Stromabnehmer innerhalb von nur sechs Minuten nachladen kann. Aber diese sogenannten Pantografen sieht man bei der Hochbahn inzwischen eher als Notlösung, die möglichst nicht ausgeweitet werden soll: „Es ist nie einfach, im öffentlichen Straßenraum zu bauen“, sagt Münster dazu.

Derweil stößt der Alsterdorfer Betriebshof inzwischen auch auf internationales Interesse: „Wir werden häufig nach unseren Erfahrungen gefragt und hatten unter anderem schon Gäste aus Montreal und aus Katar zu Besuch.“

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