Berlin/Davos. Die deutsche Wirtschaft hat bereits vor einer Abwanderung von Firmen gewarnt - wenn durch mehr Klimaschutz die Produktion in Deutschland und Europa teurer wird. Auch deswegen soll es nun einen internationalen “Klima-Club“ geben.

Mit einem internationalen "Klima-Club" mit den G7-Ländern als Kern will Bundeskanzler Olaf Scholz mehr Tempo beim Klimaschutz erreichen.

Zugleich sollen dadurch Wettbewerbsnachteile für deutsche Firmen verhindert werden, die zu Lasten von Jobs gehen könnten. Scholz sagte am Mittwoch beim virtuellen Davos-Dialog des Weltwirtschaftsforums, aus dem "Kostenfaktor" Klimaengagement solle ein Wettbewerbsvorteil gemacht werden, indem man sich international auf gemeinsame Mindeststandards einige.

Klimaschutz als Wettbewerbsvorteil

Europa werde die Klimakrise nicht im Alleingang abwenden, sagte der SPD-Politiker. "Wir werden unseren G7-Vorsitz daher nutzen, um die G7 zum Kern eines Internationalen Klima-Clubs zu machen. Wir wollen nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der internationalen Klimapolitik: Indem wir nicht länger auf die Langsamsten und Unambitioniertesten warten, sondern mit gutem Beispiel vorangehen."

Deutschland hat zum Jahresbeginn die G7-Präsidentschaft führender westlicher Wirtschaftsmächte übernommen. Den G7 gehören neben Deutschland die USA, Frankreich, Italien, Japan, Kanada und Großbritannien an. Scholz hatte einen internationalen "Klima-Club" vorgeschlagen. Klimaschutzwillige Länder sollten gemeinsam vorangehen und dabei auch Standortnachteile vermeiden können.

Es soll kein "VIP-Club" werden

"Ehrgeizig, mutig und kooperativ - diese Kriterien werden den Klima-Club ausmachen", sagte Scholz. Die Mitglieder sollten sich dazu verpflichten, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten und bis spätestens 2050 klimaneutral zu werden. Deutschland will dieses Ziel 2045 erreichen. Der "Klima-Club" solle kein "VIP-Club" bleiben, sagte Scholz - sondern Ländern Asiens und Afrika offen stehen - der weltweit größte CO2-Emittent ist China, gefolgt von den USA und der EU.

Die von Scholz genannten gemeinsamen Mindeststandards könnten ein CO2-Mindestpreis sein sowie insgesamt eine enge Abstimmung über ein gleichzeitiges Tempo bei Klimaschutz-Maßnahmen - damit Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen haben. Scholz sagte, es solle "Carbon Leakage" verhindert werden - das bedeutet, dass verhindert werden soll, dass Emissionen und damit etwa Industrieproduktion ins billigere Ausland verlagert werden.

Wirtschaft befürchtet Wettbewerbsverzerrung

Die deutsche Wirtschaft hatte vor Wettbewerbsverzerrungen mit gravierenden Auswirkungen auf Jobs in Deutschland gewarnt. "Wenn die Belastungen immer höher werden, wird es eine Abwanderung von Firmen ins Ausland geben", sagte Industriepräsident Siegfried Russwurm vor kurzem der Deutschen Presse-Agentur. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Peter Adrian, sagte: "Wenn wir jetzt in Europa und auch speziell in Deutschland den Weg beschreiten, dass alles teurer wird, dann kann das schnell zur Folge haben, dass betroffene Industrien und Wirtschaftszweige hierzulande wegfallen - weil sie ins Ausland abwandern müssen."

Russwurm sagte, die G7-Staaten sollten sich als eine "Koalition der Willigen" auf Mindestanforderungen im Klimaschutz einigen. Deutschland müsse während der G7-Präsidentschaft auf die schrittweise Einführung einer CO2-Bepreisung in allen G7-Staaten dringen. Beide Wirtschaftsvertreter sehen eine mögliche europäische CO2-Grenzausgleichsteuer skeptisch.

Der "Klima-Club" dürfte ein Schwerpunkt sein auch des G7-Gipfels Ende Juni auf Schloss Elmau in den bayerischen Alpen. Beim G7-Gipfel in Cornwall im vergangenen Juni hatten die G7-Staaten die Ziele im Pariser Klimaschutzabkommen bekräftigt, den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2030 um etwa die Hälfte gegenüber 2010 zu verringern. Alle G7-Staaten bekannten sich auch erstmals dazu, die Klimaneutralität bis spätestens 2050 zu erreichen. Das bedeutet, dass kein Kohlendioxid ausgestoßen wird oder CO2-Emissionen vollständig kompensiert werden. Die Industrienationen konnten sich aber nicht auf ein konkretes Zieldatum für den Kohleausstieg einigen.

Greenpeace fordert Hilfe durch finanzstarke Länder

"Es ist gut, dass Kanzler Scholz die Anstrengungen Deutschlands beim internationalen Klimaschutz verstärken will und ernstzunehmende Maßnahmen für den Klimaschutz beim globalen Handel und Warenverkehr anstößt", sagte Martin Kaiser, Geschäftsführender Vorstand von Greenpeace, der Deutschen Presse-Agentur. "Für den Klima-Club sollte der Kanzler klar machen, dass der schnelle Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas für die Mitgliedsländer unabdingbar ist - und dass es hier nicht um einen exklusiven Verein gehen kann."

Die finanzstarken Länder müssten andere Länder beim Ende der fossilen Energien und der Bewältigung der Klimakrise tatkräftig unterstützen, sagte Kaiser. "Nur so kann die deutsche G7-Präsidentschaft zum Erreichen des 1,5 Grad Ziels einen großen Beitrag leisten." Das Ziel bedeutet, die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Die Linke-Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutin und Maximilian Becker kritisierten, die Idee von Scholz zu einem Klima-Club sei angesichts ausbleibender Schritte der Bundesregierung gegen die EU-Taxonomie unglaubwürdig. Gas und Atom dürften künftig nicht als grüne Investments gelten: "Zudem braucht es verbindliche internationale Zusagen zur Reduzierung der Treibhausgase und finanzielle Mittel für die Länder des globalen Südens und keine neuen Debattierclubs für Staatsoberhäupter."

© dpa-infocom, dpa:220119-99-772140/3