Berlin. Stefan Piëch ist der Neffe des langjährigen VW-Chefs Ferdinand Piëch. Er selbst vermarktet aber Kindersendungen. Wie kommt er dazu?

Mit Autos haben die beiden Comic-Füchse Fix und Foxi Erfahrung. In einer Folge der Kult-Comics eröffnen sie mit dem Wolf Lupo eine Autowerkstatt. In einer anderen klaut Lupo den beiden Füchsen ein Auto, das nicht nur fahren, sondern auch fliegen, tauchen sowie den unliebsamen Dieb vermöbeln kann.

Wenn Stefan Piëch über die von Rolf Kauka geschaffenen Titelfiguren spricht, gerät er ins Schwärmen. „In solche Geschichten fließt die ganze Kulturgeschichte Europas mit ein. Fix und Foxi sind die Enkel von Goethes ‚Reineke Fuchs‘ gemischt mit ‚Max und Moritz‘ von Wilhelm Busch. Solche Geschichten überdauern und prägen Generationen“, sagte Piëch im Gespräch mit unserer Redaktion.

Stefan Piëch ist der Urenkel von Ferdinand Porsche

Nicht nur Fabeln prägen Generationen. Auch Namen. Der Name Piëch ist untrennbar mit dem Automobil, mit Volkswagen und Porsche verbunden. Einst revolutionierte Ferdinand Porsche, der Vater des VW Käfers, das Auto. Sein Enkel Ferdinand Piëch galt als langjähriger Chef und Aufsichtsratsvorsitzender von Volkswagen als mächtigster Automanager der Welt.

Noch heute halten die Familien Porsche und Piëch mit der Beteiligungsgesellschaft Porsche SE 53,3 Prozent der Stimmrechte am nach Toyota zweitgrößtem Autohersteller der Welt, bei dem es zuletzt brodelte.

Vierte Generation der Piëch-Dynastie

Stefan Piëch gehört zur vierten Generation der Autobauer-Dynastie. Er ist der Urenkel Ferdinand Porsches und der Neffe von Ferdinand Piëch. Ihm könnte eine wichtige Rolle im Machtapparat des Volkswagen-Konzerns zukommen. Sein Vater Hans Michel Piëch ist größter Einzelaktionär der Porsche SE.

Und auch Stefan Piëch sind Autos nicht fremd. Mit sieben Jahren stand er das erste Mal in einer Autofabrik, später folgten Praktika, unter anderem bei Hyundai, Chrysler und Mitsubishi. Seit 2015 sitzt er im Aufsichtsrat der Volkswagen-Tochter Seat sowie im Kuratorium der Volkswagen Belegschaftsstiftung. 2018 kam ein Aufsichtsratsmandat der Porsche Automobil Holding SE hinzu, im vergangenen Jahr ein Platz im Kontrollgremium von Siemens Österreich. Gewichtige Ämter bei gewichtigen Konzernen.

Stefan Piëch vermarktet Kindersendungen

Piëch selbst aber spricht nicht gerne über VW. Wenn nicht Fix und Foxi gerade mit dem Auto durch die Gegend düsen, hat sein Hauptjob wenig mit Mobilität zu tun.

Denn Piëch ist Medienunternehmer, führt seit 2006 als Chef die Münchener Your Family Entertainment (YFE), die einstige TV-Ausgliederung des Spieleherstellers Ravensburger. Der gebürtige Wiener vermarktet in dieser Funktion Filmlizenzen gewaltloser Kindersendungen. Klassiker wie „Fix und Foxi“, aber auch „Urmel aus dem Eis“ oder die Figuren der britischen Schriftstellerin Enid Blyton gehören zum Repertoire.

Lizenzen von 4000 Episoden und Filmen

Piëch sitzt auf einem kleinen Schatz solcher Geschichten. Die YFE besitzt und vermarktet die Lizenzen von mehr als 4000 Episoden und Filmen, darunter 3500 Halbstundenprogrammen – der Bestand hatte ursprünglich Produktionskosten in Höhe von 1,2 Milliarden Euro.

Zu den Abnehmern der kindgerechten Serien gehören TV-Sender wie Kika, Nickelodeon, die Plattform Joyn und in Österreich der ORF. Außerdem laufen die YFE-Filme und Produktionen auf den eigenen Spartensendern Fix Foxi TV und Ric TV.

Die Geschäfte laufen schleppend

Die Gewalt aus den Kinderzimmern zu verbannen, mag ein hehres Ziel sein – aber bisher kein sonderlich ertragreiches. Jahrelang schrieb YFE rote Zahlen. Während im Corona-Jahr 2020 die Streaming-Riesen wie Netflix oder Amazon Milliarden-Gewinne scheffelten, stand bei YFE gerade einmal ein mickriges Plus von rund 47.000 Euro – dafür brauchte es unter anderem eine Kapitalerhöhung, außerdem wurde eine Geschäftsstelle in Wien geschlossen, um Kosten zu sparen.

Eine erfolgreiche Karriere als Medienunternehmer, zugleich Aufsichtsratsmandate – das wäre ein Aushängeschild für Stefan Piëch mit Blick auf eine mögliche Zukunft in der Autowelt. Stattdessen zählte seine Firma im Geschäftsjahr 2020 neben den beiden Vorständen gerade einmal zwölf Mitarbeitern – eine Auszubildende und einen Praktikanten schon mitgezählt.

Übernahme durch Hollywood-Unternehmen soll Schwung bringen

Jetzt aber könnte in die Medienkarriere neuer Schwung kommen. Der US-Unterhaltungskonzern Genius Brands hat sich 28,6 Prozent an der YFE gesichert. Damit weht nicht nur ein Hauch von Hollywood mit Filmen wie „Superhero Kindergarten“ mit der Stimme von Arnold Schwarzenegger künftig durch die Münchner Räume, der Zugang zu Streaming-Riesen wie Netflix oder Disney könnte künftig einfacher werden.

Piëch wittert seine Chance: „Wir werden etwas Großes aufbauen. Es gibt keinen vergleichbaren Anbieter für kindgerechte Unterhaltung“, sagt er im Wiener Zungenschlag. Geschichten der Augsburger Puppenkiste, Jack Londons „Südsee-Abenteuer oder die Zeichentrickserie „Albert sagt …“ würden ihre Zeitlosigkeit nicht verlieren. „Wir sitzen auf einem Riesenpotenzial, weil diese Animationen auch noch in 20, 30 Jahren ihre Gültigkeit haben werden und ähnlich wie ein gutes Kinderbuch von Generation zu Generation weitergegeben werden“, ist Piëch überzeugt.

Kritik an Netflix-Kassenschlager „Squid Game“

Die Teilübernahme wertet er als Erfolg, dass sein Plan aufgeht. „Genius Brands sieht unser Potenzial, glaubt an signifikante Synergie-Effekte auf dem globalen Entertainment-Markt“, sagt Stefan Piëch. Wobei zur Wahrheit auch gehört: Die sechs Millionen Euro, für die Genius Brands Aktien von YFE erworben hat, sind in der TV-Branche Peanuts. Aufmerksam geworden sei Genius Brands auf die Piëch-Firma durch Andy Heyward, Chef von Genius Brands und unter anderem Erfinder und Produzent der Filmkomödie „Inspektor Gadget“.

Der Porsche-Urenkel setzt nun darauf, etwas bewegen zu können. „Wir erleben eine besorgniserregende Entwicklung. In den 70ern wurde ,Star Wars‘ altersmäßig als Kriegsfilm eingestuft“, sagt er. „Heute ist es ein Vorschulthema.“ Als „absurd“ bewertet er den Erfolg der brutalen Netflix-Serie „Squid Games“ bei Kindern und Jugendlichen. Lesen Sie auch: „Squid Game“ : Deshalb feiert Nordkorea die südkoreanische Serie

Nötig sei das nicht. „Im Netz sind alle Barrieren gefallen. Je reißerischer, desto besser. Dabei springen Kinder doch auch auf Klassiker an.“ Zugleich seien die von YFE vertriebenen Filme ein niedrigschwelliger Zugang zur Kulturgeschichte: „Urmel aus dem Eis“ etwa stammt von Max Kruse, dem Sohn von Käthe Kruse, der berühmten Puppenmacherin. Unterhaltsam und lehrreich, findet Piëch.

Parallelen zur Autoindustrie

Seine Expertise als promovierter Kommunikations- und Filmwissenschaftler hat auch Parallelen zur Autoindustrie. „Viele vergessen, dass das ganze Plattformgeschäft im Endeffekt zur Medienbranche gehört“, sagt Piëch. Es gehe um Reichweite, darum, neue Kunden zu gewinnen. Durch seine Familiengeschichte sei das Thema Auto ein „Bestandteil meines Lebens und Schaffens“, sein Hauptberuf und seine Leidenschaft aber die Medien-Branche.

Familie sei für ihn ein sehr wichtiges Thema, sagt Piëch. Wie wichtig er in der mächtigsten Autofamilie noch wird, wird sich zeigen. Dass nach der Teilübernahme aus Amerika Fix und Foxi bald mit einem Tesla durch die Gegend surren, ist jedenfalls nicht zu erwarten. Genius-Brands-Chef Andy Heyward fährt einen Porsche 911.