Hamburg. Traditionell wird bei Airbus zwischen Frankreich und Deutschland ein Gleichgewicht gewahrt. Diese Balance ist aus Sicht der IG Metall zulasten deutscher Standorte in Gefahr.

Die IG Metall sieht die kommende Bundesregierung beim geplanten Airbus-Konzernumbau in der Pflicht.

"Ich erwarte, dass sich die neue Bundesregierung jetzt aktiv einschaltet und die Strategie des Aussitzens der alten Bundesregierung sofort beendet", sagte IG-Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner der dpa. "Es geht um Interessen Deutschlands, es geht um Arbeitsplätze in Deutschland, die in erheblichem Umfang durch steuerfinanzierte Beteiligung an zivilen und militärischen Luftfahrtprogrammen getragen werden."

Berlin weist Kritik zurück

Der Koordinator der noch amtierenden Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, Thomas Jarzombek, wies Kerners Kritik zurück. "Die Bundesregierung hat sich aus Respekt vor den Tarifpartnern öffentlich zum Verkauf von Teilen der PAG nicht geäußert", sagte er der dpa. Die Airbus-Tochter Premium Aerotec (PAG) steht im Zentrum des seit Monaten zunehmend erbittert ausgefochtenen Konflikts zwischen der Gewerkschaft und dem Flugzeugbauer.

Airbus will unter anderem die PAG-Teilefertigung in Augsburg, im friesischen Varel und in Rumänien an einen Investor verkaufen. Die IG Metall favorisiert einen Verbleib im Airbus-Konzern, so wie Airbus das in Frankreich mit der dortigen Tochter Stelia plane. "Airbus mutiert immer mehr zu einem französischen, börsennotierten Unternehmen mit einer deutschen Filiale", sagte Kerner. Deutschland ist wie Frankreich mit lediglich knapp elf Prozent an dem Flugzeugbauer beteiligt, der mit großer Mehrheit in Privatbesitz ist.

Suche nach Investor

Zu der Suche nach einem Investor heißt es bei Airbus bislang nur: "Es gibt Aspiranten." Aus Jarzombeks Sicht könnte eine solche Investorenlösung die bessere Wahl sein. "Persönlich beurteile ich die Situation so: Es geht um die Frage, ob man einem mittelständischen Familienbetrieb zutraut, das Geschäft besser zu entwickeln als bislang", sagte er. "Dabei kommt es natürlich auf die richtigen Bedingungen bei einem möglichen Verkauf an. Insgesamt halte ich aber eine Mittelstandsperspektive für nachhaltiger als einen politisch erzwungenen Verbleib in einem Konzern." Die Beschäftigten und die Standorte dürften "nicht Opfer von populistischen Aktionen rund um einen Regierungswechsel werden".

Airbus hatte die Umbaupläne im April verkündet. Dazu zählt auch die Absicht, die Montage von Flugzeugrümpfen und -strukturen in einem neuen Tochterunternehmen zusammenzufassen. Betroffen wären die Airbus-Werke Stade, Teile des Standorts Hamburg sowie PAG mit drei der vier Augsburger Werke und den Standorten Bremen und Nordenham. Insgesamt dürften von den Plänen etwa 13.000 Beschäftigte betroffen sein. Bisherige Zusagen von Airbus reichen der Gewerkschaft nicht. Mit den Betriebsräten fordert sie Garantien für Beschäftigung und Standorte, die bis weit ins kommende Jahrzehnt reichen und auch die nächste Flugzeuggeneration nach dem Kassenschlager A320 abdecken.

Warnstreiks starten

Unterdessen sind Beschäftigte an den ersten Airbus-Standorten in den Warnstreik getreten. "Der komplette Betrieb steht still", hieß es bei der IG Metall zum Werk in Varel. Das gleiche Bild zeichnete Michael Leppek von der IG Metall in Augsburg: "Die sind alle zu Hause." Mit Warnstreiks teils über mehrere Schichten und Tage will die IG Metall bis zum Wochenende die Fertigung an allen deutschen Standorten des Flugzeugbauers lahmlegen.

Von Freitag bis Sonntag sollen sich die Belegschaften von Airbus Operations in Hamburg und Stade anschließen. Bei Airbus und Premium Aerotec in Bremen ist am Freitag ein eintägiger Warnstreik geplant. "Die Kollegen und Kolleginnen wollen endlich Schwarz auf Weiß haben, dass ihre Zukunft gesichert ist", sagte der norddeutsche Bezirksleiter der IG Metall, Daniel Friedrich, auf einer Kundgebung vor einer Sitzung des Aufsichtsrates der deutschen Tochter Airbus Operations GmbH.

© dpa-infocom, dpa:211202-99-223178/4