Berlin. Lieferengpässe, Preissteigerungen – die Verpackungsindustrie kommt immer schwerer an Kunststoffe. Das könnten Verbraucher bald merken.

In den Ladenregalen in Deutschland könnten bald immer mehr Lücken klaffen. Genügend Waren sind zwar da, die verkauft werden können. Nur die Verpackungen könnten bald fehlen, um sie in den Geschäften auch anzubieten. Das geht aus einem Bericht des Internetportals t-online.de hervor, dem zufolge es zurzeit einen Mangel an Rohstoffen gibt, die für Verpackungen gebraucht werden.

Es geht vor allem um Kunststoffverpackungen. Der Bericht auf t-online zitiert die Sprecherin er Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK), Mara Hancker. Es gebe Engpässe bei Kunststoffverpackungen für Tiefkühlware, Lebensmittel wie Fleisch, Käse und Molkereiprodukte und Süßwaren, sagt sie. Lesen Sie auch: Hohe Steuern, schlechtes Internet: Industrie schlägt Alarm

Noch würden die Firmen die schlechte Versorgungslage mit Kunststoffen gerade so gestemmt bekommen. Es sei „aber nicht unwahrscheinlich, dass bald die ein oder andere Marke im Regal fehlen könnte“, so Hancker.

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    GKV: Lieferketten massiv gestört

    Mitte März hatte schon der Gesamtverband der Kunststoffverarbeitenden Industrie (GKV e.V.) „Alarm geschlagen“. In einer Mitteilung auf der Internetseite des Verbandes heißt es: „Ausbleibende Kunststofflieferungen haben bereits zu Einschränkungen der Produktions- und Lieferfähigkeit geführt. Nun setzen teilweise drastische Preissprünge bei Kunststoffen die überwiegend mittelständischen Kunststoff-Verarbeiter noch mehr unter Druck.“

    Der Verband stellte fest, dass die Lieferketten massiv gestört seien. Anfang Mai sagte Michael Weigelt, Mitglied der GKV-Geschäftsführung, der Deutschen Presse-Agentur, dass besonders stark die Hersteller von Gummi- und Kunststoffwaren leiden würden. 71,2 Prozent der Hersteller würden von Problemen berichten. Die Situation sei außergewöhnlich.

    Es betreffe die komplette Breite der Rohstoffe, sagte Weigelt. Durch die Bank gebe es dadurch deutliche Preissteigerungen, und oft bekämen die Unternehmen weniger Material als sie eigentlich wollten.

    Ungleichgewicht von Nachfrage und Angebot

    Die Gründe sind vielfältig. Laut GKV führte die Covid-19-Pandemie weltweit zu einem Ungleichgewicht von Nachfrage und Angebot von Kunststoffprodukten. In Asien und speziell China habe bereits in der zweiten Jahreshälfte 2020 das industrielle Wachstum eingesetzt. Die Nachfrage nach Rohstoffen sei dort früher gestiegen als in Europa oder den USA. Auch interessant: Ende der Corona-Krise: Jetzt legt China den Turbo ein

    „Viele Rohstoffe aus dem Mittleren Osten und den USA wurden und werden nach Asien umgelenkt und fehlen daher in Europa“, so der GKV in seiner Mitteilung. Zudem seien in Europa und in den USA mehrere Werke ausgefallen und hätten keine Produkte mehr abgenommen.

    Weigelt sagte der Deutschen Presse-Agentur, ein zusätzliches Problem sei, dass man bei großen Anlagen oft stabile Außentemperaturen brauche, um sie wieder hochzufahren. Bei den durch den Wintereinbruch in Texas ausgefallenen Anlagen müsse deswegen teilweise auf den Sommer gewartet werden, um sie wieder zu starten.

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      Engpässe und mögliche Preiserhöhungen

      Ob sich der Mangel an Rohstoffen auf die Endverbraucher auswirkt, kommt auf die Produkte an. Beispielsweise bei Spielzeug oder reinen Kunststoffprodukten erwartet Weigelt Preisanstiege. Sei nur die Verpackung aus Kunststoff, werde es dagegen wohl keine größeren Auswirkungen geben.

      Allerdings warnte auch der Bundesverband der Süßwarenindustrie vor einem Mangel an Verpackungsmaterial. Man hoffe aber, dass dies nicht auch zu Lieferengpässen bei Süßwaren führen werde. Auch der Konsumgüterhersteller Henkel bestätigte unlängst der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ Engpässe bei Verpackungsmaterial und schloss Preiserhöhungen nicht aus. Mehr zum Thema: Wie Julia Klöckner die Lebensmittelversorgung sichern will

      Hersteller stocken derzeit ihre Lager auf

      Das Nachrichtenportal t-online zitiert Karsten Hunger, Geschäftsführer des Industrieverbands Papier- und Folienverpackungen (IPV). Wenn man die Preise akzeptiere, bekomme man noch Rohstoffe, sagte er. Die Hersteller würden derzeit ihre Lager aufstocken.

      Die Preissteigerungen würden laut Hunger auch die Verbraucher merken – jedoch eher in kleinen Läden und Ladenketten, nicht so sehr im Supermarkt. Die großen Discounter würden ihre Marktmacht nutzen und versuchen, die Preise stabil zu halten.

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        Wichtigste Abnehmer der Kunststoffindustrie

        Die Verpackungsindustrie ist mit fast 40 Prozent der wichtigste Abnehmer der Kunststoffindustrie. Aber auch andere Branchen sind betroffen: zum Beispiel die Automobilindustrie, die Reifenhersteller, die Hersteller von elektrischer Ausrüstung und Computern.

        Aus dem Archiv: Darum könnten in Deutschland die Rohstoffe knapp werden

        Einer aktuellen Umfrage des Münchner Ifo-Instituts zufolge fehlt es derzeit sogar 45 Prozent der deutschen Industriebetriebe insgesamt an Teilen oder Materialien. „Dieser neue Flaschenhals könnt die Erholung der Industrie gefährden“, warnte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe Anfang des Monats.

        Blockade des Suezkanals macht sich bemerkbar

        Die Gründe liegen ähnlich wie beim Kunststoff. Zum Mangel an Teilen und Material trage aber auch die internationale Logistik bei. Dort sei derzeit „Sand im Getriebe“. Unter anderem mangle es an Containern. Auch die Blockade des Suezkanals im März mache sich bemerkbar.

        Laut GKV ist ein Ende der angespannten Rohstoffsituation für Kunststoffe vorerst nicht in Sicht. „Experten rechnen mit einer Erholung erst im Herbst 2021“, schätzt der Verband die Lage ein. (mark/dpa)