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Handelskammer will angeschlagene Wirtschaftsuni HSBA retten

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Martin Kopp
Die Handelskammer Hamburg will die Wirtschaftsuniversität Hamburg School of Business Administration (HSBA) wieder zurückholen.

Die Handelskammer Hamburg will die Wirtschaftsuniversität Hamburg School of Business Administration (HSBA) wieder zurückholen.

Foto: Andreas Laible / Andreas Laible / FUNKE Foto Services

Einst hatten die Rebellen die Hochschule abgestoßen. Nun soll sie wieder zurückgeholt werden. Doch es droht juristischer Ärger.

Hamburg. Vor dreieinhalb Jahren hat die Handelskammer die von ihr gegründete Wirtschaftshochschule HSBA abgestoßen. Sie galt als teures Zuschussgeschäft und belastete den Haushalt der Kammer. Jetzt wird die Uhr zurückgedreht. Die Handelskammer holt die Hamburg School of Business Administration, so der volle Name, nach Abendblatt-Informationen zurück. Das sieht eine Beschlussvorlage vor, über die das Plenum am nächsten Donnerstag abstimmen soll.

Die Handelskammer will demnach eine Gesellschaft für „Lebenslanges Lernen“ gründen, in der die Wirtschaftsvertretung ihr eigens Tochterunternehmen für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, die HKBiS (Handelskammer Bildungsservice GmbH), mit der Hochschule fusioniert.

Die bisherigen Gesellschafter der Privatuni, eine Stiftung, die Wirtschaftsvereinigung „Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns“ zu Hamburg (VEEK) sowie die HSBA Alumni Association „...wären grundsätzlich bereit, ihre Gesellschaftsanteile an die Handelskammer zu übertragen“, heißt es in dem Papier.

HSBA soll Hamburger Wirtschaft mehr Fachkräfte bringen

Die Kammer sieht diese Zusammenführung ihres Bildungsangebots als einen Baustein ihres Zukunftsprogramms Hamburg 2040. Als Antwort auf den Fachkräftemangel in Hamburg wird dem Thema „Lebenslanges Lernen“ eine übergeordnete Bedeutung beigemessen, denn allein in den nächsten zehn Jahren fehlen der Hamburger Wirtschaft mehr als 75.000 Fachkräfte.

„Die HSBA steht für eine hervorragende, duale Hochschulausbildung und hat ihr Geschäftsmodell in der Corona-Krise gestärkt. Die Integration der HSBA kann daher ein wichtiger Baustein zur Erreichung unseres strategischen Ziels sein: Die Fachkräftelücke bei unseren Mitgliedsunternehmen zu schließen“, sagt Kammer-Geschäftsführer Malte Heyne dem Abendblatt.

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„Ein wichtiges Element des lebenslangen Lernens ist die Verbindung von akademischem und praktischem Wissen. Dieses soll sich in der geplanten Gesellschaft wiederfinden, um unseren Mitgliedern ein ganzheitliches Bildungsangebot unterbreiten und die Durchlässigkeit zwischen beiden Bereichen fördern zu können.“

HSBA könnte in neuer Gesellschaft quersubventioniert werden

Es geht aber auch noch um etwas anderes, wie aus dem Papier hervorgeht: „Im Zuge einer Zusammenführung von HKBiS und HSBA könnten aus betriebswirtschaftlicher Sicht zudem Synergien gehoben werden.“ Die Absicht, die dahinter steht, ist offensichtlich: Die HKBiS ist wirtschaftlich erfolgreich und erwirtschaftet sogar Überschüsse. Die HSBA kann das nicht von sich behaupten, sie dürfte aber in der neuen Gesellschaft quersubventioniert werden.

Und das ist offenbar bitter nötig. Denn so bekannt die HSBA in der Hamburger Öffentlichkeit auch sein mag, so wenig kann sie auf eigenen Beinen stehen. 2017 hatte die Handelskammer die Hochschule zusammen mit einer Reihe von Hamburger Industriekapitänen sowie dem früheren Bürgermeister Ole von Beust (CDU) im Kaisersaal des Rathauses gegründet. Der Hintergedanke: Eine private Universität zu etablieren, getragen von Hamburger Unternehmen, die hier ihre eigenen Nachwuchskräfte ausbilden lässt.

Handelskammer Hamburg muss 650.000 Euro zuschießen

Die Kammer stiftete dazu einen eigenen, modernen Neubau am Adolphsplatz. Doch in der Folge erwies sich diese Idee als wirtschaftlich nicht sattelfest. Denn der Betrieb der Universität ließ sich nicht allein aus den Ausbildungsgebühren finanzieren. Die Handelskammer musste jährlich rund 650.000 Euro zuschießen. Und auch der Bau, der teurer ausgefallen war als geplant, erwies sich für den Betrieb der Uni als wenig zweckmäßig.

Als 2017 die Kammerrebellen in Präsidium und Plenum der Handelskammer einzogen, kam die HSBA auf den Prüfstand. Denn die Kleinunternehmer, die nun die Führung der Kammer übernahmen, hätten kaum einem ihrer eigenen Azubis die Ausbildung an einem so teuren Privatinstitut ermöglichen können und sahen nicht ein, dass die elitäre Hochschule weiter aus den Mitgliedsgebühren der Unternehmen finanziert werden sollte. Sie trennten sich von der HSBA, überführten diese in eine Stiftung und gaben dazu eine finanzielle Mitgift in Millionenhöhe.

Zahl der Studiengänge an der HSBA wurde fast halbiert

Die neue Geschäftsführung versprach, die HSBA wirtschaftlich auf eigene Füße zu stellen und suchte ihr Heil im Wachstum. Die Grundidee: Mehr Studenten bringen mehr Gebühren. Doch die Rechnung ging nicht auf. Die Hochschule suchte schnell erneut Geldgeber. Aber mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie fielen auch noch Spenden und Zuschüsse aus der Wirtschaft weg. Es fehlten plötzlich 1,5 Millionen Euro zur Deckung. „Wir standen am Abgrund und schauten bereits hinunter“, sagte erst kürzlich ein Professor der HSBA.

Die Führung wurde erneut ausgewechselt und die renommierte Hochschule, die inzwischen in einem Bürogebäude an der Willy-Brandt-Straße sitzt, radikal verschlankt. Die Zahl der Studiengänge wurde fast halbiert, die Zahl der Mitarbeiter von 60 auf 47 reduziert. Von einst 32 Professoren sind noch 24 übrig geblieben.

Ein im Sommer 2020 in Auftrag gegebenes Sanierungsgutachten sieht nunmehr eine positive Fortführungsprognose für die kranke HSBA und erwartet sogar Liquiditätsüberschüsse – aber erst ab dem Geschäftsjahr 2025/26. Bis dahin muss die Hochschule finanziell durchgeschleppt werden.

Frühere Kammerrebellen halten nichts von HSBA-Übernahme

Die ehemaligen Kammerrebellen sind empört: Sie sehen das Risiko wieder bei den Pflichtmitgliedern der Kammer. „Wenn die Handelskammer jetzt die HSBA erneut übernimmt, so ist das ein Eingeständnis dafür, dass die HSBA alleine nicht überlebensfähig ist – und dass es in der Hamburger Unternehmerschaft kein Interesse daran gibt, die Hochschule mit privaten Mitteln zu fördern“, sagt der ehemalige Vizepräses der Kammer und damalige Vorsitzende des Innenausschusses, Torsten Teichert, dem Abendblatt.

„Aber immerhin eines ist heute klar: Die Entscheidung von Plenum und Präsidium im Jahr 2017, die HSBA abzugeben, stellt sich jetzt als goldrichtig heraus“, so Teichert weiter. „Damals wurden unsere Einschätzungen, das sie ein Fass ohne Boden sei, noch bezweifelt. Heute wissen wir, dass das Fass leergelaufen ist. Nun soll es wieder mit Zwangsbeiträgen aufgefüllt werden. Willkommen in der Vergangenheit.“

Der Unternehmer Stefan Duphorn, der mit den anderen Kammerrebellen im vergangenen Jahr aus dem Plenum gewählt worden war, erwägt sogar juristische Schritte, wenn die Kammer die HSBA zurückholen sollte. Und er könnte Erfolg haben. Zweimal hat er bereits in anderen Angelegenheiten gegen die Kammer geklagt - und beide Male gewonnen.

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