Corona-Regeln

Schon wieder geschlossen – Frust in Hamburgs Kosmetiksalons

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Neue Knallhart-Regeln für Schule, Kita, Handel, Ausgang

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Bis 18. April sind körpernahe Dienstleistungen verboten – mit Ausnahmen, die schwer verständlich sind. Das sorgt für Wut und Tränen.

Hamburg. Natalia Klos sieht erschöpft aus. Ihre Pupillen sind klein, die Lider gerötet und die Tränensäcke unter den Augen leicht geschwollen. Eine Träne läuft ihr über die Wange und unter die Maske. Die 35-Jährige weint aus Wut und aus Verzweiflung. Sie weiß, am heutigen Gründonnerstag ist ihr vorerst letzter Arbeitstag im "Beauty Institut", einem Kosmetiksalon in Hamm. Wann sie wieder arbeiten darf, ist ungewiss.

Denn der Senat hat am Mittwoch beschlossen, dass körpernahe Dienstleister von Karfreitag bis mindestens zum 18. April schließen müssen – ausgenommen sind Friseure und medizinische Fußpfleger. Sinkt die Inzidenz nicht, wird die Schließung sogar verlängert. Aber bis wann? Wie soll Klos das neu angeschaffte Massagegerät finanzieren? Was wird aus ihren Mitarbeiterinnen? Das sind Fragen, auf welche die Kosmetikerin keine Antworten hat.

Wie lange müssen Hamburgs Kosmetiksalons schließen?

Bis 19 Uhr ist ihr Laden nun noch an diesem Gründonnerstag geöffnet. Solange können sie und zwei ihrer Mitarbeiterinnen Kunden empfangen. Klos hat sich an diesem Tag schick gemacht: Sie trägt ein Kleid, Stöckelschuhe und ihre langen blonden Haare sind offen. Das Lächeln fällt ihr schwer – auch als eine Kundin einen Strauß Tulpen vorbeibringt, zum Aufheitern. Eine Mitarbeiterin nimmt ihn entgegen. Klos' Augen füllen sich wieder mit Tränen.

Das ewige Öffnen und Schließen zermürbt sie. "Jetzt müssen wir schon wieder zumachen. Zum dritten Mal. Das ist schwer. Ich weiß nicht, was ich machen soll", sagt sie. Und weiter: "Mein Kopf ist kaputt. Vor Corona habe ich weniger Angst als davor, eine Depression zu bekommen. Jeden Tag frage ich mich, darfst du heute arbeiten?" Klos ist irritiert von den Corona-Regeln und den Ausnahmen.

"Ich verstehe, dass wir keine Gesichtsbehandlungen anbieten dürfen, weil die Kunden dafür ihre Maske abnehmen müssten." Bei einer Körpermassage sowie bei der Mani- oder Pediküre könnte die Maske aber aufbleiben. Die Kosmetikerin hat mit Blick auf die neuen Regeln nur wenig Verständnis für die offenen Friseursalons. Denn ihrer Ansicht nach halten sich dort mehr Menschen auf als in ihren Einzelkabinen.

"Als sei die Haut weniger wichtig als die Haare“

Auch Christina Melzer vom Kosmetikinstitut Eimsbüttel ist über die Ausnahmeregeln verärgert. "Was mich stört, ist die Wertigkeit, die uns abgesprochen wird. Es scheint, als sei die Haut weniger wichtig für die Würde als die Haare." Was sie außerdem unfair findet: An Arztpraxen angegliederte Kosmetiker dürften weiterhin Gesichtsbehandlungen anbieten, ohne Maske. "Die haben die gleiche Ausbildung wie wir. Ich empfinde es als sehr ungerecht und schwierig, dass so eine direkte Konkurrenz geöffnet bleiben darf."

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Anders als Klos muss Melzer nicht komplett schließen. In ihrem Laden können Kunden weiterhin medizinische Fußpflege buchen. Dabei werden Füße zum Beispiel präventiv behandelt, um möglichen Schäden vorzubeugen. Für diesen Service wird Melzer ihren Salon an drei Tagen pro Woche öffnen, Termine außerhalb dieser Zeit muss sie verschieben.

Kosmetikerinnen müssen nun viele Termine absagen

Etwa 100 Telefonate wird sie führen. Um Termine abzusagen, zu verlegen und um Fußpflege-Kunden an den tagesaktuellen negativen Corona-Test zu erinnern, der ab sofort Pflicht ist. Die 48-Jährige versucht, gleich neue Termine für die Zeit ab dem 18. April zu vereinbaren – auch wenn sie diese im Fall eines verlängerten Lockdowns erneut verschieben müsste.

"Wir gehen auf Risiko. Das Problem ist sonst, dass ich die Stammkunden nicht untergebracht bekomme. Es ist ein riesiger Aufwand, aber das ist unser Service und endet sonst im kompletten Durcheinander." Doch das herrscht ihr zufolge ohnehin bereits unter älteren Fußpflege-Kunden. Sie würden es kaum schaffen, online im Testcenter einen Termin zu vereinbaren. Trotz allem sichert sich Melzer durch den medizinischen Dienst zehn bis 20 Prozent des Umsatzes, der noch im vergangenen Oktober üblich war. Also kurz vor dem zweiten Lockdown.

Der Umsatz im Salon ist massiv gesunken

2019 hat der Salon 190.000 Euro Umsatz gemacht. 2020 waren es 140.000 Euro inklusive der staatlichen Hilfe in Höhe von etwa 25.000 Euro. Für die Kosmetikerin hatten diese jedoch einen negativen Beigeschmack. In einem Schreiben der Hamburgischen Investitions- und Förderbank zu den Hamburger Corona-Soforthilfen vom 11. Februar wurde sie gebeten, einige Nachweise zu erbringen, zum Beispiel zur Gewerbeanmeldung, dem Einkommensteuerbescheid und den Umsätzen.

An der Aufforderung an sich hat sich Melzer nicht weiter gestört. Die Formulierung missfiel ihr: „Wir geben ihnen Gelegenheit, uns bis zum 25.02.2021 Ihre Stellungnahme zum dargestellten Sachverhalt zukommen zu lassen. Bitte … geben Sie für die Zuordnung im Betreff ihre o.a. Antragsnummer und das Wort 'Anhörung' an. Wir werden Ihre Angaben bei unserer Entscheidung berücksichtigen. Wir weisen darauf hin, dass es sich bei den von Ihnen zu machenden Angaben um subventionserhebliche Tatsachen im Sinne des § 264 Strafgesetzbuch (StGB) handelt.“

Corona-Hilfen: Man komme sich vor wie eine Bittstellerin

Als sie diese Worte erstmals gelesen habe, sei sie sich vorgekommen wie eine Bittstellerin, so Melzer. "Dabei bringe ich ein Opfer für die Gesellschaft, was in Ordnung ist. Ich möchte aber nicht, dass mir betrügerische Absichten unterstellt werden."

Sie habe trotz der Staatshilfe herbe Verlust gemacht, etwa 30.000 Euro. Ihr Erspartes habe sie bereits ins Geschäft gesteckt. Nun müsse sie womöglich auch das Geld investieren, das sie für die Rente zurückgelegt habe. Ihre Existenz sieht Melzer allerdings nicht gefährdet. Die Kunden würden schon wiederkommen, sagt sie. Deutlich angespannter ist die Lage bei ihrer Kollegin Klos vom "Beauty Institut" in Hamm. Sie denkt darüber nach, einen Kredit aufzunehmen. Sonst könnte nach dem Lockdown die Pleite warten.

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