Berlin. Auto statt U-Bahn? Vor allem in den großen Städten greifen immer mehr Menschen auf Carsharing-Angebote zurück. Die Angst vor Infektionen haben sie dabei laut Verband inzwischen überwunden.

Die Flotten wachsen, die Nutzerzahlen ebenso: Die Carsharing-Anbieter in Deutschland kommen bislang gut durch die Corona-Krise, auch wenn die Kunden vor allem in den ersten Wochen mit Blick auf die Hygiene skeptisch waren.

"Vor allem im März und im April 2020 hatten wir einen deutlichen Rückgang der Buchungen und der Auslastung der Fahrzeuge", sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands Carsharing (BCS), Gunnar Nehrke. "Bei den Anbietern hat das an einigen Stellen zu Rückgängen von bis zu 80 Prozent geführt." Genaue Buchungs- oder Umsatzzahlen nannte der Verband indes nicht.

Die Zurückhaltung der Kunden im ersten Lockdown "hing auch damit zusammen, dass man zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, wie hoch das Risiko für Schmierinfektionen ist", sagte Nehrke. Inzwischen sei klar, dass sich das Virus vor allem über Aerosole verbreite statt über Flächen. Die Nachfrage legte im Sommer wieder deutlich zu. "Die Nutzer haben Carsharing-Angebote genutzt, um mal rauszukommen." Vor allem die Zahl kürzerer Fahrten sei deutlich gestiegen.

Laut BCS waren im Jahr 2020 rund 2,9 Millionen Nutzer bei den Anbietern registriert und damit rund ein Viertel mehr als 2019. Allerdings sind darin auch Mehrfachanmeldungen enthalten - Nutzer also, die bei mehreren Diensten gleichzeitig angemeldet sind.

Profitiert haben von dem Wachstum zudem fast ausschließlich solche Anbieter, die sogenannte Freefloat-Modelle betreiben, wie die Autokonzerntöchter Weshare (VW) oder Share Now (Daimler/BMW) oder das Start-up Miles. Die Autos werden dabei in der Regel per App gebucht und aufgeschlossen und können auf jedem beliebigen Parkplatz wieder abgestellt werden. Hier wuchs die Kundenzahl um mehr als 36 Prozent auf 2,1 Millionen Kunden. Die Gesamtflotte solcher Anbieter wuchs um rund 6 Prozent auf 14.200 Fahrzeuge.

Etwas durchwachsener fällt die Bilanz für die stationsbasierten Carsharing-Anbieter wie Stadtmobil oder Cambio aus. Hier werden die Fahrzeuge an einem bestimmten Ort abgeholt und müssen dort auch wieder geparkt werden. Ihre Kundenzahl stieg im selben Zeitraum lediglich um 2 Prozent auf rund 724.000 Nutzer. Sie betreiben eine Flotte von immerhin mehr als 12.000 Fahrzeugen. Allerdings sind im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr nur wenige hinzugekommen.

Carsharing-Angebote gibt es in Deutschland schon seit dem Ende der 1980er Jahre. Inzwischen mischen laut BCS rund 230 Unternehmen auf dem Markt mit. In 855 Städten und Gemeinden sind sie aktiv. Viele sind mit dem Ziel angetreten, den privaten Autobesitz zu reduzieren und den Straßenverkehr zu entlasten.

In den vergangenen Jahren haben Freefloating-Anbieter den Markt kräftig durcheinander gewirbelt. Sie sind bisher in nur 15 deutschen Städten aktiv und konzentrieren sich besonders auf die Innenstadtbereiche. Innerhalb weniger Monate brachten sie Tausende neue Fahrzeuge auf die Straßen, schließlich müssen an möglichst vielen Orten ausreichend Autos zur Verfügung stehen. Kritiker werfen den Anbietern vor, vor allem Ersatzangebote zum Öffentlichen Nahverkehr zu schaffen. Die Unternehmen selbst sehen sich in der Regel als Ergänzung.

"Tatsächlich glaube ich, dass der Aspekt der ÖPNV-Vermeidung zugunsten von Freefloat-Modellen in der Krise durchaus eine Rolle spielt", sagte Nehrke. Die Leute fühlten sich im Auto sicherer als im Bus. "Das ist aber kein grundsätzlicher Angriff auf den ÖPNV. Es zeigt sich hier vielmehr etwas pandemiespezifisches."

Zwar mögen viele Menschen zugunsten der Carsharing-Anbieter ihr eigenes Auto inzwischen abgeschafft haben. Die Zahl der Privatwagen steigt aber trotzdem. Allein in Berlin waren 2020 laut dem zuständigen Amt für Statistik rund 1,22 Millionen Pkw registriert. Das waren rund 11.000 Autos mehr als im Jahr davor.

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