Hamburg. Im Alter ist das eigene Haus eher eine Last. Treppensteigen wird beschwerlicher, die Gartenarbeit anstrengender. Oder die Kinder haben das Erbe nicht verdient. Auf seinen Reisen durch das Land hört Henryk Seeger viele Geschichten. Vom Sohn, der im Gefängnis sitzt oder von der Tochter, die sich nicht mehr um die Eltern kümmert.
Der Geschäftsführer der Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (GNIW), der einst das Spendenportal „Deutschland rundet auf“ gründete, kauft Immobilien und sichert den Bewohnern ein lebenslanges Wohnrecht zu: in Form eines Mietvertrages, der vom Käufer nicht gekündigt werden darf.
Makler haben Potenzial für Verwertung von Immobilien im Alter erkannt
Der Markt für die Verwertung der Immobilie im Alter ist in Bewegung. Immer mehr Anbieter kommen auf den Markt, und auch Makler haben das Potenzial erkannt. Engel & Völkers gründete ein Tochterunternehmen: Engel & Völkers LiquidHome. „Durch den Teilverkauf von bis zu 50 Prozent der Immobilie an uns verschaffen wir den Kunden die gewünschte Liquidität, ohne dass sie aus der Immobilie ausziehen müssen“, sagt Johannes Glasl von LiquidHome.
Ähnlich agieren Wertfaktor aus Hamburg oder die Deutsche Teilkauf aus Düsseldorf. Nicht ganz uneigennützig, weil so kommt man an Immobilien, die einem vielleicht niemals angeboten worden wären. Denn nach dem Umzug ins Pflegeheim, ein anderes Domizil oder nach dem Tod können die Anbieter die Immobilie verwerten.
Vorkaufsrecht von Erben „ist oft nur eine theoretische Option"
Erben haben aber ein Vorkaufsrecht. „Das ist oft nur eine theoretische Option“, sagt Immobilienexperte Alexander Krolzik von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Doch Seeger hört nicht nur Geschichten von undankbaren Erben. Vor allem geht es bei den Senioren ums Geld. Sie benötigen liquide Mittel, weil ihre Rente gering ist. „Viele wollen im Alter flexibel sein und sich noch etwas leisten, etwa Business Class nach Asien fliegen oder eine Weltreise unternehmen – und die Immobilie ist in der Regel ihr größter Wert“, sagt Seeger.
Senioren wollen im Alter Liquidität
Für gut ein Drittel der Immobilienbesitzer über 50 Jahre macht ihr Immobilienbesitz mehr als 75 Prozent ihres Gesamtvermögens aus, ergab eine Umfrage des Maklers Engel & Völkers. Gleichzeitig haben aber selbst 70-Jährige noch nicht alle Schulden auf Haus oder Wohnung getilgt (s. Grafik).
Der Markt ist riesig: „6,5 Millionen Menschen über 65 Jahre leben in der eigenen Immobilie“, sagt Seeger. „Nur wenige Prozent von ihnen haben sich bisher Gedanken gemacht, was mit ihrer Immobilie im Alter geschehen soll und wie sie das in Haus oder Wohnung gebundene Kapital nutzen könnten.“ Mehrere Firmen haben das Problem reicher und gleichzeitig armer Senioren zu ihrem Geschäftsmodell gemacht und versprechen, Betongold in Liquidität zu verwandeln.
Verrentung der Immobilien ermöglicht lebenslanges Wohnrecht und Rente
Das eigene Haus zu Geld zu machen – und trotzdem darin wohnen zu bleiben. „Denn bei einer Immobilie, die man selbst bewohnt, geht es den meisten um sehr emotionale Dinge. Es ist der größte Besitz, den man sich aufgebaut hat, und das verkauft man nicht so schnell wie ein Wertpapierdepot“, sagt Marian Kirchhoff, Geschäftsführer der Deutschen Teilkauf. Aber viele Senioren brauchen Geld.
Genau das ist mit der Verrentung der Immobilie möglich. „Das Interesse der Verbraucher an solchen Modellen ist riesig, wie sich in unserer Beratung zeigt“, sagt Verbraucherschützer Krolzik. Dabei wird Haus oder Eigentumswohnung ganz oder teilweise an einen neuen Eigentümer verkauft. Dieser gewährt ein lebenslanges Wohnrecht in der Immobilie und zahlt eine monatliche Rente oder eine Einmalzahlung.
Höhe der Rente hängt von Verkehrswert der Immobilien und Alter der Besitzer ab
Allerdings klafft bei der Leibrente eine große Lücke zwischen dem Verkehrswert der Immobilie und dem, was die Kunden als Rente oder Einmalzahlung bekommen. Die Höhe der Rente hängt vor allem vom Verkehrswert der Immobilie und vom Alter der früheren Besitzer ab. Je älter die Besitzer, desto höher können die monatlichen Zahlungen ausfallen. Solche Angebote machen Anbieter wie Deutsche Leibrenten AG und HausplusRente.
Wer nur eine Liquiditätsspritze benötigt, kann sich auf einen Teilverkauf seiner Immobilie einlassen. Dafür gibt es Anbieter wie Deutsche Teilkauf, Wertfaktor, LiquidHome und WohnImmobilien-Rente, ebenfalls aus Hamburg. Meist wird ein Mindestwert der Immobilie von 200.000 Euro für einen Teilankauf verlangt. Angenommen das Einfamilienhaus hat einen Wert von 500.000 Euro, und man verkauft 40 Prozent, so erhält der Verkäufer 200.000 Euro ausgezahlt.
Kosten für Gutachter werden meist übernommen
Sind auf dem Haus noch Schulden, müssen sie zunächst mit dem Geld abgelöst werden. „Wir übernehmen die Kosten für den externen und unabhängigen Gutachter sowie auch die Notar- und Grundbuchkosten“, sagt Kirchhoff von der Deutschen Teilkauf. „Das Nießbrauchrecht kommt in den ersten Rang des Grundbuches noch vor der Finanzierungsgrundschuld.“ Damit wird das Wohnrecht, auch im Falle einer Insolvenz des Ankäufers, abgesichert.
Allerdings hat die Liquiditätsspritze ihren Preis. Denn die Verkäufer müssen für den verkauften Teil ihrer Immobilie eine Nutzungsgebühr entrichten. Bei dem obigen Beispiel sind das bei Deutscher Teilkauf, Wertkauf und WohnImmobilien Rente 483 Euro im Monat, bei LiquidHome 500 Euro.
Bewohner müssen Nutzungsgebühr und Reparaturen bezahlen
Außerdem müssen die Bewohner für Reparaturen und Instandhaltungen allein aufkommen. Die Nutzungsgebühr kann auch nur für einen bestimmten Zeitraum abgeschlossen werden, etwa zehn Jahre. Danach muss neu verhandelt oder ausgezogen werden. Bei einem Verkauf der Immobilie kassieren die meisten noch ein Durchführungsentgelt von bis zu 6,5 Prozent bezogen auf den dann erzielten Verkaufspreis. Nur die Deutsche Teilkauf verzichtet auf diese Gebühr.
„Gerade für ältere Verbraucher ist das ein sehr kompliziertes Produkt, bei dem auf viele Kostenfaktoren geachtet werden muss“, sagt Verbraucherschützer Krolzik. „Die meisten Anbieter sichern sich auch gegen fallende Immobilienpreise ab.“ Wird die Immobilie später verkauft, so wollen die Anbieter mindestens ihr investiertes Geld plus einen Zuschlag zurückbekommen.
Möglichkeit des Zurückmietens nach vollständigem Verkauf
„Wir gehen nicht von fallenden Immobilienpreisen aus, denn dann würde unser Modell keinen Sinn machen“, sagt Kirchhoff. Ohne externe Beratung eines Anwalts oder der Verbraucherzentrale sollte niemand einen solchen Notarvertrag abschließen.
Ist dann das Zurückmieten der Immobilie nach dem vollständigen Verkauf die günstigere Lösung? Das Konstrukt ist zumindest nicht so komplex wie ein Teilverkauf. Als Mieter ist man nicht mehr für die Instandhaltung zuständig, profitiert allerdings auch nicht von einer möglichen weiteren Wertsteigerung der Immobilie.
Alter der Bewohner beeinflusst Höhe der Miete
„Die Höhe der Miete richtet sich nach dem Mietspiegel, aber auch nach dem Alter“, sagt Seeger von der GNIW. „Ein 80-Jähriger zahlt in der Regel eine geringere Miete als ein 75-Jähriger. Mieterhöhungen sind für mindestens fünf Jahre ausgeschlossen.“
Während sich die meisten Anbieter nur auf ein Modell wie Leibrente oder Teilverkauf konzentrieren, bietet die Hamburger Neugründung WohnImmobilien-Rente, die auch mit der Hamburger Volksbank kooperiert, mehrere Lösungen aus einer Hand an. „Je nachdem, was für den Kunden in seiner Lage geeignet ist“, sagt Geschäftsführer Georg F. Doll.
Verschiedene Lösungen: Leibrente, Teilverkauf, Umkehrhypothek
Neben Leibrente und Teilverkauf gehört dazu die Umkehrhypothek. „Eine Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch hat dieses Produkt wieder möglich gemacht“, sagt Doll. Dabei handelt es sich um einen Kredit, für den die Immobilie als Sicherheit dient. Im Gegensatz zum normalen Kredit baut sich durch die monatlichen Entnahmen der Kreditsaldo mit der Zeit auf. Während der Laufzeit werden weder Zins noch Tilgung fällig. Der Zins liegt mit fünf Prozent deutlich über dem aktuellen Zinsniveau.
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Das Kapital für den Ankauf der Immobilien holen sich die Aufkäufer in der Regel durch Kredite von Banken. GNIW hat in der Ideal Versicherung einen Geldgeber gefunden. Auch die Immobilienbesitzer können versuchen, direkt einen Kredit von der Bank zu bekommen.
Kreditvermittler als Alternative für Kreditablehnung bei Hausbank
Bei relativ niedriger Beleihung liegen die Zinssätze für eine zehnjährige Laufzeit bei gut einem halben Prozent. Für einen Kredit über 200.000 Euro muss man rund 255 Euro im Monat zahlen, also etwa halb so viel wie bei den Teilankäufern. Wer als Älterer bei seiner Hausbank keinen Erfolg hat, sollte es bei Kreditvermittlern wie Interhyp oder Dr. Klein versuchen.
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