Berlin. Normalerweise kommen Tausende, um gegen Riesenställe und Chemie auf dem Acker zu demonstrieren - wegen Corona fiel das diesmal kleiner aus. Der Streit um den Kurs der Landwirtschaft geht aber weiter.

Vor der - diesmal nur digitalen - Agrarmesse Grüne Woche in Berlin dringen Umwelt- und Verbraucherschützer auf ein radikales Umsteuern der Landwirtschaft.

Die Organisation Foodwatch kritisierte, "inakzeptable Zustände" in der Tierhaltung, beim Umwelt-, Klima- und Arbeitsschutz machten niedrige Preise überhaupt erst möglich, wie Geschäftsführer Martin Rücker der Deutschen Presse-Agentur sagte. In der Hauptstadt zogen Demonstranten unter dem Motto "Wir haben es satt" mit rund 30 Traktoren bis zum Kanzleramt. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) wandte sich gegen pauschale Vorwürfe an die Landwirte.

Foodwatch-Chef Rücker sagte: "Wenn uns der Wettbewerb im Einzelhandel günstige Lebensmittelpreise beschert, dann ist dies aus Verbrauchersicht zwar erfreulich." An der Supermarktkasse würden aber nicht die "wahren Preise" für Milch, Fleisch oder Käse gezahlt. Der Politikansatz, immer noch mehr Steuergeld ins System zu pumpen, sei gescheitert. Wegen der Corona-Pandemie findet die Grüne Woche am Mittwoch und Donnerstag nur mit digitalem Konferenzprogramm statt.

Auch die Demonstration in Berlin, zu der in den Vorjahren Zehntausende Teilnehmer kamen, fiel deswegen kleiner aus. Aufgerufen hatte ein Bündnis aus 60 Organisationen, darunter Landwirte, Bio-Anbauverbände, kirchliche Hilfswerke und Umweltschützer. Die industrielle Landwirtschaft müsse gestoppt werden, sagte Sprecher Christian Rollmann. Gefordert wird etwa, die Zahl der Tiere in Ställen und den Fleischkonsum deutlich zu senken. Rund 10.000 Unterstützer schickten den Angaben zufolge Fuß- und Schuhabdrücke auf Papier ein - weil sie nicht selbst kommen konnten.

Klöckner sagte zu den Protesten: "Alles-oder-Nichts-Forderungen polarisieren." Dass die Wirtschaftsweise permanent nachhaltiger werden müsse, sei selbstverständlich. Daher spielten Forschung und Modernisierung bei den Landwirten selbst, aber auch in der deutschen und europäischen Förderpolitik und Gesetzgebung eine große Rolle. "Wer seit Jahren die gleichen polarisierenden Feindbilder pflegt, will diese Veränderungen nicht wahrhaben", sagte Klöckner. "Das ist schade und wird den vielen Bauernfamilien nicht gerecht, die sich auf große Veränderungen eingelassen haben."

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