Schönefeld. Der Traum vom Fliegen ist doch noch wahr geworden am neuen Hauptstadtflughafen. Die ersten Flugzeuge docken am neuen Terminal an. Besonders viele werden aber in nächster Zeit nicht hinzukommen.

Klar, dass sie am BER auch bei der Eröffnung improvisieren mussten: Die beiden ersten Flugzeuge konnten am Samstag nicht wie geplant gleichzeitig auf den beiden Landebahnen aufsetzen.

Wegen schlechter Sicht entschied der Tower, dass sie nacheinander landen, erst Easyjet, wenige Minuten später die Lufthansa.

Dennoch gilt der neue Hauptstadtflughafen damit offiziell als eröffnet - nach sechs verschobenen Eröffnungsterminen und mit neun Jahren Verspätung aufgrund schwerer Bau- und Planungsmängel. Nach der ersten Ankunft am Samstag sollen an diesem Sonntag die ersten Passagiere im neuen Terminal einchecken und abfliegen.

"Endlich können wir unseren Flughafen in Betrieb nehmen. Endlich", sagte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup am Samstag erleichtert. Dies sei zwar kein historischer Tag. "Aber es ist für uns, für Berlin und Brandenburg, für Ostdeutschland ein ganz wichtiger Tag."

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) forderte nach 14 Jahren Bauzeit mit zahlreichen Pannen: "Die Zeit der Jokes über den BER muss jetzt zu Ende sein." Er sicherte zu, alles dafür zu tun, dass der Flughafen ein internationales Drehkreuz werde.

Nur ein paar Dutzend Gäste waren im neuen Terminal dabei. Eine große Party war nach der jahrelangen Baukatastrophe ohnehin nicht geplant, die Coronaseuche setzte weitere Grenzen. Die Devise: "Wir machen einfach auf."

Doch so einfach ist es dann doch nicht. Der Flughafen eröffnet aus Sicht der Branche in der schwersten Luftfahrt-Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Nur wenige Tausend Passagiere pro Tag werden in den nächsten Wochen in Schönefeld erwartet. Fluggesellschaften ringen um ihre Existenz und die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg macht große Verluste.

Eine Erholung ist nicht in Sicht und nicht wenige Skeptiker fürchten, dass der Flughafen BER noch jahrelang auf Zuschüsse seiner Eigentümer, dem Bund sowie den Bundesländern Berlin und Brandenburg, angewiesen sein wird. Dabei hat allein der Bau schon sechs Milliarden Euro verschlungen - drei Mal so viel wie geplant.

Lütke Daldrup, der am Eröffnungstag auch seinen 64. Geburtstag feierte, äußerte Zuversicht. "Wir wollen Mitte der 20er Jahre schwarze Zahlen schreiben", bekräftigte er am Samstag, schränkte aber ein: "Wir werden sehen, inwieweit Corona das zulässt." Lufthansa-Chef Carsten Spohr riet dennoch vom Einstieg privater Investoren ab, wie er manchmal vorgeschlagen wird. Spohr verwies auf den Flughafen München, der seit Jahren erfolgreich in öffentlicher Hand geführt werde.

Auch die Klimakrise überschattete die Eröffnung: Mehrere Hundert Klimaschützer und Gegner des Flughafenprojekts zogen am Samstag zum BER. Aufgerufen hatten unter anderem Fridays for Future Berlin, Extinction Rebellion und die Jugend des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Angesichts der Erderwärmung sei die Eröffnung eines Riesenflughafens unverantwortlich, sagte Annemarie Botzki, Sprecherin von Extinction Rebellion.

Aktivisten der Gruppe versuchten, den Start einer Maschine am Terminal 5 in Schönefeld zu verhindern. Einer von ihnen klebte sich beim Boarding für einen Flug nach Istanbul an die Tür des Flugzeugs, ein anderer an die Gangway, zwei weitere an den Boden des Rollfelds. Die Flughafenfeuerwehr und die Bundespolizei beendeten nach Polizeiangaben die Aktion.

Mitglieder der Gruppe Am Boden blockierten über Stunden Treppen im Terminal 1. Mehrere Dutzend als Pinguine verkleidete Mitglieder legten oder setzten sich auf den Boden. Andere hielten Transparente hoch, etwa: "Coole Vögel bleiben am Boden". Andere Klimaaktivisten aus dem Umfeld der Gruppe kletterten auf das Dach eines BER-Eingangsgebäudes und seilten sich von dort ab.

Auch Hunderte Berliner Taxifahrer demonstrierten am neuen Flughafen. "Wir wollen, dass alle Berliner Taxen Laderecht am BER bekommen", sagte der Initiator des Taxikorsos, Erkan Özmen. Festnahmen oder in Gewahrsamnahmen gab es nach Polizeiangaben bei den Protestaktionen bis zum späten Nachmittag nicht.

Demnächst rückt ein anderer Hauptstadtflughafen in den Fokus: Am 8. November wird der ikonische Standort Tegel vom Netz gehen. Die Schließung soll Hunderttausende von Fluglärm entlasten und Platz schaffen für einen Forschungs- und Gewerbestandort. Zur Sicherheit bleibt der Flughafen im Westen der Stadt aber noch ein halbes Jahr betriebsbereit.

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