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Warum das Rabatzz auf einen Regensommer hofft

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Hanna-Lotte Mikuteit
Die Geschäftsführer Brigitte Landvogt und Achim Landvogt im Indoorspielplatz Rabatzz an der Kieler Straße in Hamburg.

Die Geschäftsführer Brigitte Landvogt und Achim Landvogt im Indoorspielplatz Rabatzz an der Kieler Straße in Hamburg.

Foto: Thorsten Ahlf / Funke Foto Services

Brigitte und Achim Landvogt mussten ihren Indoor-Spielplatz wegen Corona für drei Monate schließen. Bald wird wieder getobt.

Hamburg. Janine Lewandowski steht auf einer Leiter ziemlich weit oben. Sie ist ganz allein im Kletterlabyrinth des Rabatzz. Schon seit drei Monaten ist hier kein Kind mehr rumgeturnt. Der Indoor-Spielplatz ist wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Die junge Frau bearbeitet das bunte Gerüst mit einem Staubsauger, den sie wie einen Rucksack auf den Rücken geschnallt hat. „Bevor wir wieder eröffnen, müssen wir den Staub runter bekommen“, sagt einige Meter unter ihr Brigitte Landvogt, die das Rabatzz gemeinsam mit Ehemann Achim Landvogt betreibt.

Ab 25. Juni, dem ersten Ferientag in Hamburg, soll in Stellingen wieder getobt werden. Bis dahin hat Janine Lewandowski noch einiges zu tun. Sie ist die Fachfrau für die Ecken, die schwer zu erreichen sind. In der vergangenen Woche ist sie als eine der ersten Beschäftigten aus der Kurzarbeit zurückgekehrt. Auch wegen der Hygiene-Auflagen ist ihr Job gerade besonders wichtig.

Warum das Rabatzz auf einen Regensommer hofft

„Dass wir jetzt wieder aufmachen, ist eine Investition in eine ungewisse Zukunft“, sagt Achim Landvogt. Eigentlich hätte der Indoor-Spielplatz als Freizeiteinrichtung sogar schon Ende Mai wieder starten dürfen. Aber das hätte sich im ohnehin schwierigen Monat Juni nicht gelohnt. „Jetzt hoffen wir auf die Kinder, die wieder bei uns spielen wollen“, sagt Brigitte Landvogt. „Und dass es genügend Erwachsene gibt, die das trotz Coronavirus ermöglichen.“

Wegen der Auflagen dürfen statt bis zu 800 Besuchern sowieso nur maximal 300 gleichzeitig in der großen Halle sein. Aber ob die wirklich kommen? Unklar. Klar ist dagegen schon jetzt, dass die Besucherzahlen nicht ausreichen werden, um den Indoor-Spielplatz mit 14 Beschäftigten und zahlreichen Mini-Jobbern kostendeckend zu betreiben. „Wir machen nur weniger Verlust“, sagt Achim Landvogt, der im Familienunternehmen unter anderem für die Finanzen verantwortlich ist.

Rabatzz büßte bisher 730.000 Euro Umsatz ein

Das Rabatzz gibt es seit 2004. Bei der Gründung war es der erste Indoor-Spielplatz in der Region. Beide Landvogts sind eigentlich Lebensmittelingenieure und waren in der Produktentwicklung tätig. Mehrere Millionen Euro stecken in der großen Halle im ersten Stock des Gewerbekomplexes Stellinger Höfe – und sehr viel Zeit und noch mehr Herzblut. „Wir haben das Rabatzz wie ein Produkt immer weiterentwickelt“, sagt Brigitte Landvogt.

Hochseilgarten, Bällebad, Trampolin, Freifallrutsche, Liliput-Bereich für Knirpse bis zu drei Jahren. Alles an 365 Tagen im Jahr geöffnet. „Besucherzahlen und Umsätze sind langsam, aber stetig gestiegen“, sagt Achim Landvogt. Seit mehr als zehn Jahren erwirtschaften sie Gewinne. Dann kam die Corona-Pandemie. Von einem Tag auf den andern musste der Spielplatz Mitte März schließen. Auch die Freizeiterlebniswelt Schwarzlichtviertel, das zweite Standbein der geschäftstüchtigen Eheleute, war bis Anfang Juni dicht.

„Von 100 Prozent auf Null. Das war ein Schock“, sagt Brigitte Landvogt. Es habe eine Weile gedauert, bis das Ausmaß des Lockdowns bei ihr angekommen sei. Und, auch das sagt das Unternehmerpaar: „Wir haben die Dauer der Krise und ihre Auswirkungen anfangs unterschätzt.“ Mehr als drei Monate hatten sie keine Einnahmen. Allein für Miete und Nebenkosten im Rabatzz werden aber im Monat 19.000 Euro fällig. Zusammen mit dem Schwarzlichtviertel sind es knapp 27.000 Euro.

Dazu kommen 11.000 Euro, mit denen sie das Kurzarbeitergeld ihrer Mitarbeiter aufstocken. Die Mini-Jobber, vor allem Studenten und Schüler, mussten sie entlassen. „Bis Ende Juni beläuft sich der Umsatzverlust insgesamt auf mehr als 1,16 Millionen Euro“, sagt Achim Landvogt. Im Rabatzz sind es etwa 730.000 Euro. Trotzdem haben sie keine staatliche Soforthilfe beantragt. „Dafür steht uns das Wasser noch nicht hoch genug bis zum Hals.“

Das Rabatzz ist ihr Lebenstraum

Im Moment buttern die Unternehmer alles, was sie haben, in ihre Firma. „Das Geld hätten wir eigentlich lieber in eine neue Rutsche investiert“, sagt Brigitte Landvogt, die für Organisation und Betrieb in der Halle zuständig ist. Und letztlich wissen sie nicht, ob sie es jemals wieder reinbekommen. Aber beide brennen nach wie vor für ihre Geschäftsidee, für die sie 2007 mit dem Hamburger Gründerpreis als Aufsteiger des Jahres ausgezeichnet worden waren.

Der Spieltrieb ist geblieben. Für den Abendblatt-Fotografen gehen sie mit geübten Schritten über eine wackelige Hängebrücke im Hochseilgarten Skytrail – natürlich ordnungsgemäß mit Sicherheitsgeschirr und Seilsicherung. Fünf Jahre, so war der Plan, wollten sie noch weitermachen – dann wird Achim Landvogt 65. Beide Kinder, inzwischen 26 und 23 Jahre alt, sind aus dem Haus. Das Leben sollte ruhiger werden. Stattdessen holen die Landvogts jetzt gerade noch mal richtig Schwung. Es geht um ihren Lebenstraum.

Die Schließungszeit haben sie genutzt, um den alten grünen Teppichboden in der 3500 Quadratmeter großen Spielhalle rauszureißen und durch einen hellen Sportboden zu ersetzen. Eine Investition in Höhe von 150.000 Euro. Das Geld hat das Unternehmerpaar bei der Bank geliehen. „Man muss daran glauben, dass es wieder läuft“, sagt Achim Landvogt. Er ist der Bedächtigere des Duos.

Die Macherin ist seine Frau. Obwohl es zu ist, kommt die 57-Jährige jeden Tag von ihrem Wohnort in Jesteburg ins Rabatzz. Auch jetzt ist sie unentwegt in der Halle unterwegs. Im vorderen Bereich werden noch die letzten Quadratmeter des neuen Fußbodens verlegt. Außerdem müssen die Vorbereitungen für die Wiedereröffnung getroffen werden. In Zeiten von Corona-Beschränkungen einen Indoor-Kinderspielplatz zu eröffnen, ist eine Herausforderung.

Eine Maskenpflicht für Kinder soll es nicht geben

„Das Rabatzz hat Platz. Wir können unseren Besuchern genug Abstand bieten“, sagt Brigitte Landvogt. Durch die unterschiedlichen Altersgruppen und Spielbereiche ergäben sich zudem automatisch Abgrenzungen. Zusätzlich werde darauf geachtet, dass die geplanten Besucherzahlen in den unterschiedlichen Zonen nicht überschritten würden.

Im Liliput-Bereich mit 60 Quadratmetern etwa dürfen maximal acht Kinder gleichzeitig sein. Zusätzlich zu den normalen Reinigungsintervallen wird ein Mitarbeiter während der Öffnungszeiten mit Desinfektionsmittel seine Runden drehen. Im Prinzip sei die Situation im Rabatzz nicht viel anders als auf dem Schulhof oder auf einem Spielplatz im Park, sagt die Chefin. Da laufe es schließlich auch wieder.

Das klingt ein bisschen wie eine Beschwörungsformel. „Im Rabatzz geht es um Spielen und Spaß. Bewegung ist nach dem langen Lockdown wichtig. Wir wollen den Kindern eine Rückkehr zur Normalität bieten“, sagt Brigitte Landvogt. Eine Maskenpflicht für Kinder werde es auch deshalb nicht geben.

Die ersten Kindergeburtstage sind gebucht

Dass die Besucher zögerlich zurückkehren, haben die Unternehmer bereits bei der Wiedereröffnung des Schwarzlichtviertel gespürt. Der Umsatz der Anlage, in der Besucher vor 3-D-Kulissen Minigolf in Schwarzlicht spielen oder in einem U-Boot auf Tauchstation gehen, liegt im Moment bei 30 Prozent der Vor-Corona-Zeit. „Wir haben im Moment jedes zweite Zeitfenster blockiert“, sagt Achim Landvogt.

Weil sich die Besucher aber durch die Gestaltung stark in der 1000-Quadratmeter-Halle verteilten und sich nicht treffen könnten, wollen sie das Volumen jetzt etwas erhöhen. „Es darf sich nicht in den Behörden verfestigen, dass Deutschland noch länger auf 50-Prozent-Auslastung fährt. Damit kommt kein Unternehmen in die Gewinnzone“, sagt der Geschäftsmann.

Eine Deadline, wie lange sie als Unternehmer durchhalten können, haben sie nicht, sagen die Landvogts. Aber sie haben darüber nachgedacht. „Aus betriebswirtschaftlicher Verantwortung macht es keinen Sinn, den Laden offen zu halten, bis die Konten leer sind.“ Inzwischen gibt es wieder vermehrt Anfragen von Kunden, die ersten Kindergeburtstage sind gebucht. Trotzdem haben die Landvogts einen großen Wunsch. „Wir hoffen auf einen verregneten Sommer.“ Denn dann, das wissen sie aus 16 Jahren Spielerfahrung, kommen Eltern – und Kinder.

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