Washington. Nullzinsen, Anleihekäufe, Notkredite: Die US-Notenbank schnürt wegen der wirtschaftlichen Bedrohung durch die Coronavirus-Ausbreitung ein großes Antikrisenpaket. Doch die Finanzmärkte kann dies nicht beruhigen. Im Gegenteil - die Nervosität der Anleger steigt sogar.

Die US-Notenbank greift angesichts von Anlegerpanik und Rezessionsängsten wegen des Coronavirus zu drastischen Mitteln. In einer Notfallaktion senkte sie den Leitzins überraschend auf fast null Prozent und kündigte ein Maßnahmenpaket in Koordination mit anderen Notenbanken an.

Weitere Schritte könnten aufgrund wirtschaftlicher Schäden durch die Ausbreitung des Virus folgen. "Wir sind darauf vorbereitet, unsere gesamte Bandbreite an Instrumenten einzusetzen", sagte Fed-Chef Jerome Powell am Sonntag (Ortszeit) in Washington. Doch die Märkte reagieren nervös.

Die US-Notenbank reduzierte den Leitzins in einem unerwarteten Kraftakt um einen ganzen Prozentpunkt auf 0 bis 0,25 Prozent. Eigentlich waren die Fed-Beschlüsse erst für Mittwoch geplant gewesen - und Analysten hatten nur mit einer Zinssenkung um 0,50 Prozentpunkte gerechnet. Die Entscheidungen gehen zudem weit über die Zinsen hinaus. Die Fed will die Wirtschaft mit einem 700 Milliarden Dollar schweren Anleihekaufprogramm stützen und Banken vorübergehend Notfallkredite gewähren - wie nach der großen Finanzkrise 2008.

Auch ein Abkommen mit anderen Notenbanken zur Liquiditätsversorgung des Finanzsystems mit der Weltreservewährung US-Dollar ist vorgesehen. Die Maßnahmen zeigen, wie prekär die Währungshüter die Lage an den Märkten einschätzen. Die Börsen befinden sich wegen der Furcht vor dem Coronavirus seit Wochen im Ausnahmezustand, die Kursschwankungen sind extrem. Bereits vor weniger als zwei Wochen hatte die Fed die Zinsen außerplanmäßig deutlich gesenkt.

Die Virus-Krise habe tiefe Auswirkungen auf die US-Wirtschaft, warnte Fed-Chef Powell. Die Notenbank habe aber noch genügend Handlungsspielraum, versicherte er. US-Präsident Donald Trump begrüßte die Fed-Entscheidungen. "Es macht mich sehr glücklich. Ich möchte der Federal Reserve gratulieren", sagte er in Washington. Trump kritisiert die Währungshüter schon lange wegen einer angeblich zu straffen Geldpolitik und hatte erst am Samstag erneut gesagt, er sei nicht glücklich mit dem Zinssatz der US-Notenbank.

Trump hatte gefordert, dass die USA keinen Leitzins haben, der höher als in anderen starken Wirtschaftsnationen sei. "Wenn man sich Deutschland anschaut, liegen sie im Prinzip unter Null, sie sind negativ. Es gibt viele Länder, die negativ sind. Japan ist negativ. Deutschland ist negativ. Andere sind negativ. Und wir zahlen höhere Zinssätze." Auf die Frage, ob auch in den USA negative Zinsen denkbar seien, sagte Fed-Chef Powell bei einer Konferenzschalte mit der Presse, dass er dieses Instrument derzeit nicht für angemessen halte.

In den USA wächst wegen der Auswirkungen des Coronavirus die Sorge vor einer Rezession. Erst Anfang März hatte die US-Notenbank den Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf einen Korridor von 1 bis 1,25 Prozent gesenkt. Dieser Schritt hatte die Finanzmärkte jedoch wenig beeindruckt und konnte den heftigen Ausverkauf an den Börsen nicht stoppen. Analysten zweifeln ohnehin, ob den Sorgen der Anleger wegen des Coronavirus mit billigem Geld beizukommen ist.

Dieses Mal scheint der Effekt der Zinssenkung am Aktienmarkt nicht nur zu verpuffen, sondern die hektische Notfallaktion der Fed die Nervosität sogar noch zu erhöhen. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial eröffnete am Montag mit einem Minus von knapp zehn Prozent, der Kursabsturz sorgte für eine Aussetzung des Börsenhandels. Experten hatten bereits Bedenken geäußert, ob die Fed den Marktturbulenzen etwas entgegensetzen kann.

Derzeit seien Anleger vor allem mit den kurzfristigen Risiken durch das Coronavirus beschäftigt, meinte etwa Stephen Gallagher von der Bank Société Generale. Ein Umfeld, in dem Geldpolitik nur begrenzt wirke. Immer lauter werden indes die Rufe nach finanzpolitischen Maßnahmen. Weltweit abgestimmte Konjunkturhilfen würden Stunde für Stunde dringender, mahnte die Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Kristalina Georgieva, am Montag in einem Blogeintrag.