Hamburg. Mit Blick auf das regnerische und stürmische Wetter lädt der Februar ohnehin zu Nachmittagen in den eigenen vier Wänden ein. Da trifft es sich gut, dass Zehntausende Männer und Frauen am heimischen Bildschirm bald die neuen Welten von Everspace II erkunden können. Dann fliegen sie mit ihrem Raumschiff durch das Universum, bekämpfen Piraten auf fremden Planeten und erleben Geschichten in einer „Welt voller Geheimnisse und Gefahren, in der du schließlich entdeckst, was es heißt, ein Mensch zu sein“, beschreibt Rockfish Games mit Sitz in Eimsbüttel seinen neuesten Wurf.
Das Besondere: Die Entwicklung des Spiels startet erst, nachdem die Firma 500.000 Euro von ihren Fans eingesammelt hatte, um die teure Produktion zu stemmen. Die Nutzer geben Rockfish ihr Geld, weil sie wissen, dass die Hamburger Garanten für spannende Spiele-Hits sind.
Was es heißt, teure Spiele am Hochlohnstandort Deutschland zu produzieren – und damit Geld zu verdienen, diskutierte die Branche am Donnerstag auf der Hamburg Games Conference in den Zeise Kinos. Die Vielfalt der Geldquellen wird dabei immer größer: In manchen Spielen kaufen die Nutzer für fünf Euro bessere Schwerter oder ein Blumenbeet für ihr digitales Haus, andere Erlösmodelle setzen auf Abos und Werbung.
Umsatz mit Spielen liegt bei 3,5 Milliarden Euro
Insgesamt geht es um ein riesiges Geschäft: „Gaming, insbesondere auf mobilen Endgeräten, ist ein stark wachsender Markt“, sagt Michael Zillmer, Gründer von Innogames. Wie groß das Volumen ist, zeigt ein Vergleich mit anderen Unterhaltungsbranchen: Mit Games werden alleine hierzulande 3,5 Milliarden Euro pro Jahr erlöst. das ist mehr als der Umsatz der gesamten Musik- und Filmindustrie. Auch in Hamburg verdient man hier glänzend mit.
Mit InnoGames, Gamigo, BigPoint und GoodGame sitzen allein vier der bundesweit zehn größten Spielestudios in der Hansestadt. Auch wenn die Firmen bei Strategieänderungen in der Vergangenheit schon einmal die Belegschaft verkleinert haben – insgesamt wächst die Branche. So suchen die Hamburger Unternehmen monatlich etwa 30 neue Mitarbeiter, die Spiele entwickeln, programmieren und verlegen können, heißt es von der Agentur für Arbeit.
Insgesamt beschäftigen die Gamesfirmen an Alster und Elbe rund 4000 Frauen und Männer. Allein InnoGames, nach eigenen Angaben Deutschlands führender Entwickler von Mobile- und Online-Spielen, zählt 400 Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr erzielte die Firma, die den Spiele-Hit Forge of Empires herausgebracht hat, einen Umsatz von 190 Millionen Euro. Das Wachstum wurde vor allem von mobil verfügbaren Spielen vorangetrieben. Dabei ist InnoGames hochprofitabel: Die Marge vor Steuern und Zinsen lag 2019 bei 26 Prozent.
Lost Ember, ein Erfolg von Mooneye
Zu den bekannten Namen der Szene kommt eine dreistellige Zahl an kleinen Spieleentwicklern. So wie Mooneye Studios, die mit einer Handvoll Mitarbeitern jahrelang Tag- und Nachtschichten eingelegt haben, um das Spiel Lost Ember herauszubringen. In dem „Erkundungs-Abenteuer“ schlüpfen die Spieler in verschiedene Tierrollen und entdecken die Geschichte der Menschheit. Die Mühe hat sich gelohnt: Lost Ember hat international großen Anklang gefunden. Spielekritiker loben das Werk für seine Magie.
Spiele wie Lost Ember, die sich auch an Erwachsene und Frauen richten, zeigen, dass die Zielgruppe für digitale Abenteuer längst nicht mehr nur pickelige Jünglinge umfasst. Inzwischen spielt jeder zweite Deutsche – über alle Altersklassen hinweg. In Hamburg wird zudem – bei Daedalic Entertainment – das derzeit weltweit medial meist beachtete Spiel aus deutscher Produktion hergestellt: „Der Herr der Ringe: Gollum“. Gründer Carsten Fichtelmann weiß: „Die Stadt Hamburg ist allein durch die Tatsache, dass Daedalic Entertainment in der Stadt ansässig ist, Rekordsieger beim Deutschen Computerspielpreis und dem Deutschen Entwicklerpreis.“
Die Herausforderungen für die Firmen in Hamburg sind trotz der wachsenden Erlöspotenziale groß: Sie bekommen weniger öffentliche Förderung als Wettbewerber im Ausland, leiden unter einem leer gefegten Markt für Programmierer und müssen verschiedene Kanäle bedienen. Schließlich müssen sie etwa auf dem PC oder dem kleineren Handy-Bildschirm unterschiedliche Ansprüche erfüllen. Saßen die Nutzer früher vor dem heimischen Computer, haben sich Smartphones inzwischen zur beliebtesten Spiele-Plattform der Deutschen entwickelt, mit 18,6 Millionen Nutzern.
Der Spielebranche fehlen Fachkräfte
Insbesondere für Start-ups, aber auch für Unternehmen wie Rockfish, spielt das Thema Finanzierung oft eine ausschlaggebende Rolle für den Erfolg, weiß Dennis Schoubye vom Branchennetzwerk gamecity:Hamburg. „In Deutschland gibt es wenige finanzstarke Unternehmen, die gezielt in die Games-Branche investieren. Und eine klassische Finanzierung über Banken scheitert oft an der fehlenden Erfahrung der Banken mit den Business-Modellen der Spielebranche“, sagt der Projektleiter des Netzwerks, das zur Hamburg Kreativ Gesellschaft mbH gehört.
Einige Firmen setzen auf die Anfangsfinanzierung über Kickstarter wie bei Rockfish. Andere werden schlicht von kapitalstärkeren Konzernen aufgekauft, wie einige Übernahmen in Hamburg zeigen: So hält die schwedische Modern Times Group seit 2017 mehr als die Hälfte der Anteile an InnoGames. Der chinesische Softwarekonzern Youzu Interactive hat Bigpoint übernommen. Vor drei Jahren ist zudem Stillfront bei GoodGame Studios eingestiegen.
Gleichzeitig herrscht in der Spielebranche ein Fachkräftemangel, der das Wachstum begrenzt. „Die Spieleentwicklung beinhaltet viele unterschiedliche Gewerke und braucht Experten in der Programmierung, grafischen Gestaltung, Game Design und Community Management ebenso wie Datenanalysten und Marketingspezialisten“, fasst Schoubye den Bedarf zusammen. Um überhaupt Bewerber zu bekommen, seien die Unternehmen auf Lockmittel wie eine flexible Arbeitszeit-Gestaltung und eine kostengünstige, gute Verpflegung angewiesen, sagt Knut Böhrnsen, Sprecher der Arbeitsagentur Hamburg. Außerdem schätze der Nachwuchs Goodies wie den Pausenkicker, das Ticket für den Nahverkehr oder Fitnessprogramme. Bei der Suche nach Spezialisten stehe die Branche zudem in Konkurrenz mit anderen Unternehmen, die aufgrund der Digitalisierung, der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz und der daraus folgenden Automatisierung ebenfalls auf Mediengestalter, Programmierer oder Designer angewiesen seien, so Böhrnsen.
Die Stadt versucht den Firmen bereits zu helfen
„Firmen wie Google, Facebook, Adobe, Dropbox, Twitter oder Twitch haben in Hamburg ihren Deutschlandsitz“, sagt Sandra Braun von Whow Games. „Dies bietet uns einen gewissen Wettbewerbsvorteil, vielversprechende Talente hierher zu locken. Um nicht vollständig auf den Zuzug von Bewerbern angewiesen zu sein, gibt es in Hamburg zudem eine Reihe an staatlichen und privaten Bildungseinrichtungen, die den Nachwuchs auf einem sehr hohen Niveau ausbilden.“
Um die Branche zu unterstützen, hat die Stadt kürzlich entschieden, Spielentwicklungen zu subventionieren. „Die kreative Games-Branche profitiert in Hamburg von der Weltoffenheit am Medienstandort. Diesen Standortvorteil wollen wir ausbauen und die Branche mit der Initiative gamecity:Hamburg und der neuen Förderung der Entwicklung von Computerspielen in Höhe von 520.000 Euro pro Jahr weiter stärken,“ sagt Kultursenator Carsten Brosda.
Das Bekenntnis der Stadt zu der Zukunftsbranche kommt bei den Firmen in der Hansestadt gut an, denn sie spüren den Druck durch weltweite Konkurrenz. „Im Standortwettbewerb können international nur Hamburg und vielleicht noch Berlin mithalten“, sagt Michael Zillmer von Innogames. „Das liegt vor allem daran, dass andere Länder wie Kanada oder UK die Branche schon seit Jahren systematisch fördern. Sei es durch Steuererleichterungen oder eben gezielte Förderprogramme. Dort gelten einfach andere Rahmenbedingungen.“
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