Berlin. Thomas-Cook-Reisende können sich über Entschädigung freuen. Die Millionen dafür bezahlen wir alle. Schuld daran ist die Regierung.

Hundertausende deutsche Thomas-Cook-Kunden können aufatmen: Sie bleiben nicht auf ihren Unkosten sitzen, die ihnen durch die Pleite des ältesten Reiseveranstalters der Welt entstanden sind. Das ist zunächst eine gute Nachricht.

Denn wer eine Pauschalreise bucht, bucht die Sicherheit mit. Deshalb kosten Pauschalreisen in der Regel auch etwas mehr. Im Falle einer Insolvenz hat der Kunde zwar viel bürokratischen Ärger, aber er hat einen Anspruch darauf, sein Geld zurückzubekommen.

Dass der Bund nun einspringt, ist eine logische und richtige Konsequenz. Denn die Bundesregierung hatte überhaupt erst den Deckel der Entschädigungssumme von 110 Millionen Euro verankert. Ein eklatanter Fehler, der sich nun rächt.

Entschädigung: Richtlinie wurde in einer Nachtsitzung verabschiedet

Ein kurzer Rückblick: Die Europäische Union hatte im November 2015 eine Richtlinie verabschiedet, die die Pauschalreise neu regelte – angestoßen wurde die Richtlinie pikanterweise übrigens von Thomas-Cook-Mutterland Großbritannien.

Zwei Jahre später verabschiedete der Bundestag die schon damals umstrittene Richtlinie – nachts um 1:55 Uhr, fünf Minuten vor Sitzungsende.

Wirtschaftskorrespondent Tobias Kisling sieht in der Entschädigung für Thomas-Cook-Kunden auch ein Versagen der Regierung.
Wirtschaftskorrespondent Tobias Kisling sieht in der Entschädigung für Thomas-Cook-Kunden auch ein Versagen der Regierung. © ZRB | ZRB

Während sich andere EU-Länder schon bei der Umsetzung der Richtlinie Gedanken machten, wie man große Insolvenzen abfedern könne und beispielsweise Fonds gründeten, herrschte in Deutschland Pragmatismus: Die Zurich Versicherung war die einzige Versicherung, die eine Summe bis zu 110 Millionen Euro versichern wollte, also machte man auf 110 Millionen Euro den Deckel drauf. Immerhin spielten sich bis dato Insolvenzen in Größenordnungen von 20 bis 30 Millionen Euro ab.

Das die Summe nicht reicht, war klar

Dass die Summe von 110 Millionen Euro vorne und hinten nicht reichen werde, war nach der Pleite von Thomas Cook von Beginn an klar. Laut Thomas Cook sind von der Insolvenz 660.000 deutsche Kunden betroffen. Gemessen an den 110 Millionen hätte somit jeder Kunde seine Reise für durchschnittlich 167 Euro buchen müssen, damit die Summe hinkommt.

Selbst wenn man die Kunden mit Kreditkartenzahlungen, für die eine Ausfallversicherung besteht, abzieht, ist es offensichtlich, dass die Summe nie und nimmer an die durchschnittlich 1500 Euro heranreicht, die Urlauber in den vergangenen Jahren in Auslandsreisen investierten.

Ein weiteres Kapitel Steuerverschwendung

Nun könnte man meinen: Großzügig von der Regierung, hier einzuspringen. Nein, es ist alles andere als großzügig. Denn in der umgesetzten EU-Richtlinie heißt es im Absatz 39: „Die Mitgliedstaaten sollten gewährleisten, dass Reisende, die eine Pauschalreise erwerben, vor der Insolvenz des Reiseveranstalters in vollem Umfang geschützt sind.“

Das hat die Bundesregierung unter dem damaligen Justizminister Heiko Maas (SPD) versäumt. Oder anders ausgedrückt: Hätten die betroffenen Urlauber geklagt, wären ihre Chancen auf Entschädigung wohl gut gewesen.

Somit erspart der Staat nicht nur den Kunden, sondern auch sich selbst teure Gerichtsprozesse. Am Ende zahlt die Kosten so oder so der Steuerzahler. Da ist die jetzige Lösung wahrscheinlich sogar noch die billigere. Und die Bundesregierung fügt ihrer Steuerverschwendung, man denke nur an die mangelhafte Bundeswehr-Ausrüstung oder das Maut-Debakel, ein weiteres Kapitel hinzu.