Berlin. Kassenbons sollen künftig immer ausgehändigt werden – auch wenn nur ein Brötchen verkauft wird. Das Ziel: weniger Steuerhinterziehung.

Ob Wurst, Käse oder Brötchen: An der Theke gibt es Ware meistens unkompliziert gegen Geld. Ebenso am Bratwurststand – und auch beim Frisör. Den Kassenbon bekommt der Kunde oft nur, wenn er gezielt danach fragt. Das soll sich im kommenden Jahr ändern: Ab 2020 gilt die Kassenbon-Pflicht, selbst wenn nur ein Brötchen für 30 Cent gekauft wird.

Mit der Aktion soll Steuerbetrug an der Ladenkasse erschwert werden. Doch was bringt der kleine Zettel wirklich? Und warum regen sich so viele Einzelhändler darüber auf? Fragen und Antworten zum Thema.

Wie verbreitet ist Steuerhinterziehung in Deuschland?

Ob Frisör, Kneipe, Dönerbude oder Handwerk: Oft genug landet in Deutschland Geld ohne Buchung beim Händler bzw. Dienstleister. Nach der Studie „The European Tex Gap“ des Londoner Steuerexperten und Ökonomen Richard Murphy fließt im europäischen Vergleich nur in Italien mehr Geld am Fiskus vorbei.

Demnach wird jeder zehnte Euro nicht versteuert. Ein Grund, so Experten, sei die relativ schlechte Rechenschaftspflicht für Unternehmen. Eben die soll mit der Kassensicherungsverordnung verbessert werden, indem Kassen durch eine technische Sicherheitseinrichtung (TSE) fälschungssicherer und Kassenbons jedem Kunden mitgegeben werden. Den Finanzbehörden soll so die Prüfung erleichtert werden.

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Was sagen die Einzelhändler?

Es gibt viel Kritik. Schließlich kommen auf die Händler nennenswerte Kosten zu. So schätzt der Handelsverband Deutschland (HDE), dass die Umrüstung zwischen 300 und 500 Euro pro Kasse liegen wird – falls die Systeme überhaupt am Markt erhältlich seien. Aus diesem Grunde hat das Finanzministerium auch die Frist bis September verlängert. Ursprünglich sollte die Umstellung bis Jahresbeginn abgeschlossen sein.

Hinzu komme der enorme bürokratische Aufwand: Ralph Brügelmann vom HDE rechnet mit mehr als zwei Millionen Kilometern zusätzlicher Länge an Kassenbons im Jahr.

Viele Bäcker lehnen die Pflicht zu Kassenbons ab.
Viele Bäcker lehnen die Pflicht zu Kassenbons ab. © dpa | Lucas Bäuml

Allein in Hannover versammelten sich 60 Bäcker vor dem Landtag, um gegen die Verordnung zu demonstrieren. Die Bäcker planen, in den kommenden zwei Wochen 1,2 Millionen bedruckte Brötchentüten zu verteilen, auf denen detailliert aufgelistet ist, wieviel Zeit ein Betrieb für welchen bürokratischen Akt aufwenden muss.

Auch der Hotel- und Gaststättenverband hält die Regelung für ein Bürokratiemonster.

Was bedeutet die Kassenbon-Pflicht für Verbraucher?

Zunächst einmal erhalten sie viel mehr Kassenbons ausgehändigt, als sie bisher gewohnt sind. Einzelhändler erwarten auch, dass die Rollen häufiger ausgetauscht werden müssen und sich dadurch die Wartezeiten an den Theken verlängern.

Welche Giftstoffe sind in den Bons enthalten?

Die meisten Bons bestehen aus Thermopapier, das mit einer wärmeempfindlichen Schicht versehen ist. Es enthält unter anderem Entwickler. Zusammen mit Hitze bildet sich ohne Toner schwarzer Farbstoff. Außerdem ist die Außenbeschichtung der Bons mit Bisphenol A beschichtet.

Bisphonal A steht laut Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Unter anderen soll der Stoff nach verschiedenen Studien verantwortlich sein für:

  • Störungen im Hormonhaushalt
  • Störungen der Fruchtbarkeit (Spermienqualität)
  • Fehlgeburten
  • Untergewicht bei Neugeborenen
  • Fettleibigkeit
  • Herzerkrankung und Diabetes
  • Hyperaktivität
  • Prostatakrebs

Gibt es Alternativen zum Kassenbon auf Thermopapier?

Laut Gesetz darf eine Quittung auch digital ausgehändigt werden. Entsprechende Apps werden gerade entwickelt. Künftig wird der Kunde wohl den Bon direkt auf dem Smartphone speichern, sammeln und verwalten können. Weiterer Vorteil: Die Belege werden nicht – wie bei Thermopapier – nach einer Weile unleserlich.

Wie reagieren die Verbraucherverbände?

Sie warnen vor dem Bon, der im Geldbeutel die Schriftfarbe verliert und als Beleg seine Gültigkeit verliert. Deshalb ist auch für sie der digitale Bon eine Alternative – allerdings sei er mit dem Nachteil verbunden, dass der App-Betreiber über das Benutzerkonto an die Daten der Kunden kommen kann. (mit dpa)