Frankfurt. Die EZB bleibt ihrer lockeren Geldpolitik treu. Aus Wirtschaft und Politik kommt Kritik. Verbraucher können allerdings profitieren.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Strafzinsen für Banken angehoben und nimmt ihre umstrittenen Anleihenkäufe wieder auf. Der sogenannte Einlagensatz für Banken sei auf minus 0,5 Prozent von minus 0,4 Prozent gesenkt worden, teilten die Euro-Wächter am Donnerstag in Frankfurt mit.

Ein Minuszeichen beim Einlagenzins bedeutet, dass die Institute Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken. Der Satz ist bereits seit 2014 negativ. Die EZB kündigte zudem an, die im Dezember 2018 beendeten Anleihenkäufe erneut aufzunehmen. Sie will ab dem 1. November monatlich Papiere für 20 Milliarden Euro erwerben.

Den Schlüsselzins zur Versorgung der Institute mit Geld beließ die EZB dagegen bei 0,0 Prozent. Bereits seit März 2016 liegt er auf diesem Rekordtief. Wir erklären, was die Entscheidung bezwecken soll und was sie für die Politik und Verbraucher bedeutet.

Was verspricht sich die EZB von ihrer Entscheidung?

Angesichts der weltweiten Konjunkturabkühlung und der Schwäche des Welthandels seien „signifikante geldpolitische Impulse“ notwendig, hatte EZB-Präsident Mario Draghi nach der Sitzung des EZB-Rates vor sieben Wochen gesagt. Die Anhebung der Strafzinsen für Banken ist ein solcher Impuls.

Mit dem Strafzins wollen die Währungshüter die Institute dazu bringen, mehr Gelder in Form von Krediten an Unternehmen und Verbraucher auszureichen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das soll auch den Preisauftrieb verstärken.

Was bedeutet die EZB-Entscheidung für Verbraucher?

EZB-Präsident Mario Draghi.
EZB-Präsident Mario Draghi. © dpa | Arne Dedert

Experten rechnen damit, dass in der Folge der EZB-Entscheidung auch die Zinsen sinken werden, die Kleinsparer auf ihr angelegtes Geld erhalten. Wer einen Hauskauf plant oder bald eine Anschlussfinanzierung braucht, kann sich dagegen freuen.

Immobiliendarlehen sind bereits jetzt günstig wie nie: Ein Kredit über eine Laufzeit von zehn Jahren kostet nach Angaben der unabhängigen FMH-Finanzberatung in Frankfurt am Main derzeit im Schnitt 0,69 Prozent. Bei einer Laufzeit von 15 Jahren liegt der durchschnittliche Zinssatz bei 0,98 Prozent (Stand jeweils: 11. September). Vor drei Wochen waren es noch 0,71 Prozent bei einer Laufzeit von 10 Jahren und 1,04 bei 15 Jahren (Stand: 22. August). Die genauen Zinssätze hängen allerdings unter anderem von der finanziellen Situation des Kreditnehmers ab.

„Der Druck wird größer, die Banken wollen ihr Geld loswerden, weil die EZB ihnen zu teuer wird. Als eine Lösung bieten sich große Baufinanzierungsvolumen an, die selbst bei niedrigen Zinsen so gut wie ohne Risiko vergeben werden können“, erklärt FMH-Experte Max Herbst die Situation der Banken und Sparkassen. Er rechnet deshalb damit, dass diese Institute ihre Zinssätze weiter senken.

Wie reagieren Wirtschaft und Politik auf die EZB-Zinspolitik?

Aus Deutschland wurde schon mehrfach eine Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik gefordert. „Die expansive Geldpolitik der EZB ist ein Irrweg. Es hat sich gezeigt, dass das billige Geld und die Anleiheaufkäufe keine Konjunkturbelebung erreichen. Außerdem werden die Verunsicherung der Verbraucher und die gesellschaftliche Spaltung erhöht“, sagte CSU-Finanzexperte Hans Michelbach.

Für ihn seien die EZB-Beschlüsse lediglich ein weiteres Hilfsprogramm für Spekulanten, die die Fortsetzung einer ungesunden Schuldenpolitik in etlichen Euro-Staaten fördern. „Die Leidtragenden dieser verfehlten Minus-Zinspolitik sind nicht nur Sparer und die private Altersvorsorge. Ihre Folgen werden über kurz oder lang jeden Bürger über höhere Bankgebühren treffen.“

Grünen-Finanzexpertin Lisa Paus nahm indes die GroKo in die Pflicht: „Die EZB ist der falsche Sündenbock – handeln muss die Bundesregierung. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, weitere negative Auswirkungen für Sparer, die Immobilienpreise und die Finanzmarktstabilität abzuwenden. Es ist höchste Zeit für ein zukunftsgerichtetes Investitionspaket.“

US-Präsident Donald Trump wirft der EZB vor, mit ihrer Linie der amerikanischen Wirtschaft zu schaden. Die EZB habe erfolgreich den Euro gegenüber dem „sehr starken Dollar“ abgewertet, twitterte er nur wenige Minuten nach dem Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank am Donnerstag. Dies schade den US-Exporteuren. Zugleich warf er der US-Notenbank Fed vor, immer nur abzuwarten.

Trump drängt die unabhängige US-Notenbank seit langem, die Zinsen kräftig zu senken. Bei früherer Gelegenheit hatte er auch bereits die EZB für ihre lockere Geldpolitik kritisiert.

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Auch US-Finanzminister Steven Mnuchin kritisierte die europäischen Währungshüter um EZB-Chef Mario Draghi. Er sagte dem Sender CNBC, die USA seien auf einen starken Dollar fokussiert. Die negativen Zinsen in der Euro-Zone seien ein Grund zur Sorge. Damit werde eine „gute Konjunktur“ erschwert.

Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis ist sich sicher: „Die noch expansivere Geldpolitik bringt mehr Schaden als Nutzen. Die negativen Auswirkungen dieser Politik überwiegen mittlerweile, gleichzeitig haben sich die positiven Effekte abgenutzt.“

Auch der Chefökonom des Versichererverbands GDV kritisiert die Entscheidung: „Mit den heutigen geldpolitischen Entscheidungen nutzt die EZB erneut Instrumente, die Krisensituationen vorbehalten sein sollten. Eine Krise liegt aber weder wirtschaftlich noch politisch vor. Schleppende Konjunkturdaten alleine reichen für derart gravierende Maßnahmen nicht aus“, sagt Klaus Wiener. Außerdem würden die Nebenwirkungen dieser extremen Positionierung der Geldpolitik immer deutlicher zu Tage treten – und umso größer werden, je länger die EZB ihrer Linie treu bleibt.

Wie geht es mit der Geldpolitik der EZB weiter?

Die Euro-Wächter wollen ihre Schlüsselzinsen solange auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau halten, bis das Inflationsziel von knapp zwei Prozent erreicht ist. Das allerdings ist nicht in Sicht: Im August verharrte die Inflation in den 19 Ländern mit der Gemeinschaftswährung bei 1,0 Prozent und damit auf dem tiefsten Stand seit mehr als zweieinhalb Jahren. Die EZB hatte letztmalig 2011 ihre Zinsen angehoben.

Die künftige EZB-Chefin Christine Lagarde.
Die künftige EZB-Chefin Christine Lagarde. © dpa | Jan Woitas

Die EZB beschloss zudem, die Konditionen ihrer geplanten neuen Langfristkredite für Banken – in der Fachwelt „TLTRO III“ genannt – noch etwas vorteilhafter zu gestalten und die Laufzeit dieser Kredite auf drei von zwei Jahren zu verlängern.

Draghis designierte Nachfolgerin an der EZB-Spitze, die Französin Christine Lagarde, hat bereits deutlich gemacht, dass sie eine sehr lockere Geldpolitik für absehbare Zeit für nötig hält. Die bisherige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) sagte aber auch: „Wir müssen die negativen Folgen und Nebeneffekte im Blick behalten.“Sparer müssen sich auf jeden Fall weiterhin gedulden, ehe es wieder höhere Sparzinsen gibt. Womöglich geben Banken zudem die Kosten für die EZB-Strafzinsen künftig an einen größeren Kundenkreis weiter.

(dpa/rtr/ba)