Berlin. Versandhändler darf seinen neuen Apotheken-Automaten auf dem Land nicht in Betrieb nehmen. Videoberatung mit Arzneimittelausgabe bleibt verboten.

Gemessen am Wirbel, den er verursacht, ist der Apparat recht unauffällig: In den umgebauten Räumen der ehemaligen Brunnen-Apotheke in Hüffenhardt (Baden-Württemberg) ist neben einem Bezahlterminal und einem Bildschirmtisch nur ein Stück Förderband zu sehen. Von dort fällt das gewünschte Medikament in den Ausgabeschacht.

Theoretisch jedenfalls. Denn der Apothekenautomat spuckt derzeit gar nichts aus. Der Betrieb im 2000-Seelen-Ort wurde gerichtlich untersagt: vom Landgericht Mosbach, vom Verwaltungsgericht Karlsruhe und am Mittwoch auch vom Oberlandesgericht Karlsruhe. Der bundesweit erste Automat dieser Art, betrieben von DocMorris, verstoße gegen das Arzneimittelgesetz und die Apothekenbetriebsordnung.

DocMorris: Apothekenautomat sollte Anwohnern helfen

Seit vier Jahren gibt es in Hüffenhardt, gut 20 Kilometer nordwestlich von Heilbronn gelegen, keine Apotheke mehr. Wer Kopfschmerztabletten oder ein Blutdruckmittel braucht, muss fast sechs Kilometer weit fahren oder sein Rezept bei der Apotheken-Rezeptsammelstelle einwerfen.

Hüffenhardts Bürgermeister Walter Neff (SPD) findet es deshalb gut, dass die Versandapotheke aus den Niederlanden in der badischen Gemeinde eine „Videoberatung mit Arzneimittelabgabe“ eingerichtet hat. Das nämlich ist der Automat in Wirklichkeit. Das angeschlossene Lager bietet Platz für mehr als 8000 Schachteln.

DocMorris: Erfahrung mit Rechtsstreit – Rabattsysteme am Rande der Legalität

Dass DocMorris Lob oder Unterstützung bekommt, ist eher selten. Die Niederländer, gegründet im Jahr 2000 und seit 2012 Teil der Zur Rose AG aus der Schweiz, gelten als aggressiv. Einst eröffneten sie eine Apotheke im Saarland und lösten einen langen Rechtsstreit aus.

Dann testeten sie das Verbot des Versandhandels für Medikamente und bewegten sich auch bei Rabattsystemen am Rande der Legalität. Der Erfolg aber gab ihnen recht. DocMorris wächst weiter. 2018 stieg der Umsatz in Deutschland auf 409 Millionen Euro, ein Plus von 15,8 Prozent im Vergleich zu 2017.

Apotheken-Unternehmen sieht sich selbst als Innovator

Das Unternehmen selbst sieht sich als Motor der Innovation. „Es ist unsere Aufgabe, den Menschen zu zeigen, wie relevanter und verantwortungsvoller Fortschritt im Gesundheitswesen ihr Leben bereichert“, erklärte DocMorris-Chef Olaf Heinrich im Januar 2018 zum Start einer Imagekampagne.

„Wir wollen ein neues gesellschaftspolitisches Denken in Bezug auf die Digitalisierung anstoßen“, so Heinrich weiter. Und das auch aus Eigeninteresse: Das weltweite Volumen für die Digitalisierung im Gesundheitsmarkt könnte schon 2020 auf 200 Milliarden Dollar steigen, erklärt die Unternehmensberatung Roland Berger.

Der Apothekenautomat im Örtchen Hüffenhardt passt da durchaus ins Bild. Am 19. April 2017 konnten Kunden von hier aus erstmals per Video Kontakt mit einem Apotheker im niederländischen Heerlen aufnehmen und Medikamente aus dem Automaten erhalten. Doch schon zwei Tage später war wieder Schluss: Das Regierungspräsidium Karlsruhe hatte das Projekt gestoppt.

Hintergrund: Stiftung Warentest: Schlechte Noten für Versandapotheken

Zuerst nur noch rezeptfreie Arzneimittel, dann gar nichts mehr

Vom 26. April an gab es aus dem Automaten noch einige Wochen lang rezeptfreie Arzneimittel, dann setzte das Landgericht Mosbach dem im Juni endgültig ein Ende: Es sah einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz. Verschreibungspflichtige Medikamente dürften nur von Apotheken an Verbraucher abgegeben werden.

Das Gericht widersprach auch dem Argument, der Apparat sei Teil des seit 2004 zulässigen Versandhandels; die Abholung von Arzneimitteln von einem Lagerort, an dem der Kunde diese kurz zuvor angefordert habe, sei kein Versandhandel, so die Richter. Es sei eine neue Form der Apotheke, für die DocMorris keine Lizenz hätte.

Diese Dinge gehören in jede Reiseapotheke

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    Landesapothekenverband Baden Württemberg hatte mit Apothekern geklagt

    Damit waren Klagen des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg und von Apothekern aus der Umgebung erfolgreich. Das Oberlandesgericht in Karlsruhe bestätigte dies am Mittwoch. Und auch das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte bereits im April das vom Regierungspräsidium verhängte Betriebsverbot für rechtens erklärt.

    Der Automat in Hüffenhardt ist für Apotheker ein Präzedenzfall. Sie kritisieren schon länger, dass Versandhändler in immer neue Felder vordringen. Aus ihrer Sicht wolle sich DocMorris „Wettbewerbsvorteile auf Kosten der Arzneimittelsicherheit“ verschaffen. Sie warnen vor gesundheitlichen Schäden wegen fehlender Überwachung.

    Am Ende sahen die Kläger laut Branchenexperten aber auch ihr Geschäft bedroht. Nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apotheker (ABDA) sinkt die Zahl der Betriebsstätten seit Jahren. 2018 seien so viele Apotheken wie nie zuvor geschlossen worden – 325 von knapp 19.750. Im Bereich der rezeptfreien Selbstmedikation hat der Versandhandel bereits einen zweistelligen Marktanteil erreicht.

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    Nach der Bestätigung des Betriebsverbots für seinen Videoautomaten will DocMorris weitere juristische Schritte prüfen, wie eine Sprecherin mitteilte. Zwar wurde eine Revision nicht zugelassen, DocMorris aber kann Nichtzulassungsbeschwerde einlegen und so vor den Bundesgerichtshof ziehen. Im April hatte das Unternehmen das Verbot als Behinderung der Telepharmazie in ländlichen Orten ohne Apotheke kritisiert.

    Auch Hüffenhardts Rathauschef Neff versteht nicht, warum die Automaten nicht als Alternative für den ländlichen Raum zugelassen werden sollen: „Man könnte es doch als Pilotprojekt laufen lassen.“