Berlin. CSU-Chef Söder fordert einen „Konjunktur-TÜV“. BDI-Präsident Kempf und Städtebund-Geschäftsführer Landsberg dringen auf Investitionen.

Es war ein kleiner Hoffnungsschimmer: Anfang vergangener Woche konnte das Münchner Ifo-Institut verkünden, dass sich die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft erstmals seit einem halben Jahr wieder aufgehellt hat. Der berühmte Geschäftsklimaindex stieg überraschend von 98,7 auf 99,6 Punkte. Zuvor hatte es sechs Rückgänge des Stimmungsbarometers in Folge gegeben.

„Die deutsche Wirtschaft stemmt sich dem Abschwung entgegen“, kommentierte I fo-Präsident Clemens Fuest. Schon einen Tag später vermeldete das Institut dann allerdings, dass die Stimmung unter den deutschen Exporteuren so schlecht ist wie seit sechseinhalb Jahren nicht mehr.

Besonders in der Autoindustrie sind die Aussichten trüb, ein Rückgang der Exporte wird erwartet. Besonders der Handelsstreit zwischen den beiden größten Volkswirtschaften USA und China schürt die Sorge vor einem weltweiten Abschwung.

Nur noch ein Prozent Wirtschaftswachstum

So bleibt das Ifo-Institut auch bei seiner verhaltenen Wachstumsprognose. Die Münchner Wirtschaftsforscher hatten Mitte März ihre Wachstumserwartungen für die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr auf 0,6 Prozent gesenkt.

Der Sachverständigenrat der Bundesregierung schraubte seine Prognose für das Anwachsen des Bruttoinlandsprodukts (BIP) kürzlich auf 0,8 Prozent zurück, die Bundesregierung selbst hatte ihre Schätzung Anfang des Jahres ebenfalls fast halbiert. Sie rechnet jetzt nur noch mit einem Prozent Wirtschaftswachstum.

Hinter den Kulissen wird an Wachstumsstrategien gefeilt

Einige Politiker sind besorgt. Dass die Zeiten des Wachstums und der steigenden Steuereinnahmen vorbei sind, ist Bund und Ländern bewusst. Doch was tun? Braucht es ein Konjunkturpaket? Noch wird in Berlin und den meisten Staatskanzleien offiziell abgewinkt. Doch hinter den Kulissen wird überlegt, was der Staat tun kann, um den Folgen einer deutlichen Konjunktureintrübung entgegenzuwirken.

Ein erster deutlicher Vorschlag kommt nun vom bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder. Er fordert angesichts der Risiken einen „Konjunktur-TÜV“ bei Entscheidungen der Bundesregierung. „Wir dürfen nur Dinge beschließen, die den Menschen und der wirtschaftlichen Entwicklung nutzen“, sagte Söder unserer Redaktion.

Konkret nannte er eine Senkung beim Solidaritätszuschlag und bei der Unternehmensteuer, mehr Geld für Innovation und Forschung, etwa bei künstlicher Intelligenz oder autonomem Fahren. Außerdem plädierte der CSU-Chef für mehr Investitionen in die Bundeswehr. „Steuererhöhungen und soziale Ausgaben mit der Gießkanne wären dagegen konjunkturelles Gift“, warnte der CSU-Chef.

Forderung nach einer nachhaltigen Investitionsoffensive

Der Präsident des Indus­trieverbands BDI, Dieter Kempf, setzt vor allem auf staatliche Anreize. Er appellierte an die Bundesregierung, mehr in die digitale Infrastruktur zu investieren. Außerdem solle in allen Unternehmen die Forschung steuerlich gefördert werden – „unabhängig von der Größe und auf einem wesentlich höheren Niveau als bislang vorgesehen“.

CSU-Chef Markus Söder fordert eine Senkung beim Solidaritätszuschlag und bei der Unternehmensteuer.
CSU-Chef Markus Söder fordert eine Senkung beim Solidaritätszuschlag und bei der Unternehmensteuer. © Getty Images | Sean Gallup

Zugleich kritisierte Kempf, Deutschland sei „ein Höchststeuerland geworden“. „Unsere Unternehmen haben im Aufschwung seit 2009 mehr als eine Billion Euro Steuern gezahlt“, beklagte der BDI-Präsident. Seit zehn Jahren habe es keine nennenswerte Steuerstrukturreform mehr mit Entlastungen für Unternehmen gegeben, stattdessen etliche Mehrbelastungen.

Der Geschäftsführer des Städtebundes, Gerd Landsberg, plädierte ebenfalls für eine nachhaltige Investitionsoffensive über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren. Die Infrastruktur in Deutschland von der Bahn über Straßen, Wege, Plätze, Schulen bis hin zur Breitbandausstattung sei in keinem guten Zustand. Allein der Investitionsrückstand der Kommunen betrage mehr als 159 Milliarden Euro.

Eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland

„Das ist längst nicht nur ein Ärgernis für die Menschen, sondern auch eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, schimpft der Vertreter der Kommunen. Investitionen könnten zusätzliches Wachstum erzeugen und so die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erhöhen, erklärt Landsberg. Dies solle verbunden werden mit einem „echten Bürokratie­abbau“ etwa beim Wohnungsbau.

Landsberg sparte nicht mit Kritik am derzeitigen Kurs der großen Koalition: „Die Politik sollte häufiger der Versuchung widerstehen, immer neue Versprechen zu formulieren“, ohne dass die Umsetzung und die Finanzierung dauerhaft gesichert seien wie zuletzt bei der Ganztagsbetreuung von Kindern in der Grundschule. „Letztlich kann der Staat nur das verteilen, was er vorher den Bürgern über Steuern abgenommen hat.“ Für Steuerentlastungen bestehe angesichts der hohen Staatsverschuldung allerdings „kaum Spielraum“.