Hamburg. Der Fall Relotius hat den „Spiegel“ erschüttert. Aber auch bei der „Zeit“ ist ein Autor durch unsaubere Arbeit aufgefallen.

Die Headline klingt schon fast ein wenig spröde: „Die ,Zeit‘ beendet Zusammenarbeit mit freiem Mitarbeiter“, heißt es in der Überschrift des jüngsten Eintrags von „Glashaus“, dem Transparenz-Blog der Wochenzeitung. Der Inhalt des dann folgenden Textes hat es aber in sich: Der Autor dürfe nicht mehr für „Zeit“ und „Zeit Online“ arbeiten, weil er „gegen die Sorgfaltspflicht und die journalistischen Grundsätze“ des Hauses verstoßen habe.

Dies fiel allerdings erst auf, nachdem das Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) herausgefunden hatte, dass eine Protagonistin in einer Geschichte, die der Mann für die Beilage geschrieben hatte, frei erfunden war. Diese Entdeckung macht das „SZ-Magazin“ noch vor Veröffentlichung der Story. Der Journalist darf dort nicht mehr publizieren. Der Online-Dienst „Meedia“ berichtete vor gut zwei Wochen zuerst über diesen Fall.

Nach Angaben von „Glashaus“ informierte der Autor die „Zeit“ über den Vorfall beim „SZ-Magazin“. Er habe die Redaktion zudem „bei der Überprüfung“ seiner Artikel „aktiv unterstützt“.

„Schludrigkeiten“ und „Unsauberkeiten“

Insgesamt habe es sich dabei um „30 Beiträge für ,Zeit Online‘ und elf Texte für die ,Zeit‘“ gehandelt, die zwischen 2015 und 2018 erschienen. In elf dieser Stücke habe die Redaktion Ungereimtheiten entdeckt: „Neben Schludrigkeiten und Unsauberkeiten waren auch einige Fehler darunter, die offenbar die Dramaturgie der Beiträge unterstützen sollten“, heißt es auf „Glashaus“.

So seien in einer Reportage Ereignisse, die sich an mehreren Tagen zugetragen hätten, auf einen Tag verdichtet worden. In einem anderen Stück habe der Autor Einrichtungsstücke zweier Zimmer vertauscht. Er habe beteuert, in allen der nun aufgedeckten Fälle „ohne Täuschungsabsicht“ gehandelt zu haben.

Betroffen von der Affäre ist auch der „Spiegel“, wo 2018 ein Fälschungsskandal um den damaligen Redakteur Claas Relotius aufflog. Wie der Verlag bereits vor gut zwei Wochen mitteilte, haben das Nachrichtenmagazin und „Spiegel Online“ auch 43 Texte des jetzt von der „Zeit“ beschuldigten freien Journalisten veröffentlicht.

Eine Geschichte in zwei Varianten?

Auf Anfrage bestätigt ein Verlagssprecher nun, man habe „beschlossen, dem Autor keine weiteren Aufträge zu erteilen“. Auch darüber hatte „Meedia“ zuerst berichtet. Der Online-Dienst glaubt, ihm nachweisen zu können, zumindest in einem Fall für den „Spiegel“ unsauber gearbeitet zu haben. Dabei geht es um eine Geschichte, die im August 2018 in der Rubrik „Homestory“ erschien. Sie dreht sich um ein kleines Mädchen, das sich in Berlin auf dem Weg zum Tanzunterricht verlaufen hat. Der Autor spricht es an und bringt es nach Hause.

Diese Story hatte er bereits im Dezember 2015 im Berliner „Tagesspiegel“ veröffentlicht. Allerdings in einer anderen Variante: „Im ,Spiegel‘ heißt das Mädchen Emily, im ,Tagesspiegel‘ Annelie“, schreibt „Meedia“. Die eine Geschichte spiele im Sommer, die andere im Winter. In der „Spiegel“-Variante hält das Kind „eine ,Skizze‘ mit dem Weg zur Tanzschule“ in der Hand, „im ,Tagesspiegel‘ hat es ,keinen Zettel (…) wo das Tanzen stattfindet‘“.

Womöglich trennte sich der „Spiegel“ auch wegen dieses Artikels von dem Autor. Der „Tagesspiegel“ hat laut „Meedia“ aber „keine begründeten Zweifel“ an dessen Wahrheitsgehalt.