Hamburg. Bislang bewegt sich der Hausgerätehersteller Miele vor allem im Premiumbereich. Jetzt aber soll es auch Modelle für Einsteiger geben.

Die Produkte der Marke Miele kennt jeder Deutsche: Waschmaschinen, Geschirrspüler, Staubsauger. Dass die Familien der beiden Gründer Carl Miele und Reinhard Zinkann das seit 120 Jahren bestehende Unternehmen noch immer besitzen und leiten, ist hingegen weit weniger bekannt – dabei gehören die beiden Familien mit einem geschätzten Vermögen von jeweils etwa 3,2 Milliarden Euro zu den reichsten Deutschen.

Miele mit Familienstreitigkeiten

Längst nicht immer geht so etwas so lange gut, wie die Konflikte unter den Familienstämmen etwa bei Porsche, Bahlsen oder Oetker zeigen. Dem Urenkel des Miele-Mitgründers, der genau wie sein Vorfahr Reinhard Zinkann heißt, ist das durchaus bewusst. „Die beiden Familien wissen, dass sie nur gemeinsam erfolgreich sein können“, sagte er. „Im früheren Büro von Carl Miele hängt sogar noch dieser alte Kalenderspruch, nach dem sich die Familien immer gerichtet haben: ,Friede ernährt, Unfrieden verzehrt‘.“

Geschirrspüler und Herde am umsatzstärksten

Zinkann führt den Gütersloher Hausgerätekonzern gemeinsam mit Markus Miele – und das offenbar so erfolgreich, dass die Firma einer Umfrage des Wirtschaftsmagazins „Bilanz“ unter gut 1400 Führungskräften zufolge das angesehenste aller in Deutschland tätigen Unternehmen ist. In den zurückliegenden Geschäftsjahren ist der Umsatz kontinuierlich auf zuletzt 4,1 Milliarden Euro gewachsen.

Dabei sind nicht etwa die Waschmaschinen, sondern Küchen-Großgeräte wie Geschirrspüler und Herde die umsatzstärkste Produktkategorie. Gefertigt werden die diversen Miele-Erzeugnisse noch immer überwiegend in Deutschland; acht der insgesamt zwölf Werke stehen hierzulande, und mehr als die Hälfte der gut 20.000 Beschäftigten sind im Inland tätig.

Geräte werden auf 20 Jahre Lebensdauer getestet

Von den Wettbewerbern will sich Miele nicht zuletzt durch die Langlebigkeit der Produkte absetzen. „Geräte wie etwa unsere Waschmaschinen, Trockner oder Geschirrspüler sind auf 20 Jahre Lebensdauer getestet“, sagt Zinkann. Selbst die Elektronikkomponenten kommen aus eigenen Werken: „Wir haben eine sehr große Fertigungstiefe, weil es nicht leicht ist, Zulieferer zu finden, die unsere Qualitätsanforderungen umfassend erfüllen.“

Allerdings setzt sich Miele eben auch beim Preis von der Konkurrenz ab. Jüngstes Extrembeispiel dafür ist der seit 2018 erhältliche „Dialoggarer“ für nicht weniger als 8000 Euro. Mit einer neuartigen Mikrowellentechnik kann er einen Fisch in einem Eisblock garen, ohne das Eis dabei zu schmelzen.

„Manche Menschen kaufen sich für 8000 Euro eine komplette Küche, das ist uns durchaus bewusst“, räumt Zinkann ein. Zur Unternehmensstrategie gehört es daher nun auch, durch „attraktive Einstiegsgeräte“ neue, jüngere und nicht ganz so finanzkräftige Kundengruppen anzusprechen. Noch immer aber kostet die günstigste Miele-Waschmaschine 869 Euro, immerhin rund 600 Euro mehr als die billigsten Markenprodukte der Konkurrenten.

„Aber auch wir dürfen uns nicht allzu weit vom Markt entfernen“

Deren Hersteller sind Konzerne, die ein Mehrfaches des Miele-Umsatzes erzielen und über zahlreiche Werke in Niedriglohnländern verfügen. „Die Menschen wissen, dass Qualität nicht nur ihren Wert hat, sondern auch ihren Preis“, sagt Zinkann mit Blick auf die Wettbewerbsposition.

„Aber auch wir dürfen uns nicht allzu weit vom Markt entfernen.“ Wohl auch in diesem Zusammenhang hat Miele unlängst ein Sparprogramm angekündigt, um mit diesem die Kosten weltweit um deutlich mehr als 100 Millionen Euro zu senken.

„Wir denken nicht in Quartalsberichten“

Wie dringlich das ist, lässt sich außerhalb des inzwischen rund 80 Personen umfassenden Gesellschafterkreises kaum einschätzen. Denn zum Gewinn heißt es lediglich, Miele arbeite nach wie vor „ertragsauskömmlich“ – so lautet die traditionelle Formulierung.

„Wir denken nicht in Quartalsberichten, sondern in Generationen“, sagt Zinkann. Klar ist aber: Um die hohen Preise auch weiterhin rechtfertigen zu können, muss das Unternehmen innovativ bleiben. Die Voraussetzungen dafür sind nach Einschätzung des Geschäftsführers nicht schlecht: „Dass wir unsere Elektroniken selbst entwickeln und produzieren, verschafft uns einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Anbietern, die diese zukaufen.“

Oberstes Ziel: Miele soll im Besitz der Familien bleiben

Einen Saugroboter, der Bilder aus der Wohnung live auf das Smartphone des Besitzers überträgt, hat die Firma bereits im Programm. „In Zukunft werden sich die Geräte auch selbst beim Kundendienst melden können, wenn ein technisches Problem droht – aber natürlich nur dann, wenn der Kunde dies auch möchte“, so Zinkann.

Eines aber soll sich nicht ändern: „Oberstes Ziel ist, dass Miele ein unabhängiges Familienunternehmen bleibt.“ Dazu müssen die beiden Familien weiter an einem Strang ziehen. Zwar halten die Mieles gut 51 Prozent der Anteile und könnten daher die Zinkanns mit ihren knapp 49 Prozent überstimmen.

Familientradition verpflichtet

Das soll jedoch möglichst Theorie bleiben: „Seit ich 1999 in die Geschäftsführung eingetreten bin, habe ich keine Entscheidung erlebt, die nicht einstimmig gefallen wäre“, sagt Zinkann, der mit einer Hamburgerin verheiratet ist und einen 23-jährigen Sohn aus erster Ehe hat. Bevor Zinkann 1992 im Unternehmen anfing, hat der promovierte Betriebswirt einige Jahre lang Erfahrungen bei BMW gesammelt. Auch wenn er von dieser Zeit noch immer gern spricht, fühlt er sich der Familientradition absolut verpflichtet: „Was ich von meinem Vater geerbt habe, betrachte ich nur als Leihgabe an die nächste Generation.“

Zinkann weiß, dass die Nachfolge gerade in einem Mehrfamilienunternehmen zum Streitpunkt werden kann. Bereits seit Jahrzehnten sei präzise geregelt, „unter welchen Bedingungen Mitglieder der Inhaberfamilien in die Firma eintreten können“. Große Kontinuität gibt es aber nicht allein bei den Gesellschaftern – auch in der Belegschaft: „Gerade hat mir ein Auszubildender erzählt, dass er die sechste Generation seiner Familie bei Miele ist.“