Berlin. Beim „Spiegel“ läuft die Aufarbeitung des Fälschungsskandals um Claas Relotius. Ein Bereich des Magazins steht besonders unter Druck.

Der vergangene Montag markiert eine nicht unwichtige Etappe bei der Aufarbeitung der Affäre um den einstigen „Spiegel“-Redakteur Claas Relotius. Der Journalist hatte in dem Magazin jahrelang teilweise oder komplett gefälschte Artikel veröffentlicht.

Am Montag nahm nun eine dreiköpfige Kommission, bestehend aus zwei „Spiegel“-Redakteuren und der ehemaligen Chefredakteurin der „Berliner Zeitung“ Brigitte Fehrle ihre Arbeit auf. Sie soll klären, wie es zu dem Skandal kommen konnte.

Erste personelle Konsequenzen hatte es schon vorher gegeben: Der Dokumentar, der für das Gesellschaftsressort arbeitete, für das Relotius schrieb, hat nach Angaben aus Redaktionskreisen ein Vorruhestandsangebot angenommen.

Unklar ist, ob – wie manche „Spiegel“-Mitarbeiter ebenfalls berichten – dabei sanfter Druck auf ihn ausgeübt wurde. Der Dokumentar war für einen Kommentar nicht zu erreichen. Der „Spiegel“ teilte mit, man äußere sich nicht zu „einzelnen Vertragsverhältnissen“.

„Spiegel“-Dokumentation in der Kritik

Dass es Konsequenzen in der Dokumentation des Nachrichtenmagazins geben würde, zeichnete sich seit Erscheinen des Stückes „Die gefälschte Stadt“ von Christoph Scheuermann Ende Dezember ab. Darin erzählt der „Spiegel“-US-Korrespondent, wie er die amerikanische Kleinstadt Fergus Falls besucht, die Relotius in einem seiner Artikel als Hochburg von Anhängern Donald Trumps porträtiert hatte.

An Relotius’ Geschichte stimmte fast nichts. Laut Scheuermann hätte ein aufmerksamer Dokumentar zumindest einige der Fehler entdecken können: So behauptete Relotius beispielsweise, die Einwohner von Fergus Falls hätten 40 Jahre lang stets mehrheitlich demokratische Präsidentschaftskandidaten gewählt. Tatsächlich wählten sie bereits 2012 den Republikaner Mitt Romney. Scheuermanns Fazit: In der Dokumentation sei „viel schiefgelaufen“.

Wohl nicht nur bei dieser Relotius-Geschichte. „Spiegel“-Redakteure berichten, dass auch bei anderen seiner Stücke in der Dokumentation die Alarmglocken hätten schrillen müssen. Deshalb stehe der langjährige Dokumentations-Chef Hauke Janssen unter großem Druck. Auch dazu mag der „Spiegel“ sich nicht offiziell äußern.

Claas Relotius galt als unantastbar

Im „Spiegel“ hatte das Gesellschaftsressort einen Sonderstatus. Sein Dokumentar saß nicht wie die meisten seiner Kollegen in der Dokumentation, sondern auf demselben Flur wie die Redakteure des Ressorts. Ressortleiter Matthias Geyer ließ sich nur ungern reinreden.

Der von ihm besonders geförderte Jungstar Relotius galt als unantastbar. Wohl auch deshalb schrieb der „Spiegel“-Redakteur Ullrich Fichtner, auch er ein Förderer Relotius’, der Reporter Juan Moreno, der die Fälschungen letztlich aufdeckte, sei zunächst „durch die Hölle“ gegangen.

Eigentlich sollten die beiden Relotius-Förderer Fichtner und Geyer aufsteigen. Fichtner war als Mitglied der Chefredaktion, Geyer als Blattmacher vorgesehen. Doch ihre neuen Ämter lassen beide ruhen, bis die Aufklärungskommission ihre Arbeit beendet hat.

Claas Relotius gibt Preise und Preisgelder zurück

Eine Auszeit als Gesellschaftsressortleiter muss der umstrittene Geyer zur Verblüffung mancher „Spiegel“-Kollegen aber nicht nehmen. So will es Chefredakteur Steffen Klusmann. Auch eine weitere Entscheidung Klusmanns stieß manchem sauer auf.

„Spiegel“-Redakteur Clemens Höges, der die Aufklärungskommission leitet, wird vorübergehend Blattmacher, den Job, den ursprünglich Geyer übernehmen sollte. Nun gilt Höges als äußerst integer. Doch in der Außenwahrnehmung wirkt Klusmanns Entscheidung schon etwas seltsam.

Derweil hat Relotius nicht nur die Preise zurückgegeben, mit denen seine gefälschten Geschichten ausgezeichnet wurden. Der Ulrich-Wickert-Stiftung, die ihn mit dem Peter-Scholl-Latour-Preis ehrte, hat er das Preisgeld in Höhe von 6000 Euro zurückgezahlt.

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