Berlin. Ein erfundener Abschluss, ein falsches Zeugnis: 30 Prozent der Lebensläufe sind nach Schätzung gefälscht. Das kann vor Gericht enden.

Ausgerechnet ein Kunde deckte den Betrug auf: Weil er mit den Leistungen seines Geschäftspartners unzufrieden war, sah er sich dessen Visitenkarte etwas genauer an. Den akademischen Titel, der dort stand, kannte er nicht.

Und tatsächlich: Eine kurze Recherche ergab, dass der gut klingende Abschluss weder in den USA noch in Deutschland anerkannt ist. Der Geschäftspartner hatte die gute Ausbildung nur vorgetäuscht. Sein Arbeitgeber, eine mittelständische Logistikfirma, war blamiert. Der Kunde war empört. Der Auftrag ging an die Konkurrenz.

Ob erfundene Abschlüsse oder manipulierte Lebensläufe – immer öfter stimmen die Angaben von Firmenmitarbeitern oder von Bewerbern auf eine freie Stelle nicht mit der Realität überein. „Etwa zehn Prozent der Lebensläufe enthalten handfeste Manipulationen“, schätzt Dirk Bürhaus, Geschäftsführer der Firma German Business Protection (GBP), einer Tochter des Sicherheitsunternehmens Kötter.

Zähle man harmlosere Schwindeleien hinzu, seien es sogar 30 Prozent der Lebensläufe, die nicht völlig korrekt sind. „Der Vertrauensschaden ist groß“, sagt Bürhaus. „Auch finanzielle Schäden können entstehen, wenn ein Unternehmen nicht weiß, wer der neue Mitarbeiter wirklich ist.“

In diesem Fall manipulieren Stellenbewerber am häufigsten

Personalberater bestätigen die Schätzung der Sicherheitsexperten. In einer Umfrage des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater (BDU) gaben 35 Prozent der Mitgliedsfirmen an: „In den vergangenen Jahren haben Versuche der Kandidaten zugenommen, die eigenen Bewerbungsunterlagen zu manipulieren.“

Damit gehört das Phänomen zwar nach wie vor nicht zu den Trends, die den Personalberatern besonders große Sorgen bereiten. Aber: „Geschönte oder manipulierte Lebensläufe haben einen nennenswerten Anteil im Tagesgeschäft“, sagt beispielsweise Wolfram Tröger, Vorsitzender des Fachverbands Personalberatung im BDU und selbst Geschäftsführer einer Beratungsfirma.

Am häufigsten greifen Mitarbeiter oder Stellenbewerber in ihren Lebenslauf ein, wenn es darum geht, Zeiten von nur kurzer Beschäftigungsdauer zu kaschieren. Das funktioniert beispielsweise so, dass im Lebenslauf nur die Jahreszahlen stehen, nicht aber die exakten Monate, in denen eine Stelle angetreten oder verlassen wurde. „Dahinter kann mangelnde Leistung, geringe soziale Kompetenz oder schlicht Fehlverhalten stehen“, sagt GBP-Geschäftsführer Bürhaus.

Er warnt: „Wenn die Kündigungsgründe vorheriger Jobs nicht klar sind, ist das eine potenzielle Gefahr.“ Bürhaus nennt als Beispiel strafrechtliche Risiken, falls ein Bewerber bei seinem alten Arbeitgeber wegen Korruption oder Diebstahl gehen musste: „Niemand will einen Verantwortlichen für den Einkauf einstellen, der sich schon einmal hat bestechen lassen.“ Aber auch fehlendes Know-how könne im Unternehmen oder bei Kunden zumindest finanziellen Schaden anrichten und den Ruf beschädigen.

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    Unternehmen gehen bei Einstellung von Personal Risiken ein

    Es gehe nicht darum, alle Bewerber unter Generalverdacht zu stellen, sagt Bürhaus’ Kollege Alexander Krause. Aber es werde derzeit immer wahrscheinlicher, dass ein Unternehmen bei der Einstellung von neuem Personal gewisse Risiken eingehe: „Der große Bedarf an Fachkräften und der zunehmend leerer werdende Arbeitsmarkt führen dazu, dass viele Firmen nicht mehr genau hinschauen, wen sie einstellen“, sagt Krause.

    „Der Bewerbermarkt wird enger. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, jemanden einzustellen, der an seinem Lebenslauf gedreht hat.“ Vor allem Mittelständler hätten noch wenig Bewusstsein dafür entwickelt, dass und wie stark sie sich mit falschen Bewerbern schaden könnten.

    Personalberater Tröger meint, dass vor allem die technische Entwicklung dazu führe, dass Lebensläufe und Dokumente manipuliert würden: „Es ist heute so leicht wie nie zuvor, Unterlagen zu verändern“, sagt er. „Sie können sich den Briefkopf einer Hochschule oder einer Ausbildungsstelle im Internet kopieren oder die richtige Unterschrift aus dem Geschäftsbericht kopieren.“

    Neulich habe ihm die Urkunde für den Abschluss einer Ausbildung vorgelegen, die zwar die richtige Unterschrift gehabt habe. Aber: Sie stand ursprünglich auf einer Einladung zu dieser Ausbildungsveranstaltung – und die hatte der Bewerber nie besucht. „Das ist Urkundenfälschung. Der Kandidat muss sich jetzt vor Gericht verantworten“, sagt Tröger.

    In einem anderen Fall bat er um die Originale der nur in Kopie vorliegenden Zeugnisse – doch plötzlich hatte der Bewerber kein Interesse mehr an der Stelle. Weshalb Menschen ihren Lebenslauf oder ihre Unterlagen manipulieren, vermag keiner der Experten genau sagen. Oft ist es das Ziel, eine bessere Stelle oder ein höheres Gehalt zu bekommen.

    Referenzen von früheren Arbeitgebern einfordern

    Oft wollen die Kandidaten aber auch nicht zugeben, dass der vergangene Arbeitgeberwechsel fehlgeschlagen ist und sie den neuen Job früh wieder verlassen haben – aus welchen Gründen auch immer. Um böse Überraschungen zu vermeiden, müssten Unternehmen genau auf die Unterlagen schauen und Daten genau vergleichen, lautet der Rat der Sicherheitsfirma GBP.

    Einige Hochschulen oder Ausbildungsstellen geben Prüfungszeugnisse schon nach einmaliger Anfrage heraus, andere nur bei begründetem Interesse, wieder andere gar nicht. Referenzen von früheren Arbeitgebern können helfen, dürfen aber nur mit der Zustimmung eines Bewerbers angefragt werden.

    Eine immer größere Bedeutung gewinnen inzwischen elektronische Testverfahren. So gibt es Software, die angeblich allein aus der Stimme von Menschen Rückschlüsse auf ihr Verhalten und ihre Eigenschaften zulässt. Andere Online-Tests versprechen Erkenntnisse über Loyalität und Integrität. „Der Einsatz eines solchen Tests ist erlaubt und kann speziell bei sensiblen Fach- und Führungspositionen eine gezielte Unterstützung zum klassischen Bewerber-Check sein“, sagt Sicherheitsexperte Krause.

    Negative Ergebnisse müssten dabei kein Ausschlusskriterium sein. Die Personalverantwortlichen könnten dann besser entscheiden, wo und wie jemand eingesetzt werde. „Grundsätzlich geeignete Bewerber komplett abzulehnen, kann sich heute kein Unternehmen mehr leisten“, sagt Krause.