Brüssel. Der EU-Rechnungshof legt seinen Jahresbericht vor: Die Fehlerquote sinkt, aber strukturelle Probleme bei der EU-Förderung bleiben.

Die Aussicht auf europäische Fördergelder machte die Bauernfamilie erfinderisch. Eigentlich sollten die EU-Prämien die Rinderzucht unterstützen, indem Bauern Geld erhalten für den Kauf von Kühen aus anderen Beständen, sofern die Tiere noch nicht gekalbt hatten. Doch die Landwirtsfamilie aus Polen teilte einfach ihre Milchviehherde in zwei Bestände auf, eine für den Vater und eine für den Sohn.

Dann verkaufte der Sohn dem Vater die Färsen und kassierte dafür EU-Fördermittel. Anschließend verkaufte der Vater dem Sohn diese Kühe zurück. Wieder gab es Fördermittel, obwohl sich im gemeinsamen Kuhstall überhaupt nichts geändert hatte. Erst eine Kontrolle durch den Europäischen Rechnungshof deckte den falschen Kuhhandel auf.

Bei regionaler Strukturförderung wird weniger getrickst und geschlampt

Kein Einzelfall, wie der neue Jahresbericht des Rechnungshofs zeigt, der an diesem Donnerstag im EU-Parlament vorgestellt wird. Bei der Verwendung der Milliardengelder, die die EU jährlich vor allem für die regionale Strukturförderung und die Agrarpolitik ausgibt, wird mitunter getrickst, mitunter geschlampt.

Allerdings stießen die Prüfer insgesamt auf weniger Unregelmäßigkeiten als in früheren Jahren: Die Fehlerquote, die bei Stichproben ermittelt wurde, beträgt insgesamt 2,4 Prozent – im Jahr zuvor hatte sie noch bei 3,1 Prozent gelegen. „Die Kontrollsysteme auf nationaler Ebene sind besser geworden“, sagte Rechnungshof-Präsident Klaus-Heiner Lehne. Doch die Bilanz ist durchwachsen.

Zollbetrug bei Einfuhren aus Drittstaaten

Die Prüfer entdeckten 13 derart gravierende Fälle, dass sie das EU-Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) einschalteten – die Behörde wiederum meldet für das vergangene Jahr die Rückforderung von drei Milliarden Euro vor allem aus den EU-Strukturfonds. Der Rechnungshofbericht listet einerseits merkwürdige Einzelfälle auf: So kassierte Frankreich etwa Geld für die Neuansiedlung von Flüchtlingen, die es gar nicht aufgenommen hat.

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    Stutzig machte Prüfer auch eine Aktion der EU, die Wahlen im westafrikanischen Guinea-Bissau zu unterstützen, indem Brüssel Wahlurnen und Stimmzettel lieferte. Doch die Transportkosten waren mit fast 300.000 Euro doppelt so hoch wie der Wert der Waren, rügt der Rechnungshof.

    Zollbetrug wird nur unzureichend verfolgt

    Aber es gibt es auch strukturelle Probleme, die weit größere Schäden anrichten: Der Rechnungshof moniert, dass die EU-Staaten Zollbetrug bei Einfuhren aus Drittstaaten nur unzureichend verfolgen. Textilien und andere Waren, die nach Europa kommen, würden zum Teil systematisch zu gering bewertet, wodurch Milliarden an Zolleinnahmen verloren gehen.

    Allein im Fall Großbritannien, dem eine Klage der EU-Kommission droht, beträgt der Schaden über zwei Milliarden Euro. Als problematisch erweist sich die milliardenschwere Förderung ökologischer Landwirtschaft, für die die Prüfer „hohe Mitnahmeeffekte“ bei gleichzeitig „geringen Anforderungen“ feststellen.

    Viele Fördermittel werden nicht abgerufen

    Und bei den Fonds zur regionalen Strukturförderung, die auch für Deutschland eine bedeutende Rolle spielen, moniert der Rechnungshof eine vergleichsweise hohe Zahl von Unregelmäßigkeiten. Nur bei einem Drittel der untersuchten Projekte wurden die Ziele vollständig erreicht.

    Erneut besorgt äußerte sich Lehne zu den hohen Rückständen beim Abfluss von EU-Fördermitteln. 270 Milliarden Euro sind zugesagt, werden aber von den Mitgliedstaaten nicht abgerufen – mangels förderfähiger Projekte, Verwaltungsproblemen oder fehlender Kofinanzierung. „Wir schieben bei den Fördermitteln eine gewaltige Bugwelle vor uns her“, sagte Lehne. „Dieses Problem muss man endlich angehen.“