Berlin. Viele Arbeitnehmer wünschen sich Flexibilität. Darauf müssen Arbeitgeber Rücksicht nehmen. Das bedeutet Freiheit – und Verantwortung.

Das Kind ist krank und es fehlt die Betreuung? Der Wochenendpendler will am fünften Arbeitstag bei der Familie sein? Das Schulkind soll am Nachmittag nicht immer ganz allein bleiben? Zwischen den klingelnden Telefonen und dem allgemeinen Gemurmel im Großraumbüro fällt es schwer, sich zu konzentrieren?

Was früher einen Arbeitnehmer schon mal vollständig aus dem Konzept warf, muss heute kein Thema mehr sein. Dank Internet und Mobilfunk lässt sich nahezu jeder Büro-Arbeitsplatz an den heimischen Küchentisch oder ins nächste Café verlagern. So lassen sich lange Arbeitswege sparen und das Familienleben retten.

Was so toll und unkompliziert klingt, hat aber durchaus Tücken, stellt nun das Institut der Deutschen Wirtschaft in einer Studie fest. Denn auch der Arbeitstag zu Hause will organisiert sein – anders als im Büro locken eine Menge Ablenkungen: Der fertige Trockner piept, die Schwiegermutter hat weniger Hemmungen anzurufen, der Paketbote hinterlässt Bestellungen der Nachbarn, und vor allem: Kinder schaffen es nur selten, ihre Eltern in Ruhe zu lassen.

Obendrein wird den zu Hause arbeitenden Müttern (manchmal auch Vätern) gerne mehr Hausarbeit aufgebrummt. Und zumindest bei kleinen Kindern funktioniert auch das Home-Office nicht ohne Betreuung. Ansonsten gipfelt der Spagat zwischen Arbeit und Familie noch schneller im Burn-Out als der geregelte Büroalltag. Denn wer Nachmittage verbringt, um Kinder zu Sport und Musikunterricht zu fahren, wird noch am späten Abend den Laptop anschalten müssen. Läuft es schlecht, bleibt gar keine Erholungsphase am Tag übrig.

Arbeitnehmer haben Wunsch nach mehr Flexibilität

Dennoch: Der Wunsch nach mehr Flexibilität im Arbeitsleben ist ungebrochen. Darauf müssen die Arbeitgeber einfach Rücksicht nehmen und noch viel häufiger als bisher schon im Arbeitsvertrag feste Homeoffice-Tage zugestehen.

Das bedeutet mehr Freiheit, aber eben auch mehr Verantwortung. Wer aus dem Korsett der 40-Stunden-Woche im Büro herauswill, muss auf der anderen Seite in Kauf nehmen, dass sich Privat- und Berufsleben vermischen.

In den sozialen Medien ist das ohnehin längst der Fall. Mal sind es Urlaubsbilder, die gepostet werden, mal Unternehmensnachrichten oder der Verlauf der letzten Dienstreise. Angestellte checken auf dem Fußballplatz ihre Dienst-E-Mails und während des Kundengesprächs die WhatsApp-Nachrichten der Familie. Kollegen erfahren mehr vom Privatleben, Freunde mehr vom Berufsleben.

Zeit der Dogmen in der Arbeitswelt ist vorbei

Nicht nur Arbeitnehmer sollten akzeptieren, dass ihr Privatleben vom Job tangiert wird: Auch der Arbeitgeber sollte Privatleben im Arbeitsalltag zulassen – doch das kommt immer noch zu kurz. Oft genug wird den Mitarbeitern noch nicht einmal zugestanden, das Diensthandy privat zu nutzen – der Flatrate mit dem Mobilfunkanbieter zum Trotz.

Erst recht schaffen es viele Arbeitgeber nicht, ihre Angestellten in die freie Zeiteinteilung zu entlassen. Das ist Ausdruck von Gängelei und Misstrauen. Dabei ist es ist nicht mehr aufzuhalten: In Zukunft wird es mehr und mehr auf Ergebnisse, auf erreichte Ziele ankommen und weniger auf Arbeitszeit und -ort. Wer geschickt und effizient damit umgeht, kann beruflich davon profitieren, ohne privat ausgelaugt zu werden.

Wer dazu neigt, sich zu verzetteln und den roten Faden der Arbeit zu verlieren, hat es unter Umständen durch mobiles und flexibles Arbeiten noch schwerer, die Aufgaben zu bewältigen. Im Zweifel sollte dann der Schreibtisch im klassischen Büro bleiben – und die Familie daheim. Die Zeit der Dogmen in der Arbeitswelt ist jedenfalls vorbei.