Berlin. Die gute Konjunktur lässt die Zahl der Privatinsolvenzen weiter sinken. Je nach Wohnort sind die Unterschiede jedoch groß. Die Details.

Zum neunten Mal in Folge sinkt die Zahl der Privatinsolvenzen in Deutschland. Im ersten Halbjahr 2018 gab es 42.846 Fälle (-5,1 Prozent im 1. Halbjahr 2017), in denen Bürger in die private Pleite geraten sind. Das geht aus Zahlen der Wirtschaftsauskunftei Crifbürgel hervor, die am Donnerstag veröffentlicht werden und unserer Redaktion exklusiv vorab vorliegen. Doch abseits des allgemeinen Rückgangs gibt es regionale Unterschiede: Bei Privatinsolvenzen herrscht ein deutliches Nord-Süd-Gefälle in Deutschland.

Der Grund für den Rückgang der Privatinsolvenzen sieht Crifbürgel in der guten konjunkturellen Lage und damit einer niedrigen Arbeitslosigkeit. Diesen positiven Umstand registriert auch Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD). „Die Insolvenzzahlen sind nicht nur im Verbraucherbereich, sondern auch im Unternehmensbereich rückläufig und damit Ausdruck einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland“, sagte Barley unserer Redaktion. Arbeitslosigkeit und gescheiterte Selbstständigkeiten gelten als Hauptgründe für das Abrutschen in die Insolvenz. Weil die Konjunktur sich weiterhin gut entwickelt, rechnet das Unternehmen auch für 2019 mit einem Absinken der Anzahl von Privatpleiten.

Doch nicht überall entwickeln sich die Zahlen gleich gut. Es zeigt sich, dass in Bundesländern mit tendenziell höherer Arbeitslosigkeit auch mehr Privatinsolvenzen zu verzeichnen sind. So hat Bremen die meisten Privatinsolvenzen je 100.000 Einwohner (Arbeitslosenquote August: 9,8 Prozent), während Bayern und Baden-Württemberg (Arbeitslosenquote August: 3,3 Prozent) relativ gut dastehen. Sachsen (+ 7,5 Prozent) und Hessen (+4,9 Prozent) sind die einzigen Länder, in denen es im Vergleich zum Vorjahr mehr Insolvenzen gegeben hat. Diese Liste zeigt die Privatinsolvenzen aller Bundesländer je 100.000 Einwohner:

  1. Bremen: 78 (Gesamt: 530)
  2. Hamburg: 75 (1363)
  3. Schleswig-Holstein: 73 (2110)
  4. Saarland: 72 (717)
  5. Niedersachsen: 69 (5477)
  6. Sachsen-Anhalt: 62 (1392)
  7. Mecklenburg-Vorpommern: 61 (994)
  8. Brandenburg: 60 (1497)
  9. Nordrhein-Westfalen: 56 (10.105)
  10. Berlin: 56 (1996)
  11. Sachsen: 51 (2091)
  12. Thüringen: 49 (1068)
  13. Rheinland-Pfalz: 46 (1867)
  14. Hessen: 42 (2613)
  15. Bayern: 38 (4869)
  16. Baden-Württemberg: 38 (4157)

Wie Schuldner in die Privatinsolvenz geraten

Für viele Bürger ist der Weg in die Privatinsolvenz kurz, der Weg heraus, aber oft lang. Laut Crifbürgel verschulden sich die meisten Insolventen bei Versandhändlern, Telefongesellschaften, Banken, Versicherungen, Energieversorgern, Vermietern oder Behörden. Die Durchschnittsschuldenhöhe der Betroffenen liegt in der Summe bei rund 31.000 Euro.

Bevor jedoch ein privates Insolvenzverfahren angestrengt wird, muss der Schuldner versuchen, sich außergerichtlich mit den Gläubigern zu einigen. Gibt es keine Einigung, ist er gesetzlich dazu verpflichtet, sein Bemühen schriftlich festzuhalten. Konkret heißt das: Der Zahlungsunfähige braucht beispielsweise ein Schreiben von seiner Bank, dem Anbieter seines Handyvertrages oder des Stromanbieters, wenn er die Privatinsolvenz beantragen will. Mit dieser Bescheinigung kann er beim zuständigen Amtsgericht das Privatinsolvenzverfahren beantragen.

So läuft die Privatinsolvenz ab

Während des Verfahrens muss der Schuldner alle Schulden, sein Einkommen, seine Wohnsituation und Lebensverhältnisse offenlegen und dem Insolvenzverwalter Änderungen mitteilen. Nur wer innerhalb von drei Jahren 35 Prozent der Schulden abbezahlt, kann das Insolvenzverfahren nach drei Jahren beenden. Wer das nicht schafft, muss fünf bis sechs Jahre warten, bis ihm die Restschulden erlassen werden.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) fordert eine Verkürzung der Insolvenzverfahren auf drei Jahre. Nach Ansicht der Juristenvereinigung soll dann schon die komplette Restschuld erlassen werden. Laut DAV kosten die Verfahren Millionen von Euro, die Gläubiger würden in rund 75 Prozent der Fälle aber am Ende leer ausgehen.

Im Justizministerium (BJMV) gibt es Bestrebungen, die Restschuldbefreiung zu verkürzen. „Derzeit prüft das BMJV auf der Grundlage des kürzlich vorgelegten Evaluationsberichts zum geltenden Restschuldbefreiungsrecht, ob und in welchem Umfang Regelungsbedarf besteht“, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage unserer Redaktion. Das Justizministerium hat den Handlungsbedarf auch in einem Evaluationsbericht festgehalten. Doch wann es zu einer Gesetzesänderung kommt, ist offen. So hat auch die EU-Kommission für eine europaweite Neuregelung von Insolvenzverfahren vorgelegt, der die Bundesregierung nicht vorgreifen wird. (mit Material von dpa)