Düsseldorf. Mit dem angekündigten Verkauf der Real-Supermärkte trennt sich der Metro-Konzern von seinem letzten Standbein abseits des Großhandels.

Warenhäuser, Elek­tronikmärkte, Lebensmittel-Großhandel: Der Düsseldorfer Metro-Konzern war noch vor wenigen Jahren breit aufgestellt. Seitdem läuft der große Ausverkauf von Bereichen, die einst die Hälfte des gesamten Geschäfts ausmachten: 2012 trennte sich Metro von den Real-Märkten in Osteuropa, 2014 von den Filialen in der Türkei. Wenig später folgte der Verkauf von Galeria Kaufhof an den kanadischen Warenhauskonzern HBC.

Ein Paukenschlag war die Abspaltung der Elektronikhändler Saturn und Media-Markt in die Ceconomy AG im Jahr 2017. Jetzt folgt mit dem angekündigten Verkauf der Real-Märkte der nächste radikale Einschnitt. Der Konzern kehrt damit zu seinen Wurzeln zurück: Dem Großhandel in den Metro Cash-&-Carry-Märkten.

An den Börsen erzielte Metro-Chef Olaf Koch mit seiner Ankündigung zum Wochenschluss Wirkung. Die Aktie des Handelskonzerns legte um drei Prozent zu. Was aus den 34.000 Mitarbeitern in den 282 Real-Filialen wird, blieb unterdessen völlig unklar.

Analysten handeln Amazon als heißen Kandidaten

„Ich schließe keinen Interessenten aus, der es gut mit Real meint“ – nähere Informationen lässt sich Koch nicht entlocken. Am Donnerstag hatte der Metro-Vorstand „nach reiflicher Überlegung“ beschlossen, sich von seiner Tochter Real zu trennen. Es habe in der Vergangenheit immer wieder Anfragen von interessierten Investoren gegeben. „Aber wir waren noch nicht so weit.“ Während Koch eisern zu der Frage möglicher Käufer schweigt, schießen die Spekulationen längst ins Kraut.

Der Online-Gigant Amazon, der gerade in seinem Heimatmarkt USA Supermärkte gekauft hat, könne in Deutschland bei Real einsteigen, lassen sich Analysten zitieren. Hiesige Wettbewerber wie Edeka oder Aldi könnten aus kartellrechtlichen Gründen allenfalls einzelne Standorte übernehmen, sagen andere.

Die zweijährige Hängepartie um den Verkauf von Kaiser’s Tengelmann ist noch allen präsent: Erst eine höchst umstrittene Erlaubnis des damaligen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) ermöglichte die Übernahme vieler Filialen durch Edeka – trotz Einwänden des Bundeskartellamts. Auch deshalb geht die Gerüchteküche davon aus, dass am ehesten Investoren aus dem Ausland bei Real zugreifen könnten.

Zum Paket gehören insgesamt 282 Märkte

Metro-Chef Koch rechnet damit, dass die SB-Warenhauskette binnen sechs bis acht Monaten verkauft sein werde. „Wir stehen ganz am Anfang des Prozesses“, sagt er. Man werde jetzt Berater und Banken beauftragen, den Prozess zu organisieren. Koch betont, dass er anstrebe, Real „als Ganzes“ zu veräußern. Zu dem Paket gehören insgesamt 282 Märkte, davon sechs in Berlin, der Onlineshop und 46 unternehmenseigene Immobilien.

 Fahnen mit dem Loge wehen vor einem Real-Supermarkt.
Fahnen mit dem Loge wehen vor einem Real-Supermarkt. © dpa | Federico Gambarini

Von Journalisten darauf angesprochen, will sich der Manager zu einem möglichen Zerschlagungsszenario nicht äußern. Darüber etwas zu sagen, sei „viel zu früh“, erklärt Koch.Obwohl Real schon länger als das ungeliebte Stiefkind in der Metro-Familie galt, stellt Koch die positiven Seiten ins Schaufenster. „Real ist ein profita­bles Unternehmen mit mehr als sieben Milliarden Euro Umsatz. Es hat erhebliche Leistungsreserven“, sagt er.

Nach dem Umbau der vergangenen Jahre sei die Kette allein lebensfähig. Koch räumt jedoch ein, dass die Metro „nicht mit maximalem Tempo“ in Real investiert habe. Die Rendite im konzerneigenen Großhandelsgeschäft sei einfach besser. Das seit November 2016 in Krefeld getestete Markthallen-Konzept wird zunächst nur in den Filialen in Bielefeld und Braunschweig ausgerollt.

Die Personalkosten – laut Koch mehr als eine Milliarde Euro jährlich – sollen mit dem Ausstieg von Real aus dem Flächentarifvertrag sinken. Die Warenhauskette hatte ihre Mitarbeiter in diesem Sommer in die Real GmbH überführt, in der für neue Mitarbeiter ein anderer Tarifvertrag gilt. Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi bedeutet dieser Einbußen beim Gehalt von rund einem Viertel.

Verdi übt scharfe Kritik

Ingesamt schwächelt Real: In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2017/18 gab es ein Umsatzminus von 1,5 Prozent auf 5,4 Milliarden Euro. Im dritten Quartal schrumpften die Erlöse dabei sogar um 7,2 Prozent. Für die Metro dürfte der Verkauf deshalb ein Befreiungsschlag werden. Sie will sich nun wieder auf das Großhandelsgeschäft konzentrieren.

Die ersten Cash-&-Carry-Märkte gründeten der Essener Otto Beisheim sowie die Duisburger Händlerfamilien Schmidt und Schmidt-Ruthenbeck in den 1960er-Jahren in Mülheim und Essen. „Der Fokussierungsprozess ist für uns seit langer Zeit ein großes Anliegen“, sagt Koch.

Scharfe Kritik übt die Gewerkschaft Verdi an dem Kurs. „Erst haben die Beschäftigten auf Lohn verzichtet, dann hat das Unternehmen den bis dahin gültigen Tarifvertrag geschreddert und nun soll Real verkauft werden“, sagt Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Real müsse nun als Ganzes an ein seriöses Unternehmen verkauft werden, das verantwortungsvoll mit der Belegschaft umgehe, fordert sie.