Luxemburg. Wer darf Geld mit Kulturdenkmälern machen? Der Bundesverband „Souvenir Geschenke Ehrenpreise“ und Bayern stritten darüber vor dem EuGH.

Schloss Neuschwanstein im Ostallgäu ist als „Märchenschloss“ weltberühmt, rund 1,5 Millionen Besucher jährlich wandeln auf den Spuren des Bauherrn König Ludwig II. Auch Souvenirs vom bayerischen Juwel aus dem 19. Jahrhundert sind beliebt – von Porzellan über T-Shirts bis zur Schloss-Marmelade. Doch kaum ein Besucher ahnt etwas von dem erbitterten Streit, der seit Jahren Juristen beschäftigt: Ist Neuschwanstein ein geschützter Markenname oder Allgemeingut?

Am Donnerstag hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) einen Schlussstrich unter die Auseinandersetzung gezogen: Der Freistaat Bayern kann seine Marke „Neuschwanstein“ behalten und damit entscheiden, welche Souvenirs diesen Namen tragen dürfen, urteilten die Luxemburger Richter. Von den Herstellern kann Bayern gegebenenfalls Lizenzgebühren kassieren.

Neuschwanstein-Schnaps unter der Würde

Die bayerische Schlösserverwaltung hatte 2005 beim deutschen Patent- und Markenamt die Marke Neuschwanstein für eine Vielzahl von Produkten eintragen lassen: für Parfüm etwa, Besteck, Briefpapier, Porzellan, Textilien, Schmuck, Bier oder Süßwaren. Man wolle, argumentiert der Freistaat, „groben Unfug und Missbrauch verhindern“.

Neuschwanstein-Schnaps oder Dessous mit dem Märchenschloss seien mit der Würde des Ortes nicht vereinbar. Aber es ging wohl auch darum, selbst Geschäfte mit dem Erbe König Ludwigs zu machen – schließlich kommt der Freistaat auch für die Unterhaltskosten des Prachtbaus auf.

Souvenir-Verband sah Gewinne schwinden

Dagegen klagte der Bundesverband „Souvenir Geschenke Ehrenpreise“ aus naheliegenden kommerziellen Gründen. Neuschwanstein könne keine Marke sein, weil das Wort die geografische Herkunft der Waren und Dienstleistungen beschreibe, so die Kläger. Und damit wäre nach EU-Recht eine Eintragung der Marke nicht möglich. Die Branche fürchtet eine „Zensur“ für ihre Andenken-Produkte, vor allem aber auch hohe Lizenzgebühren.

Der Souvenir-Verband bekam sowohl vom Patentgericht als auch vom Bundesgerichtshof recht. Der Name Neuschwanstein gehöre als Bezeichnung eines herausragenden Kulturgutes der Allgemeinheit, urteilten die deutschen Richter. Die Branche, die mit Souvenirs in Deutschland jährlich einen Umsatz von über zwei Milliarden Euro macht, war beruhigt.

EuGH gibt Bayern Recht

Doch der Streit flammte neu auf, weil sich Bayern Neuschwanstein beim EU-Markenamt als europäische Marke schützen ließ. Der Souvenir-Verband klagte erneut, damit landete der Fall schließlich bei EU-Gerichten. Vor zwei Jahren gab ein untergeordnetes Gericht den Schlossherren schon einmal recht, am Donnerstag bestätigte der EU-Gerichtshof in letzter Instanz die Entscheidung.

Zwar sind nach EU-Recht Marken, die ausschließlich auf den Herstellungsort der Ware hinweisen, von der Eintragung ausgeschlossen. Bei Neuschwanstein aber handele es sich um einen musealen Ort mit erfundenem und originellem Namen, der konkret das Schloss als Bauwerk bezeichne; Hauptfunktion sei nicht die Herstellung oder Vermarktung von Souvenirartikeln, sondern die Bewahrung des Kulturerbes, so die Richter.

Antragsflut für andere Denkmäler erwartet

Das Urteil dürfte in vielen Regionen Europas aufmerksam registriert werden. Denn die Frage, wer sich Markenschutz für das Geschäft mit bekannten Sehenswürdigkeiten reservieren darf, ist nicht auf das bayerische Märchenschloss beschränkt. Auch andere Kulturschätze wie Alhambra, Buckingham Palace oder Sanssouci haben Vorkehrungen gegen kommerzielle Ausbeutung getroffen.

Experten erwarten, dass nun rasch neue Anträge auf Markenschutz für Denkmäler eingehen. Das Bundespatentgericht hat das schon in früheren Fällen für rechtens erklärt. Es entschied, dass sich das Metropolitankapitel Köln eine stilisierte Grafik von der Front des Kölner Doms als Marke schützen lassen darf. In einem anderen Fall entschied das Patentgericht, dass der Name Ulmer Münster als Markenname für Bier eingetragen werden darf.

Im Streit um Neuschwanstein will die Souvenirbranche aber nicht nachgeben: Der Anwalt des Verbands, Bernhard Bittner, erklärte nach dem Urteil, ein neuer Löschungsantrag gegen die Marke sei bereits eingereicht worden – weil der Freistaat die Markenrechte für viele eingetragene Produkte gar nicht nutze.