Essen. Die Suche nach Mitarbeitern wird für Zeitarbeitsunternehmen wie Manpower immer schwieriger. Fachkräfte werden schneller vermittelt.

Die Zeiten am Arbeitsmarkt haben sich geändert, und damit auch die Zeitarbeit. Die frühere Aufgabe, für Mitarbeiter Jobs zu finden, hat sich heute in das Problem verwandelt, für Jobs Mitarbeiter zu finden. Ein Gespräch über den Wandel der Branche mit Herwarth Brune, Deutschland-Chef von Manpower, einem der weltweit größten Personaldienstleister.

Herr Brune, wir haben Rekordbeschäftigung, Rekordstand an offenen Stellen und so wenige Arbeitslose wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Schlechte Zeiten für die Zeitarbeit?

Herwarth Brune: Ja und nein. Ich freue mich als deutscher Bürger über die gute Lage, ich freue mich ganz persönlich für meine Kinder, denen alle Türen offen stehen bei 1,2 Millionen unbesetzten Stellen. Für die Zeitarbeit hat aber tatsächlich ein Wandel stattgefunden: Statt nach passenden Stellen für die vielen Bewerber suchen wir heute nach passenden Bewerbern für die vielen Stellen. Und das fällt uns schwerer, wir müssen mehr Interviews führen, um eine Stelle zu besetzen.

Und die Firmen stellen wegen des Fachkräftemangels lieber gleich fest ein als auszuleihen?

Nicht lieber, sondern gezwungenermaßen. Viele Firmen stellen Bewerber auf Verdacht ein, ohne aktuellen Bedarf, einfach aus der Sorge, dass die Stelle sonst unbesetzt bliebe. Fachkräfte wie Elektriker, Schweißer oder Heizungstechniker können sich den Arbeitgeber aussuchen und schauen, wo sie am meisten verdienen oder die besten Arbeitsbedingungen vorfinden.

Sie werden also vom Personalentleiher zum Headhunter?

Zahlenmäßig noch nicht, der Verleih von Helfern, Fachkräften und Akademikern ist nach wie vor das Hauptgeschäft von Manpower. Aber es kommen weniger Menschen zu uns, und wir können sie schneller vermitteln. Dafür wächst das Headhunting auch für Spitzenkräfte vom Programmierer bis zum Chirurgen. Ebenso unser Geschäft mit Gesamtlösungen etwa für Projektarbeiten oder Outsourcing.

Aber die meisten Zeitarbeiter kommen nach wie vor aus der Arbeitslosigkeit. An den Langzeitarbeitslosen geht der Aufschwung doch weitgehend vorbei, oder?

In vielen Fällen leider immer noch. Der Sockel an Langzeitarbeitslosen ist nicht viel kleiner geworden. Entscheidend wäre hier eine höhere Bereitschaft der Menschen mit geringer oder derzeit nicht gefragter Qualifikation, sich fortzubilden. Sie müssten bereit sein, auch mal die Branche zu wechseln oder den Ort, wenn ein passender Arbeitgeber 20 oder 50 Kilometer entfernt sitzt. Viele sind dazu leider nicht bereit.

Sind Langzeitarbeitslose auch Verlierer der Digitalisierung?

In einigen Branchen. Ich befürchte, dass die Schere zwischen gefragten Fachkräften und Geringqualifizierten, die den Anschluss verlieren, durch die Digitalisierung noch weiter auseinandergeht. Einfach, weil die Zyklen kürzer werden, in denen ganze Industrien sich grundlegend verändern.

Also bekommen wir eine Zwei-Klassen-Gesellschaft auf dem Arbeitsmarkt?

Das droht zumindest. Insgesamt hat die Digitalisierung aber sehr positive Effekte: Die Unternehmen werden zwar noch mehr automatisieren, aber deshalb auch weniger outsourcen, sodass die Wertschöpfung im Lande bleibt. Wir beobachten bereits jetzt, dass in Branchen, die stark automatisieren, etwa in der Logistik, mehr neue Jobs entstehen als wegfallen.

Die Länder mit der höchsten Automatisierung haben heute die niedrigsten Arbeitslosenquoten. Entscheidend ist die Produktivität: Wenn wir in kürzerer Zeit mehr schaffen, werden wir in Deutschland künftig vielleicht weniger Stunden arbeiten, aber trotzdem mehr verdienen.

Zeitarbeit gilt vielen als Inbegriff für Niedriglöhne und prekäre Beschäftigung, auch die offizielle Statistik führt Zeitarbeit unter „atypischer Beschäftigung“. Wie steht es um Ihren Ruf?

Er ist schon viel besser geworden. Als ich 2013 bei Manpower eingestiegen bin, war das ein großes Wahlkampfthema, mittlerweile ist es viel ruhiger geworden. Nur rund zwei Prozent der Beschäftigten sind in der Zeitarbeit, wir geben aber 28 Prozent der Flüchtlinge einen Job. Manpower allein mehr als 1200. Die Politik müsste uns eigentlich einen roten Teppich ausrollen.

Na ja, die Regierung hat zuletzt lieber das Zeitarbeitsgesetz verschärft.

Mit Equal Pay (gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit nach spätestens neun Monaten) habe ich überhaupt kein Problem. Im Gegenteil: Von mir aus kann Equal Pay gerne ab dem ersten Tag gelten, wenn im Gegenzug die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten wegfiele. Dass der Staat mir vorschreibt, wie lange ich wo arbeiten darf, halte ich für verfassungswidrig. Die Politik wollte Niedriglöhner schützen, dabei sind es Facharbeiter, die länger in einem Betrieb bleiben und auch bleiben wollen. Nicht ohne Grund hat die IG Metall einen Branchentarifvertrag mit einer Überlassungsdauer bis zu 48 Monaten abgeschlossen.

Die Integration von Flüchtlingen hat lange nicht gut funktioniert. Was muss besser werden?

Ich persönlich bin froh über jeden, der zu uns kommt. Deutschland sollte stolz sein, ein Einwanderungsland zu sein. Ohne Zuwanderung wird irgendwann keiner mehr da sein, der unsere Renten zahlt. Die Widerstände in Teilen der Politik und der Bevölkerung erlebe ich in den Firmen so nicht. Kleinen Firmen können wir Ängste nehmen, indem wir zusammen mit der Arbeitsagentur Sprachkurse und Fortbildungen übernehmen. Integration kann nur über die Arbeit funktionieren.

Treten Flüchtlinge nicht in Konkurrenz zu deutschen Langzeitarbeitslosen?

Nein. Wer unsere Sprache spricht und qualifiziert ist, hat so oder so einen Vorteil. Die einzige Gefahr wäre Lohndumping, wenn Zuwanderer für weniger Geld arbeiten. Das hat sich mit Mindestlohn und Equal Pay meiner Meinung nach erledigt. Nur wer bei den Arbeitszeiten schummelt, etwa bei Werkverträgen, kann die Löhne drücken. Das ist illegal und hilft nebenbei der Zeitarbeit – denn wir rechnen mit dem Entleiher jede Stunde ab.