Berlin. Die „taz“ gibt es ab 2022 nur noch am Wochenende auf Papier, ansonsten nur noch digital. Für andere Titel käme dieser Schritt zu früh.

Karl-Heinz Ruch ist einer der mutigsten deutschen Zeitungsmanager. Der Geschäftsführer der links-alternativen „taz“ erkannte nicht nur frühzeitig, dass die Zukunft der Zeitung im Digitalen liegt. Er hatte auch den Mut, diese Wahrheit sehr früh auszusprechen.

Nun ist Ruch noch einen Schritt weiter gegangen: Sein Stück „Szenario 2022“, das sich an die Mitglieder der „taz“-Genossenschaft richtete, kann man so verstehen, dass die „taz“ in nicht mal dreieinhalb Jahren – abgesehen von der Wochenendausgabe – nur noch digital erscheinen wird. Ruchs Kernthese, „Das Zeitalter der gedruckten Zeitung ist zu Ende, der Journalismus lebt im Netz weiter“, wurde rauf und runter zitiert. Es war die Medienmeldung der Woche.

E-Paper der „taz“ hat einen hohen Anteil an der Auflage

Die Frage ist, was dies alles für die Zeitungsbranche insgesamt bedeutet. Schaut man etwas genauer hin, wird schnell deutlich, dass sich die Situation der „taz“ nicht ohne Weiteres auf andere Titel übertragen lässt: Das Blatt ist eine überregional erscheinende Tageszeitung mit einer vergleichsweise niedrigen verkauften Auflage. Um knapp 33.000 gedruckte Exemplare werktags bundesweit an den Leser zu bringen, muss die „taz“ einen hohen Aufwand betreiben. Das geht richtig ins Geld. Diesem Problem widmet sich Ruch in seinem Text denn auch ausführlich.

Andererseits liegt der Anteil des digitalen E-Papers an der werktäglichen Gesamtauflage der „taz“ bereits bei stolzen 29,6 Prozent. Das ist ein ungewöhnlich hoher Wert. Zum Vergleich: Der E-Paper-Anteil an der Werktagsauflage liegt bei der „Süddeutschen Zeitung“ bei 19,8 und bei der „FAZ“ bei 18,3 Prozent. Bei Lokal- und Regionalzeitungen ist dieser Wert meist noch niedriger: Beim „Hamburger Abendblatt“ liegt er zum Beispiel bei 13,7 Prozent, bei der „Berliner Morgenpost“ 15,7 Prozent, bei der „Braunschweiger Zeitung“ zum Beispiel nur bei sieben Prozent.

Viele Zeitungen werden wohl noch lange gedruckt erscheinen

Mit anderen Worten: Da heute schon fast jedes dritte Exemplar der Werktags-„taz“ ein E-Paper ist, könnte – auch vor dem Hintergrund der vergleichsweise hohen Vertriebskosten der gedruckten Exemplare – der Abschied von der gedruckten Zeitung bereits 2022 Sinn ergeben.

Für andere Blätter muss das keineswegs so sein, insbesondere nicht für Lokal- und Regionalzeitungen mit ihren überschaubaren Vertriebsgebieten und ihren vergleichsweise niedrigen E-Paper-Auflagen. Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, dass die meisten deutschen Tageszeitungen noch viele Jahre in gedruckter Form erscheinen.

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Noch vor zwei Wochen schien es so, als würde der große deutsche Zeitschriftenpreis Lead Awards, der längst auch Werbung, Zeitungen und digitale Medien auszeichnet, 2018 in Berlin verliehen werden. Veranstaltungsort und Termin standen bereits fest. Doch dann legte sich der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda noch einmal richtig ins Zeug, um den Vorsitzenden der Lead Acadamy, Markus Peichl, davon zu überzeugen, mit der Veranstaltung in der Hansestadt zu bleiben. Sein Werben hatte Erfolg: Seit Mittwochabend steht fest, dass die Lead Awards dieses Jahr am 10. Dezember auf Kampnagel verliehen werden. Das bestätigte Peichl auf Anfrage.

Ausschlaggebend waren offenbar vor allem zwei Gründe: In Hamburg sind die Lead Awards die wohl größte Medienveranstaltung der Stadt. In Berlin würden sie, eingeklemmt zwischen Berlinale, der Bambi-Verleihung und dem Deutschen Filmpreis, weitaus weniger Aufmerksamkeit genießen. Eine Rolle könnte zudem gespielt haben, dass mit Gruner + Jahr („Stern“, „Geo“), den Verlagen von „Spiegel“ und „Zeit“ sowie mit dem Jahreszeiten-Verlag („Merian“, „Für Sie“) vier Branchengrößen ihre Zentrale an der Elbe haben.

Die Lead Awards werden seit 1993 verliehen, seit 1995 in Hamburg. Zuletzt fand die Veranstaltung in den Deichtorhallen statt. In diesem Jahr erhält der Preis, der bisher vor allem die Gestaltung von Medien würdigte, ein neues Konzept: Ab sofort sollen publizistische Inhalte stärker berücksichtigt werden.

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