Berlin. Die US-Sanktionen zeigen die erste Wirkung: Für viele deutsche Unternehmen ist der amerikanische Markt wichtiger als der iranische.

Kaum sind die neuen US-Sanktionen gegen den Iran in Kraft, ziehen die ersten Unternehmen Konsequenzen: Daimler legt „bis auf Weiteres“ seine Geschäfte in dem nahöstlichen Land auf Eis. Auch die Weltwirtschaft reagiert. Der Ölpreis zog am Dienstag an, die Börsenwerte gingen nach unten. Die wichtigsten Fragen und Antworten, was die Sanktionen für deutsche Firmen bedeuten.

• Welche US-Sanktionen sind seit dem 7. August wieder in Kraft?

In einer ersten Runde wollen die Vereinigten Staaten dem Iran verbieten, US-Dollar zu erwerben. Der Handel mit Gold, Metallen, Rohstoffen und Industrie-Software ist ebenso untersagt wie der Kauf von Passagierflugzeugen. Eine noch härtere Sanktionsstufe wollen die Amerikaner am 4. November zünden: Dann sollen andere Länder kein Öl mehr aus dem Iran importieren dürfen, das Regime in Teheran soll vom internationalen Zahlungsverkehr abgeklemmt werden.

• Können deutsche Unternehmen gegen US-Sanktionen klagen?

Die EU hat eine Blockade-Verordnung von 1996 aktiviert, die seit dem 7. August 2018 greift. Demnach können europäische Firmen den „Schadensverursacher“ vor dem Gericht eines EU-Mitgliedslandes auf Schadenersatz verklagen. Der „Schadensverursacher“ kann die Administration in Washington sein, aber auch ein US-Unternehmen – beispielsweise, wenn ein Zulieferer die Geschäftsbeziehung mit seinem deutschen Partner abbricht.

Die Blockade-Verordnung sieht die Beschlagnahme oder Veräußerung von Guthaben oder Besitztümern vor, die von verurteilten Personen, Gesellschaften oder Einrichtungen in EU-Staaten gehalten werden. Infrage kommen etwa amerikanische Liegenschaften oder Geldvermögen.

In der Praxis dürfte dies jedoch kaum passieren. Martin von Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), spricht von einer „hilflosen politischen Reaktion“. Sie soll zeigen, dass sich die EU den US-Sanktionen nicht beuge. Für die einzelnen Firmen habe die Blockade-Verordnung aber keine Relevanz.

• Wie stark sind deutsche Firmen im Iran vertreten?

Deutsche Unternehmen pflegten bis zur Islamischen Revolution 1979 beste Handelsbeziehungen zum Iran, danach wurde der Austausch stark zurückgefahren. Mit dem Iran-Abkommen 2015 wurden alte Drähte erneuert und neue aufgebaut. Gefragt sind vor allem Maschinen, Kraftfahrzeuge, Elektrotechnik und pharmazeutische Produkte „made in Germany“.

Doch der US-Markt ist für die allermeisten Unternehmen wichtiger als der iranische. Das liegt am ungleich höheren Handelsvolumen. Im vergangenen Jahr exportierten deutsche Firmen Waren und Dienstleistungen in Höhe von 112 Milliarden Euro in die USA. Die Ausfuhren in den Iran betrugen hingegen nur drei Milliarden Euro. Große Konzerne wie Airbus, Daimler oder Siemens zählten zu den Lieferanten.

• Sind die Deutschen auf dem Rückzug?

Nachdem 2017 die deutschen Exporte in den Iran noch um 16 Prozent gestiegen sind, sanken sie in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um vier Prozent – mit zuletzt deutlich abnehmendem Trend. Viele Unternehmen begeben sich angesichts der US-Sanktionen auf den Rückzug, berichtet DIHK-Hauptgeschäftsführer von Wansleben. So legt Daimler seine Expansionspläne im Iran auf Eis. Die „ohnehin eingeschränkten Aktivitäten“ seien „bis auf Weiteres eingestellt“ worden, teilte der Stuttgarter Konzern am Dienstag mit.

Daimler hatte 2016 angekündigt, mit Partnerunternehmen im Iran Lkw bauen und Fahrzeuge seiner Marke Fuso verkaufen zu wollen. Airbus hatte von Iran Air zuletzt einen Auftrag über rund 15 Milliarden Euro erhalten. Doch der Flugzeugbauer wird wahrscheinlich nicht in der Lage sein, die ausstehenden 97 Jets noch auszuliefern, wie Zivilflugzeugsparten-Chef Guillaume Faury kürzlich sagte.

Siemens erhielt 2016 einen Auftrag für 50 Lokomotiven, deren Auslieferung nun ebenfalls ungewiss ist. Müsste sich der Siemens-Chef zwischen den USA und Iran als Handelspartner entscheiden, so würde er auf die Geschäftszahlen schauen, betonte Joe Kaeser. Die Antwort liegt auf der Hand: In den USA erzielt Siemens einen 40-fach höheren Umsatz. Adidas verlängert wiederum seinen Vertrag mit dem iranischen Fußballverband FFI nicht über 2018 hinaus.

• Welche Auswirkungen gibt es auf die Finanzierung des Irangeschäfts?

Die großen europäischen Banken haben sich bereits aus dem Irangeschäft zurückgezogen – aus Angst, dass sie auf dem lukrativen amerikanischen Markt das Nachsehen haben. Für Verstöße gegen die vor 2016 geltenden US-Sanktionen musste die französische BNP Paribas 9,5 Milliarden Euro Strafe berappen. Die Commerzbank einigte sich mit den amerikanischen Behörden auf die Zahlung von fast 1,5 Milliarden Euro. Bislang wickelten Sparkassen, Volksbanken und kleine Privatbanken die Zahlungen für das Irangeschäft ab.

In der Vergangenheit fand mancher deutsche Mittelständler auch Finanzierungs-Schlupflöcher über Geld-Institute in Drittländern. Das funktionierte so: Da die direkte Finanzierung zwischen einer Bank des iranischen Importeurs und der Hausbank des deutschen Exporteurs durch die USA unterbunden wurde, überwies das iranische Institut das Geld auf Häuser in der Türkei, in China, Vietnam oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten – hier vor allem in der Finanz-Metropole Dubai. Von dort ging dann die Überweisung an die Hausbank des deutschen Unternehmers.

• Welche Finanzhilfen bietet der deutsche Staat?

Der Bund sichert mit staatlichen Exportgarantien (Hermes-Bürgschaften) derzeit 57 Geschäfte im Iran ab. Gesamtvolumen: 911 Millionen Euro. Wenn es nach der Wirtschaft geht, müsste sich die öffentliche Hand noch stärker engagieren. Hermes-Bürgschaften sollen ebenso weiter gelten wie staatliche Investitionsgarantien.