Berlin. Der Bund blockiert erstmals die Übernahme einer Hightech-Firma von Chinesen. Der Einstieg beim Stromnetz-Betreiber 50Hertz scheitert.

Der Roboterbauer Kuka ist in chinesischer Hand, der Betonpumpenhersteller Putzmeister auch, selbst beim Autokonzern Daimler ist der größte Aktionär ein Chinese. Die Einkaufstour staatlicher und privater Investoren aus der Volksrepublik weckt in Deutschland die Angst vor einem Ausverkauf der Spitzentechnologie und Infrastruktur.

Jetzt schaltet sich die Bundesregierung ein. Beim ostdeutschen Stromnetz-Betreiber 50Hertz darf Chinas Staatskonzern SGCC nicht einsteigen. Die bundeseigene KfW-Bank soll einspringen. Und beim geplanten Verkauf des mittelständischen Maschinenbauers Leifeld aus Westfalen wird das Bundeskabinett wohl erstmals ein Veto einlegen.

Aus „sicherheitspolitischen Erwägungen“ habe die Bundesregierung ein hohes Interesse am Schutz kritischer Infrastruktur, begründete das Wirtschaftsministerium am Freitag das Engagement der KfW-Bank bei 50Hertz. Die Firma betreibt das Höchstspannungsnetz in Ostdeutschland. Zweimal hatte der staatliche chinesische Netzbetreiber SGCC versucht, dort einzusteigen, und scheiterte.

Die Übernahme des 20-Prozent-Anteils durch die KfW bezeichnete das Ministerium als „Brückenlösung“. Die Anteile sollen weiterverkauft werden. Der belgische Versorger Elia hält die übrigen 80 Prozent an dem Netzbetreiber.

Know-how steckt in europäischer Rakete Ariane 5

Deutlich kleiner, aber derzeit von nicht minder schwerer politischer Bedeutung ist der Mittelständler Leifeld Metal Spinning. Das kleine Unternehmen aus dem westfälischen Ahlen, unweit von Dortmund, beschäftigt 200 Mitarbeiter, unterhält Standorte in den USA, China und Russland.

Was die Firma für Investoren aus China interessant gemacht hat: Leifeld ist Technologieführer bei Maschinen, die hochfeste Materialien formen. Diese sind in Luft- und Raumfahrt oder auch im Automobilbau gefragt. Know-how von Leifeld steckt in der europäischen Rakete Ariane 5. Die Technik ist offenbar aber auch im Nuklearbereich verwendbar. Das Bundeskabinett wolle den Verkauf stoppen, hieß es am Freitag. Dieser könne die öffentliche Ordnung oder Sicherheit in Deutschland gefährden.

Mit einem Veto würde Deutschland erstmals die neue Außenwirtschaftsverordnung anwenden. Mit dieser hatte die Bundesregierung 2017 ihre Mitspracherechte bei der Übernahme strategisch wichtiger Firmen durch Investoren aus Nicht-EU-Ländern deutlich ausgebaut. Die Verordnung gilt als Reaktion auf die Übernahme des Augsburger Roboterspezialisten Kuka durch den chinesischen Haushaltsgerätekonzern Midea 2016.

Spitzentechnologie aus der deutschen Provinz

Hightech-Firmen aus der deutschen Provinz sind für Chinesen ein beliebtes Übernahmeziel. Wie Leifeld aus Westfalen sind viele mit ihrer Spitzentechnologie Marktführer in kleinen Sparten. Dahinter steht ein großes Ziel. Bis 2025 will die Volksrepublik weltweit führender Industriestandort werden. Die Investoren haben Zukunftstechnologien und strategisch wichtige Bereiche im Blick. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigte, dass zwei Drittel der chinesischen Investitionen in Deutschland in Schlüsselbranchen wie Biomedizin, Robotik oder alternativen Antriebstechnologien erfolgen.

Der Industrieverband BDI sieht die staatliche Einmischung in die chinesischen Investitionen kritisch. Im Fall des Engagements der Staatsbank KfW beim Netzbetreiber 50Hertz warnt Stefan Mair aus der Hauptgeschäftsführung des Verbands: „Eine derartige Einzelfallentscheidung birgt die Gefahr, das Klima für Auslandsinvestitionen zu beeinträchtigen.“ Deutschland sei wie kaum ein anderes Industrieland auf internationale Investitionsfreiheit angewiesen.

Schon heute sei festgelegt, dass von einer Bedrohung für die nationale Sicherheit erst ab einer Beteiligung von 25 Prozent die Rede sein könne. Der Staatskonzern SGCC wollte 20 Prozent der Anteile am ostdeutschen Netzbetreiber kaufen. „Der Fall zeigt, dass eine gründliche Debatte über den Umgang mit Auslandsinvestitionen in kritischen Bereichen überfällig ist“, sagt Mair.

Die Vorgänge fallen in eine Zeit, in der China knallhart am Ausbau seiner Industrie arbeitet, Staatspräsident Xi Jinping aber gleichzeitig den abgeschotteten Markt öffnet. So entfallen nach und nach die Obergrenzen für ausländische Beteiligungen in der Autobranche sowie beim Flugzeug- und Schiffbau. Bislang mussten sich Ausländer heimische Partner suchen und konnten nicht mehr als 50 Prozent an den Gemeinschaftsunternehmen halten. Die Indus­trie jubelte über die Liberalisierung.

Der nächste große Deal steht bereits bevor

In der umgekehrten Richtung sorgen chinesische Investitionen in Deutschland immer wieder für Aufsehen, wie vor zwei Jahren bei Aixtron. Der chinesische Fujian Grand Chip Investment Fund wollte den Aachener Hersteller von Produktionsanlagen für die Halbleiterindustrie für gut 670 Millionen Euro kaufen. Gemessen an der Mitarbeiterzahl ist Aixtron dreimal so groß wie Leifeld aus Westfalen. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bremste den Verkauf, indem er eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zurückzog. Die USA wandten ein, Anlagen von Aixtron ließen sich zur Produktion militärischer Güter nutzen. Das Geschäft platzte.

Das nächste chinesische Investment bei einem Marktführer aus Deutschland steht derweil unmittelbar bevor. Der Autozulieferer Jifeng hat den bayerischen Sitzhersteller Grammer mit weltweit rund 13.000 Mitarbeitern im Blick. Jifeng will 36 Prozent der Aktien übernehmen – bis zum 6. August sollen sich die Anteilseigner entscheiden, ob sie das Angebot annehmen wollen.