Berlin. Die Unterschiede in der Bezahlung von künftigen Frisören und Azubis in der Metallbranche könnte nicht größer sein. Das sind die Zahlen.

Das Gehalt von Auszubildenden in Deutschland liegt meist deutlich unter dem Mindestlohn – oft verdienen Lehrlinge nur knapp über 600 Euro pro Monat. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) zu den in Tarifverträgen vereinbarten Ausbildungsvergütungen hervor.

Angesichts Tausender unbesetzter Lehrstellen fordern die Autoren der Studie in vielen Branchen ein höheres Einkommen für Lehrlinge, um die Ausbildung unter Jugendlichen wieder beliebter zu machen.

Der Untersuchung zufolge verdienen Azubis lediglich in einer Branche schon zu Beginn der Lehre monatlich über 1000 Euro: in der Metall- und Elektroindustrie. Auch im Banken- und Versicherungsgewerbe, im öffentlichen Dienst, in der chemischen Industrie, in der Druckindustrie und bei der Deutschen Bahn verdienen Auszubildende mit Gehältern zwischen 900 und 1000 Euro recht gut.

Schlusslicht bei Studie ist Kfz-Handwerk

Schlusslicht der 16 ausgewählten Tarifbranchen ist das Kfz-Handwerk in Thüringen. Dort erhalten Lehrlinge im ersten Jahr 610 Euro pro Monat. Das höchste Gehalt gibt es mit 1580 Euro im vierten Lehrjahr im westdeutschen Bauhauptgewerbe – es liegt über dem gesetzlichen Mindestlohn.

Die Studie offenbart auch innerhalb einer Branche große Unterschiede. Im Westen und im Süden haben Lehrlinge die besten Chancen auf ein hohes Verdienst. Ein Azubi im dritten Jahr im Kfz-Handwerk erhält in Baden-Württemberg etwa 956 Euro pro Monat, in Brandenburg aber nur 660 Euro – ein Unterschied von fast 300 Euro.

„Bei vielen Löhnen muss man sich schon fragen, wie sich die Azubis eine Existenz aufbauen sollen“, kritisiert der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten. Nicht selten verdienten Bäckerlehrlinge oder angehende Frisöre ohne Tarifvertrag deutlich unter 600 Euro, sagt er dieser Redaktion.

Gewerkschaften kritisieren niedrige Gehälter

Die teils niedrigen Gehälter sind nicht nur ein Problem für Azubis. Unternehmen stünden sich damit selbst im Weg, argumentieren die Gewerkschaften. Sie machen die geringe Bezahlung für den von der Industrie beklagten Fachkräftemangel und die hohen Abbrecherquoten in den Lehrberufen verantwortlich.

Der Bundesagentur für Arbeit zufolge waren im Juni deutschlandweit 235.469 Lehrstellen unbesetzt. Und etwa ein Viertel aller Lehrlinge bricht die Ausbildung ab. Sicher, die Gründe, weshalb sich junge Menschen gegen eine Ausbildung entscheiden, sind vielschichtig – es geht um lange Arbeitszeiten und um bessere Aufstiegschancen nach dem Studium.

Koalition will Gehälter von Lehrlingen stärken

Dennoch, das Gehalt bleibt ein wichtiger Faktor, darin sind sich Experten einig. Azubis besitzen zwar ein Anrecht auf eine „angemessene Vergütung“, nicht aber auf den gesetzlichen Mindestlohn. Diese Regel sei intransparent, mahnt Schulten. Er plädiert daher für eine gesetzliche Mindestausbildungsvergütung, so wie sie die große Koalition plant. Dies sei sinnvoll, um Missbrauch vorzubeugen.

Union und SPD verständigten sich im Koalitionsvertrag darauf, im Berufsbildungsgesetz eine solche Mindestausbildungsvergütung zu verankern. Wie hoch diese sein soll, ist noch offen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert, eine Untergrenze in Höhe von mindestens 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen des jeweiligen Jahres einzuhalten. Das wären mindestens 635 Euro pro Monat im ersten Lehrjahr.