Aachen. Die RWTH Aachen hat schon mit der Post Elektroautos entwickelt. Jetzt kommt von den Forschern ein neues Auto: Ein Pkw für Privatkunden.

Als die Deutsche Post nach Zustellfahrzeugen mit Elektroantrieb suchte, winkte die Automobilindustrie geschlossen ab. Forscher der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen entwickelten und bauten für den Konzern dann den Streetscooter, der inzwischen bundesweit unterwegs ist.

Die Ausgründung der Hochschule gehört heute der Post und produziert die Kastenwagen in zwei Fabriken in Nordrhein-Westfalen in Serie – auch für andere Käufer. Eine Erfolgsgeschichte. Diese will Günther Schuh jetzt wiederholen. Der Professor und Vater des Streetscooters nimmt sich nun den Pkw vor. Am Freitag weihte er ein neues Fahrzeugwerk in Aachen ein. Dort wird das batteriebetriebene Citycar Ego Life hergestellt.

Gebaut werden die E-Autos im Stadtteil Rothe Erde. Wo bis 1926 ein Stahlwerk stand, fertigte später Philips für ein halbes Jahrhundert Glühbirnen. Nun soll auf dem Gelände mit dem nächsten Strukturwandel ein Leuchtturm der Elektromobilität entstehen. Bis zu 2000 Arbeitsplätze im Jahr 2022, lautet das Wunschziel für das Unternehmen von Schuh.

Günstigste Ego-Variante kostet 15.900 Euro

Doch kann ein erschwingliches Elektroauto mit teuren Batterien im Hochlohn-Deutschland realisiert werden? 15.900 Euro soll der günstigste kleine Viersitzer namens e.GO (gesprochen I-go) kosten, im Gegensatz zur Konkurrenz ist der Akku inklusive. In Deutschland werden noch 4000 Euro Elektroautoprämie abgezogen. Davon ließen sich bislang 3000 Vorbesteller überzeugen, dazu Großkunden wie die Caritas. Mehr als 1000 Privatkunden reisten zur Werkseröffnung und einer ersten Probefahrt nach Rothe Erde.

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    So wie Rentner Gerhard Lourenco. Seinem alten Diesel droht in Köln ein Fahrverbot, der e.GO Life sei preiswert, und er stelle sich eine Fotovoltaikanlage zur hauseigenen Fahrstromversorgung aufs Dach des Einfamilienhauses, sagt der 71-Jährige. 3,35 Meter Auto, Höchsttempo 150 und 160 Kilometer Reichweite genügen ihm. Der Elektrowagen i3 von BMW hat die gleiche Höchstgeschwindigkeit und eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern. Der Preis: ab 37.550 Euro.

    Gefärbter Kunststoff statt Lack auf dem Blech

    Schuhs neue Fabrik fußt auf radikaler Verschlankung und ordentlich Tempo. „Es gibt ein halbes Dutzend Maßnahmen, die anders sind als in der Automobilindustrie“, sagt er. Die wichtigsten: ein Fahrzeugrahmen aus standardisierten Aluminium-Profilen, keine Lackierung, eine Außenhaut aus eingefärbtem Kunststoff. Deshalb sind keine teuren Presswerkzeuge für die sonst üblichen Karosseriebleche nötig. Die Entwicklung des gesamten Fahrzeugs etwa habe nicht mehr gekostet als die Entwicklung der Hightech-Scheinwerfer im neuen Fünfer-BMW, sagt Schuh und spricht von Two-Touch-Teilen: „Jedes Teil einmal reinbringen, montieren, rausbringen.“ Eben nur zweimal anfassen.

    „Wir sind die Industrie-4.0-Fabrik schlechthin“, sagt der Professor über die 47 Millionen Euro, die das Projekt bisher gekostet hat. Ein Teil des Geldes kommt aus Schuhs Verkaufserlös der Streetscooter-Anteile, drei Millionen Euro gab das Land dazu. Gebaut wurde das Werk in 15 Monaten. aachen genehmigte den Bau binnen vier Wochen.

    Lediglich 4,8 Prozent der Herstellungskosten seien Kosten für die Montage, also Gehälter, sagt Schuh. Das relativiert den Vorteil von Billiglohnländern. Und so sollen anfangs 155 Mitarbeiter, die teilweise mehr bekommen, als der Metalltarif vorsieht, im Einschichtbetrieb 10.000 Ego im Jahr montieren. Zwei weitere Modelle, ein bereits seriennaher Kleinbus für den Personennahverkehr (Mover) und ein weiteres Pkw-Modell (Booster), sowie Mehrschichtbetrieb sollen die Stückzahl vervielfachen.

    Das Entwicklungstempo ist enorm: Der Prototyp startete 2017, inzwischen ist das Vorserienmodell fertig. Damit hat Professor Schuh die Hürde zur Produktion genommen, die mindestens neun von zehn neuen Automarken nicht nehmen – weil die Ideen nicht ausgereift sind, die Produktion des Fahrzeugs zu kompliziert, die Akzeptanz zu gering ist.

    Einige Faktoren kann selbst Auto-Professor Schuh nicht beeinflussen. Ein Konkurrent hat einen wichtigen Zulieferer übernommen, der die Zusammenarbeit mit den Aachenern dann einstellen musste, weshalb der Produktionsanlauf hinter dem Plan liegt. Dennoch sollen noch in diesem Jahr plangemäß die ersten 1000 Ego Life an die Kunden ausgeliefert werden.