Washington. Wegen des Handelskriegs will Motorradbauer Harley-Davidson die Produktion verlegen. US-Präsident Trump greift die Kultmarke scharf an.

„Es ist kaum zu fassen. Erst wirft er der Kultmarke Harley-Davidson eine Handgranate zwischen die Räder. Und dann meckert er die Bosse in Wisconsin dafür aus, dass der Konzern wegrennt, bevor es knallt und droht ihm auch noch mit Strafsteuern.“ Mit diesen Worten bilanzierte ein Analyst der Denkfabrik Cato in Washington die scharfe Reaktion von US-Präsident Donald Trump auf die Ankündigung des Traditionskonzerns. Der Motorrad-Hersteller will im Gefolge der EU-Vergeltungszölle binnen 18 Monaten Arbeitsplätze ins Ausland verlagern, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Für den Schritt, der einen Rückschlag für Trumps „Amerika zuerst“-Politik bedeutet, hatte der Präsident das 115 Jahre alte Unternehmen zuvor gerügt. Er warf der Konzernspitze um Matt Levatich vor, überstürzt die „weiße Fahne zu hissen“ und nur einen Vorwand zu nutzen. 2017 hatte Trump Levatich noch im Weißen Haus mit Pomp empfangen und als „Vorbild“ für amerikanische Wertarbeit gepriesen.

„Eine Harley sollte nie in einem anderen Land gebaut werden“

„Anfang des Jahres sagte Harley-Davidson, dass sie einen Großteil ihrer Anlagen in Kansas City nach Thailand verlegen wollten“, twitterte Trump. „Das war lange, bevor die Zölle bekannt gegeben wurden.“ Später legte er nach: „Eine Harley-Davidson sollte niemals in einem anderen Land gebaut werden – niemals!“ Sollte das Unternehmen wirklich Teile der Produktion aus den USA abziehen, werde das der „Anfang vom Ende“ sein. Dann werde Harley-Davidson „wie nie zuvor besteuert“.

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Bei seiner Kritik eilte Trump die zuständige Gewerkschaft zur Seite, die in Missouri, Pennsylvania und Wisconsin rund 1000 Arbeiter vertritt. Ihr Kritikpunkt: Harley-Davidson habe bereits vor Monaten beschlossen, sein Werk in Kansas City (800 Jobs) zu schließen und in Thailand eine neue Produktionsstätte zu errichten. Der Konzern kontert mit dem Hinweis, dass Trump dies mit seinem Ausstieg aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP erst nötig gemacht habe.

Kultmarke kämpft mit starker Konkurrenz aus Japan

Die 1903 gegründete Kultmarke kämpft seit Langem mit starker Konkurrenz aus Japan und einer alternden Kundschaft. Weltweit wurden im ersten Quartal zehn Prozent weniger Maschinen verkauft (64.000) als im Vorjahreszeitraum. Der Gewinn sackte um fünf Prozent auf 175 Millionen Dollar ab. Durch die seit Freitag geltenden Gegenzölle der EU als Antwort auf Trumps Aufschläge für Stahl und Aluminium sieht sich Harley-Davidson in seiner Existenz bedroht. „Die Steigerung der internationalen Produktion ist nicht die Präferenz des Unternehmens, sondern die einzige nachhaltige Möglichkeit, die Motorräder für Kunden in der EU zugänglich zu machen und ein rentables Geschäft in Europa aufrechtzuerhalten“, erklärte der Konzern.

Durch die ab sofort bei 31 Prozent liegenden Zölle werde jedes Motorrad in Europa im Schnitt 2200 Dollar teurer. Weil sich Harley-Davidson einen weiteren Kundenverlust nicht leisten kann, will der Konzern die Last von jährlich 100 Millionen Dollar selbst tragen und durch Produktionsverlagerungen teilweise kompensieren. So soll in neun bis 18 Monaten ein großer Teil der zuletzt 40.000 Bikes, die in Europa verkauft werden, nicht mehr „made in USA“ sein.

Kritik im US-Kongress fällt noch moderat aus

Noch fällt die Kritik im Kongress moderat aus. Der Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Paul Ryan, ließ verlauten, dass die Entwicklung bei Harley-Davidson ein „weiterer Beweis dafür ist, welchen Schaden einseitige Zölle anrichten können“. Wer Amerikas Arbeitern, Verbrauchern und Herstellern wirklich helfen wolle, dürfe keine Barrieren errichten.

Wirtschaftsexperten wie Edward Alden vom „Council on Foreign Relations“ erkennen darin einen heiklen Präzedenzfall. Trump habe stets behauptet, seine aggressive Handelspolitik werde den Arbeitern auf breiter Front nutzen. Wenn Harley-Davidson nun das Weite sucht, sei dieses Versprechen entwertet.

Zölle auf einen US-Mythos

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    Nagel-Hersteller entlässt Arbeiter

    Zumal die Biker-Schmiede nicht das einzige Opfer ist. In Poplar Bluff (Missouri) hat gerade der landesweit größte Nagel-Hersteller 60 Arbeiter entlassen, 200 sollen folgen. Das Unternehmen Mid-Continent Nail bezieht sein Rohmaterial aus Mexiko. Auch hier gelten die Zollaufschläge, was die Produktion extrem verteuert. Ohne eine Befreiung von der Zollerhöhung drohe bis September die Pleite. Problem dabei: Im Wirtschaftsministerium in Washington liegen schon über 20.000 ähnlich lautende Anträge vor.

    Für die nächste größere Auseinandersetzung – Trump hatte mehrfach mit 20 Prozent Zollaufschlag auf importierte Autos aus der EU gedroht – bedeutet der Konflikt um Harley-Davidson nichts Gutes, sagen deutsche Handelsexperten in Washington. „Sie werden bald kommen, das sagen uns Trumps Leute bei jedem Gespräch“, sagte ein Diplomat gegenüber dieser Zeitung. Dieter Kempf, Präsident des Industrieverbands BDI, geht auch davon aus. „Trump wird Autozölle erheben und wir werden dabei alle verlieren“, sagte er.