Berlin. Eine neue Studie zeigt: Viele Menschen mit Migrationshintergrund haben es als Bewerber in Deutschland immer noch schwerer als Deutsche.

Nadine Al-Athamina hat ihren Realschulabschluss mit einer Eins vorm Komma absolviert. Die Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten beendete sie mit Auszeichnung, wurde anschließend von der Praxis übernommen. Seit einigen Wochen ist Al-Athamina wieder auf Jobsuche, bisher reagierten Praxen entweder gar nicht – oder mit Absagen.

Dass sie es trotz ihrer Qualifikation und des akuten Fachkräftemangels schwer hat, liegt den Ergebnissen einer aktuellen Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) zufolge daran, dass Menschen mit Migrationshintergrund auf dem deutschen Arbeitsmarkt nach wie vor erheblich diskriminiert werden.

Die Studie mit dem Titel „Andere Werte, weniger Chancen“ des WZB zeigt erstmals detailliert: Während Bewerber mit Eltern aus Afrika oder aus muslimischen Ländern stark benachteiligt werden, unterscheiden sich die Chancen von Bewerbern mit Wurzeln in anderen europäischen oder ostasiatischen Ländern nicht wesentlich von denen der Kandidaten ohne Migrationshintergrund.

Bewerber aus der Türkei, Nahost und Afrika besonders benachteiligt

Das Ausmaß variiert dabei deutlich je nach Herkunftsland, Religionszugehörigkeit und Phänotyp, also ob die Person schwarz, weiß oder asiatisch ist. Das Forscherteam, das für die Studie verantwortlich war, zeigt, dass Arbeitgeber ihre Auswahlentscheidung verstärkt auf Gruppenmerkmale stützen, die weniger mit Leistung und Produk­tivität, sondern mit Kultur und Werten zu tun haben.

Besonders benachteiligt sind demnach Bewerber aus der Türkei, dem Nahen Osten und Afrika sowie solche, die dem Islam angehören, und schwarze Menschen. Während 60 Prozent der Bewerber mit deutschem Namen eine positive Rückmeldung erhalten haben, war das nur bei 51 Prozent der Bewerber mit Migrationshintergrund der Fall – trotz gleichwertiger Qualifikation.

Am schlechtesten schnitten albanische (41 Prozent), marokkanische (42 Prozent) und äthiopische (43 Prozent) Kandidaten ab. Sie müssen durchschnittlich ein Drittel mehr Bewerbungen schreiben, um die gleiche Anzahl an positiven Rückmeldungen zu erhalten wie Bewerber mit deutschen Namen.

Bewerber spanischer Herkunft besser bewertet als Deutsche

Auch die Diskriminierung von Personen mit türkischem Migrationshintergrund ist erheblich. Im Vergleich zu deutschen Bewerbern (60 Prozent) erhielten 13 Prozent weniger eine positive Rückmeldung. Polen (61 Prozent), Schweizer (61) und Chinesen (59) hingegen haben trotz Migrationshintergrund kaum Nachteile. Kandidaten spanischer Herkunft bekamen sogar häufiger (73 Prozent) eine positive Rückmeldung als deutsche Bewerber.

Nadine Al-Athamina gibt es nicht wirklich. Sie steht für eine der knapp 6000 fiktiven Bewerbungen, die das WZB für das Experiment auf reale Stellen in acht verschiedenen Ausbildungsberufen verschickte. Alle Bewerber hatten die deutsche Staatsbürgerschaft und waren in Deutschland geboren. Neben dem Herkunftsland der Eltern, dem phänotypischen Erscheinungsbild der Bewerber und ihrer Religionszugehörigkeit wurden auch Merkmale wie das Geschlecht und der Notendurchschnitt variiert.

Im internationalen Vergleich herrsche auf dem deutschen Arbeitsmarkt zwar weniger Ablehnung, „dennoch muss man bedenken, dass jeder der Bewerber deutsch war – hier geboren, hier sozialisiert“, sagt Susanne Veit, eine der Autorinnen der Studie. „Einige wurden nur aufgrund ihres Namens oder ihrer Hautfarbe abgelehnt.“