Berlin. Der Energiemarkt ist seit 20 Jahren liberalisiert. Dennoch zahlen Kunden heute 70 Prozent mehr. Durch Anbieterwechsel kann man sparen.

Die Auswahl ist groß. Seit der Zerschlagung des Monopols im Strom- und Gasmarkt vor 20 Jahren ist die Zahl der Energieanbieter stark gestiegen. Dutzende Unternehmen bieten ihre Dienste an. Doch die Hoffnung auf sinkende Preise durch die Liberalisierung hat sich nicht erfüllt.

Im Gegenteil. Die Verbraucher zahlen heute mehr als je zuvor. Der Preis pro Kilowattstunde Strom ist seit April 1998 um 70 Prozent auf durchschnittlich 29,16 Cent gestiegen. Hauptgrund für die Verteuerung ist die Entwicklung von Steuern, Umlagen und Netzentgelten, die private Haushalte bezahlen müssen.

Wechsel vom Anbieter lohnt sich häufig

Allein die Förderung der erneuerbaren Energien kostete einen Durchschnittshaushalt mit einem Verbrauch von jährlich 4000 Kilowattstunden seit der Jahrtausendwende 2200 Euro, ermittelte das Vergleichsportal Verivox.

Gleichzeitig kann sich ein Wechsel des Stromanbieters lohnen. Unter Einberechnung der Bonuszahlungen lassen sich 300 bis 400 Euro im ersten Jahr einsparen. Dies gilt vor allem für jene gut 30 Prozent aller Haushalte, die laut Bundesnetzagentur immer noch einen besonders teuren Grundversorgungsvertrag bei ihrem Anbieter haben.

Gleichzeitig tauchen bei den Verbraucherzentralen auch immer wieder Beschwerden über Unregelmäßigkeiten beim Wechsel auf – zum Beispiel über deutliche Preiserhöhungen kurz nach dem Wechsel oder über Boni, die nicht ausgezahlt werden. Wer einen neuen Anbieter sucht, sollte die Tricks der Unternehmen kennen. Die Morgenpost sprach mit Experten und beantwortet wichtige Fragen.

Wann kann ich meinen gültigen Stromvertrag kündigen?

Dies hängt von der Art des Vertrags ab­. Wer in der Grundversorgung seines örtlichen Energieanbieters – wie Vattenfall – ist, kann den Vertrag jederzeit mit einer Frist von zwei Wochen kündigen.

„Bei einem anderen Vertrag ist man an die dort festgelegte Laufzeit gebunden, meist sind das zwölf Monate“, sagt Michael Knobloch, Energieexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. Üblich ist dann eine Kündigungsfrist von maximal sechs Wochen.

„Wenn der Stromanbieter seine Preise oder die Vertragsbedingungen ändert, gibt es ein Sonderkündigungsrecht“, sagt Knobloch. Ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kann der Vertrag dann bereits zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen gekündigt werden. Man muss sich jedoch schnell einen neuen Stromanbieter suchen. Gelingt das nicht, springt automatisch der örtliche Energieversorger ein.

Eine Unterbrechung der Stromversorgung ist ausgeschlossen – der Verbraucher sitzt also deshalb niemals im Dunkeln. Bei einem regulären Wechsel – also nicht als Reaktion auf eine Preiserhöhung – sollte man die Kündigung grundsätzlich seinem neuen Anbieter überlassen, raten Verbraucherschützer.

Wie lange sollte ich mich an einen neuen Anbieter binden?

Die Verträge laufen oft zwölf Monate und verlängern sich auch um diese Zeitspanne, wenn sie nicht rechtzeitig gekündigt werden. Das kann zum Nachteil werden, wenn die Preise im zweiten Jahr steigen, was häufig der Fall ist.

Warum bekommt man von einer Preiserhöhung oft nichts mit?

Die Energieversorger verstecken die schlechte Botschaft nicht selten in vermeintlichen Werbeschreiben. Oft kommt der Verweis auf die Preiserhöhung erst am Ende eines langen Textes. „Kunden begreifen die Tarifänderungen meistens erst dann, wenn die höhere Rechnung im Briefkasten liegt“, sagt Beate Schön, Rechtsexpertin beim Verbraucherportal Finanztip.

Dann ist es aber für eine Sonderkündigung zu spät, und die höheren Preise gelten dann bereits – meist für zwölf Monate oder noch länger. Dabei ist klar vorgeschrieben, wie Energieversorger Preiserhöhungen ankündigen müssen: transparent und verständlich.

Wie sind Pakettarife und Tarife gegen Vorkasse zu bewerten?

Vor solchen Tarifen wird von Verbraucherschützern ausdrücklich gewarnt. Insbesondere nach den spektakulären Insolvenzen von Teldafax und Flexstrom, die Hunderttausenden Kunden Strom gegen Vorkasse verkauft haben. Bei einem Vorkasse-Pakettarif kauft man eine bestimmte Menge Strom. Sollte der Kunde weniger verbrauchen, verschenkt er Geld.

Benötigt er dagegen mehr Energie, muss für deutlich höhere Tarife Strom teuer nachkaufen. „Beide Tarifarten spielen aber kaum noch eine Rolle“, sagt Kruse. Aktuell werden vor allem Boni oder Tabletcomputer als Werbegeschenke angeboten.

Warum habe ich meist nur im ersten Jahr einen niedrigen Strompreis?
Das liegt häufig an den Bonuszahlungen der Anbieter, die den Preis im ersten Jahr um einige Hundert Euro drücken. Denn ohne diese Bonuszahlungen haben die Energieunternehmen wenig Spielraum, sich preislich von den Wettbewerbern abzusetzen.

Denn: Zu mehr als zwei Dritteln setzt sich der Strompreis aus Steuern und Abgaben sowie den Gebühren der Stromnetz­betreiber zusammen. Die Kosten für Erzeugung und Vertrieb von Strom machen nur rund 19 Prozent aus (siehe Grafik).

Meistens kalkulieren die Anbieter im ersten Jahr mit negativen Margen, verdienen also kein Geld. Das kann sich aus ihrer Sicht nur auszahlen, wenn der Kunde in den Folgejahren deutlich höhere Preise bezahlt. „Je höher der Bonus, desto skeptischer sollte man gegenüber dem Anbieter sein“, sagt Knobloch.

Kann ich sicher sein, die Boni auch wirklich zu bekommen?

Relativ sicher ist der Sofortkunden­bonus. „Er wird bei rund 90 Prozent der Unternehmen zwei Monate nach Belieferungsbeginn ausgezahlt“, sagt Jan Rabe, Chef des Internetportals Wechselpilot, das den Wechsel des Anbieters für den Kunden übernimmt. Der Neukundenbonus wird erst nach zwölf Monaten ausgezahlt. „Mitunter werden Kunden, wenn sie gekündigt haben, einen Tag vorzeitig aus dem Vertrag entlassen.“ So wollen sich Anbieter die Bonuszahlungen sparen. Man müsse genau zum Stichtag kündigen, rät Rabe. Manche Unternehmen zahlen den Bonus auch nur, wenn man sie daran erinnert.

Wie kann ich herausfinden, ob ein Energieanbieter seriös ist?

Einen schnellen Überblick liefert das Beschwerdeportal Reclabox. Unter den zehn Firmen mit den meisten Beschwerden tauchen dort gleich fünf Energieanbieter auf.

Wie sieht es bei den Gasanbietern aus?

Beim Gas kam der Wettbewerb erst vor zehn Jahren richtig in Schwung, als das Bundeskartellamt die großen Gaskonzerne zur Öffnung ihrer Netze zwang. Inzwischen gibt es mehr als 500 Gaslieferanten, die überregionale Tarife anbieten. Auch hier lohnt der Preisvergleich und mögliche Wechsel.