Berlin. Auf Druck der EU arbeiten Konzerne wie Unilever daran, Shampooflaschen und Cremedosen recyclebar zu machen. Auch Discounter reagieren.

In der Dusche sammeln sich Shampooflaschen, Duschgelboxen und Rasierer. Wandert der Blick zum Waschbecken liegen dort Zahnbürste und -pasta, Tagescreme, Deo. Wirklich nichts davon ist plastikfrei – nicht in der Verpackung und meist auch nicht im Inhalt. Selbst das Toilettenpapier ist in Kunststoff verpackt. Und wenn die Tuben leer sind, der Rasierer stumpf, landen sie im Müll. Ein Problem, wie die Europäische Kommission festgestellt hat, die die Menge des Abfalls dringend verringern will und entsprechend Druck auf Discounter und Supermärkte sowie Konzerne wie Procter & Gamble oder Unilever aufbaut, die Produkte des täglichen Bedarfs herstellen.

Jeder Deutsche produziert rund 37 Kilogramm Plastikmüll im Jahr, wie die europäische Statistikbehörde Eurostat ermittelt hat. Deutschland liegt damit sechs Kilo über dem EU-Durchschnitt und auf Platz vier im Ländervergleich. An der Spitze steht Irland mit 60, am Ende Bulgarien mit knapp 14 Kilo.

Bis 2030 sollen alle Kunststoffe wiederverwertbar sein

Auf jeden Fall ist das aus Sicht der EU-Kommission zu viel. Sie will Unternehmen zwingen, Abfall zu vermeiden. Bis 2030 sollen zum Beispiel alle eingesetzten Kunststoffe wiederverwertbar sein. Außerdem sollen weniger Einwegkunststoffe und Mikroplastik eingesetzt werden. Letzteres findet sich zum Beispiel in Duschgels oder Cremes. „Wenn wir nicht die Art und Weise ändern, wie wir Kunststoffe herstellen und verwenden, wird 2050 in unseren Ozeanen mehr Plastik schwimmen als Fische“, warnte Erster Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans bei Vorstellung der EU-Plastikstrategie im Januar.

Zwischen 2005 und 2015 ist die Menge des Plastikmülls in Deutschland um 29 Prozent gestiegen. Nur ein geringer Teil wird recycelt, das meiste landet in Verbrennungsanlagen. Zudem schipperten die EU-Staaten bislang 87 Prozent der Plastikabfälle nach China. ­Alleine Deutschland exportierte jährlich 800.000 Tonnen. Doch die Volksrepublik möchte nicht mehr Weltmüllkippe sein und stoppt den Import.

Ein erster Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und Wiederverwertung wurde getan, als das Bundesumweltministerium und der Handelsverband 2016 vereinbarten, die Menge der ausgegebenen Plastiktüten zu verringern. Bis 2025 soll ihre Zahl demnach auf 40 pro Kopf im Jahr sinken. Vor der Vereinbarung waren es 71. Mehr als 350 Unternehmen haben sich mittlerweile angeschlossen. Nach Angaben der Gesellschaft für ­Verpackungsmarktforschung wurden so mehr als zwei Milliarden Plastiktüten weniger ausgegeben, der Verbrauch im Einzelhandel um ein Drittel verringert.

„Pampers“-Hersteller will 20 Prozent weniger Verpackungen gebrauchen

Der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble („Head & Shoulders“, „Pampers“, „Lenor“) will die Verpackungsmenge pro Artikel bis 2020 um 20 Prozent reduzieren. Zudem sollen dann 90 Prozent der Verpackungen recycelbar sein, der Einsatz von recycelbarem Kunststoff soll sich bis dahin verdoppeln. „Dies bedeutet rund 52.000 Tonnen Rezyklat, das wir beschaffen und einsetzen wollen“, sagt Sprecherin Gabriele Hässing. Der Konzern bietet etwa eine Variante seines Anti-Schuppen-Shampoos „Head & Shoulders“, bei dem die Flasche zu 20 Prozent aus recyceltem Kunststoff besteht. Verwendet wird vom Meer angeschwemmtes Plastik.

Der niederländisch-britische Konsumgüterkonzern Unilever („Knorr“, „Magnum“, „Dove“) will bis 2020 den Abfall, der durch die Entsorgung der eigenen Produkte entsteht, halbieren. Bis 2025 sollen außerdem 25 Prozent der von Unilever eingesetzten Kunststoffmaterialien aus Recycling kommen. „Weltweit wurden 2016 bereits 3830 Tonnen Rezyklat in unseren Kunststoffverpackungen verarbeitet“, sagt Unilever-Sprecherin Saskia Leisewitz.

Supermarktketten wie Lidl und Rewe arbeiten ebenfalls daran, den Plastikeinsatz zu verringern. Der Discounter Lidl hat sich als Ziel gesetzt, bis 2025 mindestens 20 Prozent weniger verwenden zu wollen. Der Hebel dafür seien die Eigenmarken, die rund 70 Prozent des gesamten Sortiments ausmachten, hieß es. Einzelne Beispiele gibt es schon: Die Folie ums Toastbrot ist jetzt um ein Viertel dünner, die Verpackung einer Nusssorte um ein Fünftel kleiner. Die Einzelhandelskette Rewe und der konzerneigene Discounter Penny probieren gerade in einigen Filialen sogenannte Unverpackt-Konzepte aus – Mehrwegboxen und wiederverwendbare Netze für Obst und Gemüse.

Auch Verbraucher wollen Verpackungsmüll reduzieren

Damit folgen Konzerne und Supermarktketten nicht nur der EU-Verordnung, sondern auch dem Wunsch der Verbraucher. In einer Umfrage der Unternehmensberatung PWC sprachen sich 95 Prozent der Verbraucher dafür aus, dass weniger Material bei Verpackungen eingesetzt wird. Jeder Dritte verzichtet demnach auf den Kauf eines Produktes, weil es nicht nachhaltig oder auch zu umfangreich verpackt ist.

Schon jetzt würde in Deutschland viel von dem gemacht, was die EU-Plastikstrategie fordere, sagt Thomas Probst, Kunststoffexperte beim Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung. „Dennoch dauert die Umsetzung teilweise sehr lange. Die bürokratischen Hürden in Deutschland müssten dahingehend dringend abgebaut werden“, sagt er. Baugenehmigungen für Sortieranlagen zu bekommen sei beispielsweise eine langwierige Angelegenheit.