Wolfsburg. Als Teil des großen Konzernumbaus soll auch der Chefposten bei VW neu besetzt werden. Als Müller-Erbe wird Herbert Diess gehandelt.

Volkswagen steht offenbar vor einem Umbau der Konzernspitze. Der Vorstandsvorsitzende Matthias Müller soll nach Informationen dieser Zeitung von VW-Markenchef Herbert Diess abgelöst werden. Volkswagen äußerte sich am Dienstag nicht zu der Personalie, kündigte aber in einer Pflichtmitteilung an, die Führungsspitze des Konzerns umbauen zu wollen. Medienberichten zufolge soll auch Karlheinz Blessing gehen. Der Personalvorstand soll laut „Spiegel“ von Gunnar Kilian beerbt werden, der aktuell Generalsekretär des VW-Konzernbetriebsrates ist.

Der Konzern erwäge „eine Weiterentwicklung der Führungsstruktur für den Konzern“. Dazu könnte auch eine Veränderung im Amt des Vorstandsvorsitzenden gehören. Müller habe seine grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, an den Veränderungen mitzuwirken, hieß es. Der Kurs der Volkswagen-Aktie stieg daraufhin kräftig an. Der Vertrag des 64-jährigen Müller läuft eigentlich noch bis 2020.

Schon am Freitag dürfte die Entscheidung für Diess offiziell werden. Dann tagt der Aufsichtsrat, dabei dürfte es auch um die Top-Personalien gehen. Nach Informationen dieser Zeitung soll Müller nicht kalt abgesetzt werden. Stattdessen sei eine Staffelübergabe an Diess vorgesehen.

Der weltgrößte Autobauer will nach den Rückschlägen im Zusammenhang mit den Skandalen um manipulierte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen nun offenbar ein neues Kapitel aufschlagen. Insidern zufolge ist der Schritt Teil eines größeren Konzernumbaus. Das „Handelsblatt“ berichtete, die Vertreter der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch, des Landes Niedersachsen und Katars hätten zuletzt über einen Wechsel an der Spitze des Vorstandes diskutiert. Es gehe dabei um einen Neuanfang, nach der „weitgehenden Aufarbeitung des Dieselskandals“, schrieb das Blatt.

Müller verhielt sich in der Öffentlichkeit oft ungeschickt

Die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch hatten Müller im September 2015 zum Vorstandsvorsitzenden berufen – der damalige Konzernchef Martin Winterkorn musste im Zuge der Dieselkrise zurücktreten. Zuvor leitete Müller die Konzernmarke Porsche. Müller schaffte es zuletzt wieder, ein Rekordergebnis zu präsentieren. Der Autobauer erwirtschaftete 2017 elf Milliarden Euro Gewinn. Beobachter halten Müller auch zugute, dass er die Elektromobilität vorangetrieben und einen Kulturwandel angestoßen habe.

Der mögliche neue VW-Chef Herbert Diess, zurzeit VW-Markenchef, auf dem Genfer Autosalon.
Der mögliche neue VW-Chef Herbert Diess, zurzeit VW-Markenchef, auf dem Genfer Autosalon. © Getty Images News/Getty Images | Getty Images

Dennoch steht der Wolfsburger Autobauer noch immer vor der Aufgabe, effizienter und ertragsstärker zu werden. Spekuliert wird auch über einen Verkauf der Nutzfahrzeugsparte. Ob Müller angesichts der großen Aufgaben noch der richtige Mann war, ist umstritten. Beobachter nahmen seit Monaten Ermüdungserscheinungen wahr. Zudem verhielt sich der Volkswagen-Chef bei öffentlichen Auftritten mitunter ungeschickt. Vor einigen Monaten regte er ein Ende der Steuervorteile für Diesel an, was beim Rest der Branche gar nicht gut ankam. Müller soll zunehmend empfindlicher auf Rückschläge reagiert haben. So habe ihm die Affäre um Abgasversuche an Affen persönlich zugesetzt, heißt es.

Herbert Diess hingegen gilt weiterhin als sehr erfolgshungrig und ehrgeizig. Der 59-Jährige ist seit Juli 2015 VW-Markenvorstand und war zuvor bei BMW im Vorstand. Unter seiner Leitung ist die Konzern-Kernmarke wirtschaftlich deutlich stärker geworden. Dazu beigetragen hat der mit dem Betriebsrat vereinbarte „Zukunftspakt“. Der beinhaltet den technischen und organisatorischen Umbau der Marke sowie den Abbau von 14.000 Arbeitsplätzen.

Diess brauchte nach Streit mit dem Betriebsrat Unterstützung

Anfang des vergangenen Jahres hatte sich Diess wegen dessen Umsetzung einen öffentlich ausgetragenen Streit mit dem Betriebsrat geliefert. Damals konnte sich Diess nach Informationen unserer Redaktion nur dank der Unterstützung der Familien Porsche und Piëch im Amt halten. Inzwischen ist das Verhältnis zwischen beiden Parteien befriedet, das Arbeitsklima gilt als konstruktiv.

Wann genau Diess seinen Vorgänger ablösen könnte, ist noch unklar. Der Schritt dürfte zeitnah vollzogen werden. Vielleicht schon zum 3. Mai – wenn der Konzern zur Hauptversammlung lädt. Müller war nach dem Bekanntwerden des Abgasbetrugs der Mann fürs Grobe, heißt es bei VW, nun soll Diess für den Feinschliff sorgen.