Berlin. Die rechte Gruppierung „Zentrum Automobil“ kandidiert für den Betriebsrat bei Stihl. Für den Motorsägen-Marktführer ist es eine Zäsur.

Verglichen mit dem Lärm einer Kettensäge ist es ein leiser Vorgang: Die rechte Gruppierung „Zen­trum Automobil“ nimmt nach Daimler-Benz jetzt auch den Motorsägen-Weltmarktführer Stihl ins Visier. Eine Untergruppe der selbst ernannten „alternativen Gewerkschaft“ tritt bei den Betriebsratswahlen der Stihl AG im schwäbischen Waiblingen an. Das Unternehmen wurde von der Entwicklung kalt erwischt und reagiert besorgt.

Vier Listen bewerben sich bei der Wahl am 20./21. März um Betriebsratssitze bei Stihl. Die mit Abstand größte stellt die IG Metall mit mehr als 30 Kandidaten. Von der „Liste 3: Mut zur Veränderung“ hat lange niemand ernsthaft Notiz genommen, weder die Belegschaft noch das Management. Das hat sich nun schlagartig geändert.

Denn mittlerweile ist klar, auf wessen Ticket diese Liste läuft. Sie ist der jüngste Ableger vom „Zentrum Automobil“ – ein Verein, dessen Spitzen tiefer in rechtsextremen Kreisen verwurzelt scheinen als in der betrieblichen Mitbestimmung. (Lesen Sie hier: Rechte Betriebsräte sind laut DGB kein Massenphänomen.)

Spitzenkandidat mit Pegida-Gründer unterwegs

Im Daimler-Werk Untertürkheim stellte sich die „Liste Zentrum“ zur Wahl, ebenfalls ein Ableger vom „Zentrum Automobil“. Spitzenkandidat Oliver Hilburger tritt gern gemeinsam mit Pegida-Gründer Lutz Bachmann, AfD-Rechtsaußen Björn Höcke und Jürgen Elsässer, Herausgeber des rechtsnationalen „Compact“-Magazins, auf.

20 Jahre lang hat Hilburger in der Neonazi-Band „Noie Werte“ gespielt. Zwei Lieder dieser Gruppe tauchen auf Vorgängerversionen des Videos auf, mit dem die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) ihre Mordserie feierte. Andere Mitglieder vom „Zentrum Automobil“ waren den „Stuttgarter Nachrichten“ zufolge in der verbotenen Neonazi-Organisation „Wiking-Jugend“ und der Skinhead-Gruppe „Kreuzritter für Deutschland“.

Der Jenaer Gewerkschaftsforscher Klaus Dörre sieht die vermeintliche Gewerkschaft „fest verankert in der militanten, äußersten rechten Neonazi-Szene, im Umfeld von ,Blood & Honour‘“. Das rechtsextreme Netzwerk ist seit 2000 verboten. „Das war auch das Umfeld des NSU“, erklärt Dörre.

Der Vorstand kann die Kandidatur nicht verhindern

Für den „Zentrum“-Ableger beim Motorsägen-Primus Stihl kandidieren zwei Männer, die bekannt sind in der Firma: ein aktueller und ein ehemaliger Betriebsrat. Dass sie nun für das rechte Lager antreten, drückt die Stimmung im Betrieb. „Als Unternehmen haben wir gemäß Betriebsverfassungsgesetz keinerlei Einfluss auf die Betriebsratswahlen und die Kandidaten, die sich dafür zur Wahl stellen“, erklärt Michael Prochaska, Stihl-Vorstand für Personal und Recht.

Dies verbiete das Betriebsverfassungsgesetz. „Solange kein arbeits- oder strafrechtliches Fehlverhalten im Betrieb vorliegt, sind uns generell die Hände gebunden.“

Für das schwäbische Familienunternehmen, 1926 gegründet und mittlerweile mit insgesamt rund 15.000 Mitarbeitern in 160 Ländern weltweit präsent, bedeutet schon die Aufstellung einer rechten Liste eine Zäsur. Allein unter den rund 4000 Beschäftigten am Stammsitz in Waiblingen sind fast 50 Nationen versammelt.

„Wir lehnen Extremismus, egal in welche Richtung, ab“

„Wir schätzen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und pflegen seit Jahrzehnten eine sehr partnerschaftliche, konstruktive Beziehung mit unseren Beschäftigten und unserem Betriebsrat“, sagt Personalchef Prochaska. „Darauf sind wir stolz. Wir lehnen Extremismus, egal in welche Richtung, ab.“

Bei den Betriebsratswahlen im Mercedes-Benz-Werk Rastatt hat die „Liste Zentrum“ acht Prozent der Stimmen und drei Mandate bekommen. Das gab der Betriebsrat am Freitag bekannt. Im Daimler-Stammwerk Untertürkheim und im Werk Sindelfingen enden die Betriebsratswahlen am 5. März.