Peking/Berlin. Peking plant die Neue Seidenstraße. Das Infrastrukturprojekt weckt auch Ängste, doch die deutsche Wirtschaft verspricht sich Chancen.

Es ist das größte Infrastrukturprojekt seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Chinas Neue Seidenstraße soll die Wirtschaft Asiens und Europas stärker aneinanderbinden – und die Macht des Landes kräftig ausbauen. Kritiker fürchten dadurch Gefahren für die Weltwirtschaft. Deutsche Handelsexperten sehen allerdings große Chancen für deutsche Unternehmen. Und: „Wenn wir uns nicht beteiligen, können wir uns nicht beschweren. Dann können wir auch nichts verbessern“, sagt Volker Treier, Außenhandelsexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK).

Der Name Neue Seidenstraße erinnert an eine der ältesten Handelsrouten der Welt. Doch die Chinesen denken größer. Das Land allein will umgerechnet 900 Milliarden Dollar (732 Milliarden Euro) investieren – das größte Programm seit dem Marshallplan, mit dem die USA vor 70 Jahren den Wiederaufbau Westeuropas unterstützten.

Erste Projekte mit deutscher Beteiligung laufen schon

Bei den chinesischen Plänen geht es um neue Straßen und Schienen zwischen Europa und Asien, Schiffsrouten, Hafenausbau, Kraftwerke, Pipelines. Insgesamt haben die Pläne einen Umfang von mehr als 26 Billionen Dollar. Auch Afrika wollen die Chinesen einbinden. Und neue Pläne sehen sogar eine Schiffsroute nördlich Russlands durchs Eismeer vor.

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    Erste Projekte mit deutscher Beteiligung gibt es bereits. So sind die chinesischen Metropolen Chongqing, Zhengzhou, Xi’an und Shenyang bereits per Bahn mit Duisburg und Hamburg verbunden. Doch aus Sicht von Wirtschaftsverbänden ist deutlich mehr möglich. Allerdings werden wohl nicht alle Branchen und Unternehmen gleichermaßen profitieren.

    Neue Seidenstraße große Chancen für deutsche Unternehmen

    Auch wenn chinesische Politiker das Gegenteil behaupten: Das Projekt soll vor allem China selbst helfen – seinen Bau-, Stahl- und Transportunternehmen. Von deren Wissen und dem Geld der chinesischen Zentralregierung wiederum können zwischen Südasien und Nordafrika viele Länder profitieren, die moderne Straßen, Eisenbahnen und eine verbesserte Infrastruktur brauchen.

    Und deutsche Firmen? „Eine Beteiligung an Projekten im Rahmen der Neuen Seidenstraße zwischen Peking, Duisburg, Jakarta und Dar-es-Salaam bietet deutschen Unternehmen erhebliche Chancen“, sagt Außenhandelsexperte Treier. Schließlich würden in nur zehn Jahren 90 Prozent des weltweiten Wachstums außerhalb Europas stattfinden. „Mittel- bis langfristig rückt dann auch die Erschließung dieser neu verbundenen Märkte in den Fokus.“

    Vorteile auch für spezialisierte Mittelständler

    Hinzu käme, dass China im Rahmen des Seidenstraßen-Projekts den Aufbau neuer Handelsregime zwischen Asien, Europa und Afrika vorantreibe. „Es ist wichtig, dass wir uns hier einbringen – um Regeln für fairen Handel und nachhaltige Standards auch im Umwelt- und Sozialbereich mitzugestalten.“

    Interessant sei die Neue Seidenstraße nicht nur für Großkonzerne mit starker Basis in China wie Siemens, sondern auch für spezialisierte Mittelständler, sagt Jürgen Friedrich, Chef von Germany Trade & Invest, der bundeseigenen Marketinggesellschaft für den Wirtschaftsstandort Deutschland. „Einer Umfrage der Auslandshandelskammer unter 2500 in China tätigen deutschen Unternehmen zufolge sehen 35 Prozent einen positiven Effekt für sich durch die Seidenstraße.“

    Proteste in Sri Lanka und Kenia

    In Ländern wie Sri Lanka oder Kenia gingen bereits 2017 Menschen gegen das Seidenstraßen-Projekt auf die Straße. Sie fürchten um ihre Eigentums- und Bürgerrechte. Indien sieht sich von China eingekreist, denn einige der größten Projekte finanziert Peking ausgerechnet in Pakistan, Bangladesch und Nepal. Stattdessen soll Indien mit den USA, Australien und Japan über Alternativen sprechen.

    Skeptiker warnen vor einer Globalisierung chinesischer Prägung ohne konkrete Rahmenbedingungen, ohne Bekenntnisse zu Umwelt- und Sozialstandards. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte bei der Münchner Sicherheitskonferenz: „Die Initiative für eine Neue Seidenstraße ist keine sentimentale Erinnerung an Marco Polo. Sondern sie steht für den Versuch, ein umfassendes System zur Prägung der Welt im chinesischen Interesse zu etablieren.“