Washington. Ein rasanter Kurssturz an den US-Börsen hat Anleger rund um den Globus aufgeschreckt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Crash.

Getrieben von der Sorge vor einer Überhitzung der brummenden amerikanischen Wirtschaft hat der rasante Börsen-Crash in den USA eine weltweite Ketten-Reaktion ausgelöst. Auch in Asien und Europa gingen die Kurse am Dienstag weiter in den Keller. Binnen nicht einmal einer Woche seien global Börsenwerte von fast 5000 Milliarden Dollar vernichtet worden, sagen Experten.

Sie geben gleichzeitig Entwarnung. Danach handelt es sich bei dem Einbruch im Kern um eine Marktkorrektur, die auf zu gute, nicht zu schlechte Wirtschaftsdaten zurückgehe. Insgesamt bleibe die Weltwirtschaftslage stabil. Die wichtigsten Fragen und Antworten auf einen Blick:

Was ist passiert?

Ein Fernseher an der New Yorker Börse stellt Neuigkeiten zu den Aktienkursen dar und zeigt den Text: „Biggest Point Drop Ever For Dow“.
Ein Fernseher an der New Yorker Börse stellt Neuigkeiten zu den Aktienkursen dar und zeigt den Text: „Biggest Point Drop Ever For Dow“. © dpa | Richard Drew

Am Montag verlor der seit 133 Jahren bestehende US-Leitindex Dow Jones zwischenzeitlich 1600 Punkte – soviel wie noch niemals zuvor binnen eines Tages. Angst-Barometer, die das Befinden der Anleger „messen“, schossen um 100 % in die Höhe. Am Ende stand ein Minus von 1100 Punkten zu Buche, was einen realen Verlust von 4,6 % bedeutet – der größte seit 2011. Aber keinen Weltuntergang. Es gab 50 Abstürze, die schwerwiegender waren. Zum Vergleich: Beim Zusammenbruch 1987 ging die Börse um 23 % bergab.

Der Negativtrend vom Montag setzte sich Dienstag fort: Während in Japan der Nikkei-Index 4,7 % verlor, stand der DAX an der Frankfurter Börse am Mittag mit 2,5 % im Minus.

Was sind die Ursachen für die Ereignisse in Amerika?

Seriöse Analysten weisen darauf hin, dass niemand verlässlich weiß, was den Crash ausgelöst hat. Es gibt ein Bündel von möglichen Faktoren.

A) Es könnte ein temporärer Dämpfer gewesen sein, der nur deshalb so viel Panik erzeugte, weil die Börsianer seit Jahren nur einen Weg kannten: den nach oben.

B) Es könnte auch der Beginn einer längeren Korrekturphase sein, bei der die seit 2009 stetig und unverhältnismäßig zur realen Produktivität gestiegenen Aktienkurse „ehrlich“ gemacht werden. Detail: Der Dow Jones stieg von Januar 2017 bis Januar 2018 um 26 %, „normal“ wären 8 % gewesen.

C) Weil die meisten Börsen durch Computer-Algorithmen gesteuert werden, hat der binnen Bruchteilen von Sekunden automatisierte Handel mit Wertpapieren den Kursverfall beschleunigt. Börsianer sprechen darum von „Flash Crash“.

Jerome Powell war Donald Trumps Wunschkandidat als Chef der US-Notenbank Federal Reserve.
Jerome Powell war Donald Trumps Wunschkandidat als Chef der US-Notenbank Federal Reserve. © dpa | Alex Brandon

D) Es gibt reale Inflations- und damit Zins-Ängste, die aus der boomenden US-Wirtschaft, dem damit verbundenen unerwartet hohen Anstieg der Löhne und der milliardenschweren Steuer-Reform der Regierung Trump herrühren. Sie richten sich an die Adresse der Zentralbank, die just am Montag in Gestalt von Jerome Powell einen neuen Chef bekommen hat.

Was wird die „Federal Reserve“ tun – und wann?

Niemand weiß es heute. Sollten die Zentralbanker, um einen Anstieg der Preissteigerungsrate (derzeit 1,7 %) zu dämpfen, die Leitzinsen (derzeit bei maximal 1,5 %) schneller und umfangreicher erhöhen, werden für Investoren Kredite teurer, Konsumenten fahren (in der Theorie) ihr Ausgabeverhalten zurück, Wachstum ebbt ab. Alles Gift für die Börse, wo Anleger dann Aktien gegen Staatsanleihen tauschen würden. Am Ende besteht die Gefahr einer Rezession.

Powell, Nachfolger der Trump zu eigenständig denkenden Janet Yellen, hat bisher keine Signale gesendet, die niedrigen Zinsen drastisch und zügig zu erhöhen. In diesem Jahr wird über drei Anpassungsschritte auf 2,25 % spekuliert. Sollte die Inflation schneller anziehen, fürchten Wall Street-Experten jedoch eine Erhöhung bis zu 3 %. Powell steht unter Sonderbeobachtung. Jeder seiner Schritte kann schwere Konsequenzen haben. Als Alan Greenspan 1987 ins Amt des obersten Notenbankers kam, verlor die Börse in den ersten Monaten fast 30 Prozent.

Was heißt all das für Donald Trump?

US-Präsident Donald Trump bei einem Auftritt in Ohio.
US-Präsident Donald Trump bei einem Auftritt in Ohio. © REUTERS | JONATHAN ERNST

Für den Präsidenten ist der Börsen-Crash ein Realitätsschock. Seit Amtsantritt hat er über 50 Mal bei öffentlichen Auftritten die boomenden Börsen kausal mit seiner Wirtschaftspolitik erklärt, obwohl Fachleute ihm davon abgeraten hatten. Binnen eines Jahres sei so ein Mehrwert von 8000 Milliarden Dollar entstanden, der allen Amerikanern nutze, behauptete Trump. Das, und nicht die für ihn konstant negativen Beliebtheitswerte in den Umfragen, sei der wahre Gradmesser für die Wertschätzung, die er erfahre – und verdiene. Noch in seiner „Rede zur Lage der Nation“ betonte er, dass die „Aktienmärkte einen Rekord nach dem anderen gebrochen haben“.

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Diese Angeber-Pose fällt ihm nun vor die Füße. Das jähe Ende der Kurs-Rally ist untrennbar mit seiner Präsidentschaft verbunden. Der frühere Regierungssprecher von Vorgänger Obama, Jay Carney, reagierte mit dezenter Schadenfreude: „Wenn Du den Anstieg für Dich reklamierst, gehört Dir auch der Absturz.“ Als die negativen Daten am Montag im Fernsehen fortlaufend aktualisiert wurden, hielt Trump in Blue Ash/Ohio eine Rede vor Industriearbeitern. Er erwähnte die Börse mit keinem Wort.

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Wie zieht sich das Weiße Haus aus der Affäre?

Die Regierung schweigt bisher. Sie verweist auf die günstigen wirtschaftlichen Fundamentaldaten. Die seien „außergewöhnlich stark“. Gemeint ist: Der Arbeitsmarkt bewegt sich bei einer Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent in Richtung Vollbeschäftigung. Das Verbrauchervertrauen ist weiterhin gut, es wird ausgegeben, Firmen investieren, die Konjunktur läuft. Der individuelle Schuldenstand ist zurückgegangen. Zentrale Wirtschaftszweige wachsen. Ökonomie-Nobelpreisträger Paul Krugman, wahrlich kein Freund von Trump, gibt dem Präsidenten indirekt das Stichwort: „Die Börse ist nicht die Wirtschaft.“