New York/Berlin . Im Jahr 2014 sollen Affen in den USA gezielt Abgasen ausgesetzt worden sein. Das nächste Kapitel im Abgas-Skandal ruft Empörung hervor.

Nach Bekanntwerden der Tierversuche durch Volkswagen in den USA ist die Empörung über das Vorgehen groß. Linke-Chefin Katja Kipping verbreitete über den Kurznachrichtendienst Twitter, die Chefetagen der deutschen Autobauer seien „verkommen“. Grünen-Politiker Oliver Krischer kritisierte, die Autobauer hätten ihren „Wertekompass verloren“.

Die Tierschutzorganisation Peta nannte den Fall „besonders skandalös, weil die Toxizität von Dieselabgasen seit Jahrzehnten bekannt ist“, sagte Peter Höffken von Peta unserer Redaktion.

VW habe sich auf einen Pakt mit dem Teufel eingelassen, denn das beauftragte Tierversuchslabor LRRI wurde in den letzten Jahren von den amerikanischen Behörden mehrfach wegen schlimmer Tierquälereien zu hohen Geldbußen verurteilt.

Volkswagen distanziert sich von Tierquälerei

In einer Antwort an die Tierschutzorganisation, die unserer Redaktion vorliegt, distanzierte sich der Volkswagen-Konzern von „jeglicher Form der Tierquälerei“. Tierversuche würden den ethischen Standards widersprechen.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium wollte auf Anfrage den Fall nicht kommentieren. Ein Sprecher teilte unserer Redaktion jedoch mit, dass die Genehmigungsbehörden in Deutschland bei der Zulassung von Tierversuchen einen strengen Maßstab anlegen müssten. „Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob es zuverlässige Alternativen gibt.“

Zeichentrickfilme zur Beruhigung

VW-Logo auf einem alten Golf.
VW-Logo auf einem alten Golf. © dpa | Fredrik von Erichsen

Das neueste Kapitel des Dieselgate bei Volkswagen enthält Szenen, die kaum zu glauben sind. Zehn zu Versuchsobjekten degradierte Affen kauern in einem Testlabor im Wüstenstaat New Mexico eingesperrt in einem Glaskasten und atmen stundenlang Abgase eines VW-Beetle ein. Zur Beruhigung werden ihnen Zeichentrickfilme gezeigt. So beschreibt der Forscher Jake McDonald laut einem 179 Seiten langen Verhörprotokoll, was sich 2014 auf Betreiben von VW in seinem Forschungsinstitut in Albuquerque abgespielt haben soll.

Der Wolfsburger Autokonzern widerspricht der Darstellung nicht. Der Wissenschaftler sagte im Rahmen der US-Ermittlungen zum VW-Skandal aus, sonst wäre der „Albuquerque Monkey Test“ womöglich niemals an die Öffentlichkeit gelangt.

„Details können wir nicht kommentieren“

Die Tests mit den Affen waren Teil einer Studie, die beweisen sollte, dass die Dieselschadstoffbelastung dank moderner Abgasreinigung erheblich abgenommen hat.

Deshalb hatte die Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) – eine von Volkswagen, Daimler und BMW finanzierte Lobby-Initiative – sie beim Lovelace Respiratory Research Institute in Auftrag gegeben. Federführend war laut Studienleiter McDonald VW.

Die Wolfsburger teilten auf Nachfrage mit, die Kritik an der Studie „sehr ernst“ zu nehmen. Die anderen EUGT-Partner gingen auf Abstand. „Daimler unterstützt und toleriert keine unethische Behandlung von Tieren und distanziert sich von der Studie“, sagte eine Sprecherin.

BMW äußerte sich in einem Statement ähnlich – der Konzern führe keine Tierversuche durch und habe an der Studie nicht mitgewirkt. „Details wie Ablauf oder Umfang können wir entsprechend nicht kommentieren.“

WHO stuft Dieselabgase als krebserregend ein

Dennoch bleiben Fragen offen. Etwa ob die Unternehmen zum damaligen Zeitpunkt von den Experimenten wussten. Dazu wollte sich keiner äußern.

In einer Stellungnahme von Daimler heißt es allerdings, alle von der EUGT beauftragten Forschungsarbeiten seien von einem Beirat aus Wissenschaftlern von „namhaften Universitäten und Forschungseinrichtungen“ begleitet und geprüft worden – von der Auswahl bis zu der Darstellung der Ergebnisse.

Laut Forscher McDonald wollte man die Experimente anfangs sogar mit Menschen durchführen. Doch nachdem die Weltgesundheitsorganisation Dieselabgase als krebserregend eingestuft habe, seien wegen rechtlicher Bedenken die Affen zum Einsatz gekommen. Die entscheidenden Anweisungen habe stets VW gegeben.

Studie brachte nicht gewünschte Resultate

Was damals noch keiner wusste: Der getestete Beetle hatte eben jene Software zur Abgasmanipulation an Bord, die Volkswagen im darauffolgenden Jahr in eine der tiefsten Krisen der Konzerngeschichte stürzen sollte.

So verwundert es im Nachhinein wenig, dass das Testfahrzeug den Gerichtsakten zufolge von VW-Ingenieur James Liang persönlich beim Labor abgeliefert wurde. Also jener VW-Mitarbeiter, der nachdem der Dieselskandal im September 2015 aufflog, als Kronzeuge mit den Strafverfolgern kooperierte.

Die gewünschten Resultate brachte die Studie letztlich nicht. Die 2007 von BMW, Daimler, Volkswagen und Bosch gegründete EUGT wurde Mitte 2017 aufgelöst. Die abschließenden Ergebnisse der Studie hätten bis dahin nicht vorgelegen, womit das Projekt auch nicht abgeschlossen und veröffentlicht worden sei, heißt es von VW.

Laut McDonald stritt man danach noch um eine offene Rechnung für die Forschungsarbeiten. Dass VW – auch bei seiner Studie – systematisch betrog, konnte der Forscher zunächst kaum glauben. „Ich komme mir vor wie ein Dummkopf“, sagte McDonald den Ermittlern.

Der VW-Konzern, der wegen der Abgasaffäre schon über 25 Milliarden Euro an Rechtskosten verbucht hat, zeigt sich inzwischen geläutert. Doch solange sich neue Abgründe wie die Tierexperimente auftun, wird Volkswagen den Skandal wohl vorerst nicht loswerden.