Detroit/Peking. Noch werden in Detroit schwere Geländewagen präsentiert, doch die Branche rüstet sich mit Blick auf China für die Zeit der E-Mobilität.
Im Scheinwerferlicht der Automesse in Detroit stehen sie zwar noch: wuchtige Pick-ups und sportliche Geländewagen mit Verbrennungsmotor und viel Chrom. Mercedes-Benz etwa präsentiert die Neuauflage seines kantigen Geländewagen-Klassikers G-Klasse und Daimler-Chef Dieter Zetsche posierte bei der Vorstellung des schweren Benzinfressers im Beisein von Arnold Schwarzenegger mit Cowboyhut. Der frühere Gouverneur von Kalifornien versicherte, er selbst fahre die G-Klasse seit einem Vierteljahrhundert.
Doch abseits der Geländewagen-Nostalgie rüsten sich die großen Hersteller mit Blick auf den weltweit wichtigsten Absatzmarkt in China mit Hochdruck für das Zeitalter der Elektromobilität. Ford kündigte an, die Investitionen in die Elektromobilität massiv aufzustocken. Die Nummer zwei in den USA hinter General Motors will in den nächsten Jahren elf Milliarden Dollar in batteriebetriebene Wagen und Hybrid-Autos stecken, fast doppelt so viel wie bisher in Aussicht gestellt worden war. Der Konzern versprach zudem, den in den USA am meisten verkauften Pritschenwagen F 150 künftig auch als Hybridwagen anzubieten. „Wenn wir mit der Elektrifizierung erfolgreich sein wollen, müssen wir es mit Fahrzeugen tun, die bereits populär sind“, sagte Vorstandschef Jim Hackett.
VW will 34 Milliarden Euro in die Elektrifizierung stecken
Die drei weltweit führenden Autokonzerne Volkswagen, Toyota und GM haben ehrgeizige Pläne für den Ausbau der Elektromobilität verkündet. Allein VW will in den kommenden Jahren rund 34 Milliarden Euro in die Elektrifizierung und Hybridisierung seiner Konzernmodelle stecken.
VW muss sich nach dem Dieselskandal in den USA erst wieder zurückkämpfen. Vorstandschef Matthias Müller reiste dieses Mal nicht nach Detroit, sondern überließ VW-Markenchef Herbert Diess die Bühne. Die Wolfsburger wollen mit der Neuauflage des Jetta an frühere Erfolge in den USA anknüpfen. Bis 2020 sollen jedes Jahr zwei weitere neue Modelle folgen. Die Niedersachsen investieren in Nordamerika in den kommenden drei Jahren rund 2,8 Milliarden Euro.
Aber der US-Automarkt verliert im globalen Maßstab an Bedeutung. Im vergangenen Jahr gingen die Neuzulassungen in den USA um rund 320.000 Fahrzeuge zurück – auf rund 17 Millionen Fahrzeuge. Experten rechnen damit, dass die Pkw-Nachfrage dort weiter sinken wird. „Die jüngsten Rückgänge bei den Verkaufszahlen sind sicher erste Vorläufer einer langfristigen Entwicklung“, sagte Axel Schmidt von der Unternehmensberatung Accenture. Die fetten Jahre seien in den USA – wie auch in Europa – vorbei, da dort fast jeder inzwischen ein Auto habe.
China ist der weltweit wichtigste Absatzmarkt
Ganz anders ist die Lage auf dem weltweit wichtigsten Absatzmarkt: In China wurden im Jahr 2017 rund 25 Millionen Autos gekauft, ein Plus von 3,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Land dominiert damit ein knappes Drittel des weltweiten Fahrzeugmarkts. China ist zur Auto-Supermacht geworden und wird damit auch zum Taktgeber der Elektromobilität – allerdings mit drastischen Eingriffen des Staates.
PS, Protz und Prominenz: Automesse startet in Detroit
Subventionen und rigide Gesetze erzwingen in China einen schnellen Wandel, weg vom Verbrennungsmotor. Weltweit reagieren die Autobauer auf diesen Druck. Und die chinesische Regierung gibt die Geschwindigkeit vor: Zum Jahreswechsel hat sie den Bau von 553 Automodellen verboten. Begründung: Die Fahrzeuge schluckten zu viel Benzin. Zehntausende Ladestationen werden landesweit errichtet.
In Peking oder Shanghai ist es praktisch unmöglich, für einen neuen Benziner ein Nummernschild zu bekommen. „Die Regierung arbeitet an einem Zeitplan für den Ausstieg aus Produktion und Absatz von benzingetriebenen Autos“, erklärte Xin Guobin, Vizeminister für Industrie und Informationstechnik – und in den Konzernzentralen der Autobauer hört man die Signale. „Die USA hatten lange eine strategische Rolle in der Weltautoindustrie“, sagt Christoph Stürmer, Global Lead Analyst bei PWC Autofacts. Sie hätten weltweit die Einführung von Sicherheitsgurten, Katalysatoren oder ABS-Bremssystemen durchgesetzt. „Diese Rolle als Leitmarkt für neue Technologien übernimmt jetzt eher China“, sagt der Autoexperte.
China liegt bei Elektromobilität weit vorn
Bei der Elektromobilität liegt die Volksrepublik bereits weltweit vorn. Im vergangenen Jahr fanden 609.000 Autos mit neuer Antriebsform einen chinesischen Käufer, ein Plus von mehr als 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Mehr als die Hälfte des Weltmarkts für E-Mobilität entfällt damit auf China.
Die Führung in Peking will, dass bis 2020 landesweit mindestens fünf Millionen reine Elektroautos auf Chinas Straßen fahren. Um diese Entwicklung zu beschleunigen, greift sie zu einschneidenden Mitteln. So hat sie eine Produktionsquote für Elektroautos vorgegeben, die ab dem kommenden Jahr gelten soll. Fast jedes vierte in China hergestellte Auto muss dann mit einem Elektromotor betrieben werden.
Die wichtigsten Auto-Trends sieht man nicht mehr in den USA
Mit seiner Marktmacht ist China aber in der Lage, auch eigene Standards durchzusetzen. Bei der Batterietechnologie etwa – dem Herzstück der Elektromobilität – versucht Peking, die Geschäfte im Sinne der heimischen Industrie zu lenken. Bei der Einführung neuer Subventionsregeln erfüllten im vergangenen Jahr nur zwei chinesische Anbieter die Kriterien der Regierung: BYD und der CATL. Zu den Kunden von CATL gehören inzwischen BMW und Peugeot. Zudem ist eine Kooperation mit Apple in Planung – die deutschen Autobauer müssen sich ranhalten. Es seien „klassische Instrumente der Industriepolitik“, die China anwende, sagt Ulf Henning Richter, Professor für Industriepolitik an der Tongji-Universität in Shanghai. Die Regierung in Peking gebe das Tempo vor, die internationalen Anbieter müssten mitziehen.
„In Detroit geht es vor allem um das alte Autogeschäft“, meint Ferdinand Dudenhöffer, Professor am Center Automotive Research (Car) der Universität Duisburg-Essen. Die langfristigen Entwicklungstrends würden nicht mehr dort gesetzt, sondern auf der Consumer Electronic Show (CES). Die deutschen Hersteller versuchen sich deshalb im Spagat: Sie müssen den US-Markt mit großen Autos bedienen, während die wichtigen Trends in anderen Weltregionen gesetzt werden. Vor allem in China.