Berlin. IG Metall erhöht Druck: Die Forderung nach Arbeitszeit-Flexibilisierung könnte zu einem der härtesten Arbeitskämpfe seit Langem führen.

Die IG Metall erhöht im Tarifstreit den Druck auf die Arbeitgeber: Bei Streiks in mehreren Bundesländern traten rund 15.000 Mitarbeiter in den Ausstand. Die IG Metall will mit den Protesten ihrer Forderung nach sechs Prozent mehr Lohn und befristeten Arbeitszeitverkürzungen in der deutschen Metall- und Elektroindustrie Nachdruck verleihen. In den kommenden Tagen soll der Ausstand ausgeweitet werden, bevor am Donnerstag die dritte Verhandlungsrunde in Böblingen beginnt.

Die konfliktreichste Forderung der Gewerkschaft ist die zur Arbeitszeit-Flexibilisierung. Sie macht die laufende Tarifrunde besonders. Die IG Metall verlangt, dass Arbeitnehmer ihre Wochenarbeitszeit für maximal zwei Jahre auf bis zu 28 Stunden reduzieren können, um kranke Angehörige zu pflegen, Kinder zu betreuen, oder weil sie Schichtarbeit leisten. Der Lohnabzug soll ihnen in Teilen ersetzt werden. In den ersten beiden Fällen soll es 200 Euro im Monat geben, für Schichtarbeit 750 Euro im Jahr.

Arbeitgeber hatten Lohnplus von zwei Prozent ab April angeboten

Bereits nach der zweiten Tarifrunde hatte die Gewerkschaft für Januar Warnstreiks angekündigt. Diese sind nun möglich, da mit dem Jahreswechsel die Friedenspflicht in der Branche mit ihren rund 3,9 Millionen Beschäftigten ausgelaufen war. In der zweiten Runde der Tarifverhandlungen hatten die Arbeitgeber ein Lohnplus von zwei Prozent ab April angeboten, außerdem eine Einmalzahlung von 200 Euro für die Monate Januar bis März.

Zwar verlaufen Tarifrunden in der Metall- und Elektrobranche traditionell konfrontativ. Doch diesmal geht es um mehr und der Ton wird auf beiden Seiten schärfer. „Der Warnstreikauftakt zeigt, was die Beschäftigten vom Arbeitgeberangebot halten: Nichts! Sie lassen sich nicht mit einem mickrigen Lohnangebot abspeisen“, sagte Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall, am Montag zu dem ersten Angebot der Arbeitgeber. Diese wiederum lehnten die Forderungen der Gewerkschaft nach Flexibilisierung der Arbeitszeiten mit seltener Schärfe ab. Dass sie Arbeit subventionieren sollen, die nicht geleistet wird, kommt für die Firmen nicht in Frage.

Arbeitgeber sehen Verstoß gegen die Gleichbehandlung

Die Forderung zur Flexibilisierung sei diskriminierend und damit rechtswidrig, argumentieren die Arbeitgeber. Nach Ansicht des Arbeitgeberverbandes verstoße diese gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung – da sie zu unterschiedlichen Stundenlöhnen für gleichwertige Arbeit führen würde. Arbeitnehmer, die schon jetzt in Teilzeit arbeiten, würden auch künftig ihren normalen Lohn erhalten. Vollzeitbeschäftigte, die ihre Arbeitszeit nach dem geforderten Modell verkürzen würden, sollten hingegen zusätzlich zum normalen Lohn eine Ausgleichszahlung erhalten.

„Diese Forderung kann nicht erfüllt werden, egal, wie viel Druck die Gewerkschaft organisieren will“, sagte Gesamtmetall-Geschäftsführer Oliver Zander dieser Zeitung. Sie sei ein „Sprengsatz“ für die Verhandlungen. An anderer Stelle zeichnen sich bereits mögliche Kompromisse ab: Auf eine Verkürzung der Arbeitszeit würden sich die Arbeitgeber eventuell einlassen, wenn die Gewerkschaft ihnen im Gegenzug mit einer Sonderregelung zur Ausweitung von Arbeitszeit für stark ausgelastete Unternehmen entgegen kämen, heißt es aus Verhandlungskreisen.

Nächste Eskalationsstufe wären unbefristete Streiks

Auch die jetzige Forderung der Gewerkschaft nach sechs Prozent mehr Lohn könnte sich erfüllen lassen, wenn die Arbeitgeber die prozentuale Forderung der IG Metall zwar annähernd akzeptieren, ihr dafür aber eine Laufzeit von beispielsweise 24 statt zwölf Monaten abhandeln. Kommt auch in der dritten Runde keine Bewegung in die Sache, droht die nächste Eskalationsstufe: unbefristete Streiks.

Während Warnstreiks in Deutschlands industrieller Schlüsselbranche zur Routine gehören, sind unbefristete Streiks bislang die Ausnahme. In der Vergangenheit wurde dieses Mittel von der Gewerkschaft häufig dann eingesetzt, wenn es um Arbeitszeit-Konflikte ging. So zum Beispiel in den 60er-Jahren, als die 40-Stunden-Woche durchgesetzt werden sollte, oder bei der Forderung nach der 35-Stunden-Woche in den 80er-Jahren in der Bundesrepublik sowie 2003 in Ostdeutschland. Den letzten Kampf vor fünfzehn Jahren verlor die IG Metall.